Das Wichtigste bei jeder Form von Musik ist,
dass du wie du selbst klingst!
Rocktimes Interview Gerade hat Gwyn Ashton sein neues Album Radiogram vorgelegt. Ein Album, von dem man selbst mit verbundenen Augen sofort weiß, dass der sympathische walisische Wahlaustralier der Urheber ist.

RockTimes hatte jetzt die Möglichkeit, dem Axeslinger ein paar Fragen per E-Mail zu stellen. Heraus kamen einige verblüffende Antworten, bei denen ich mir gewünscht hätte, ihm - zwecks Nachfragen - gegenüber zu sitzen... Das ist einer, der erfreulicherweise Klartext redet!

Nebenbei wurde deutlich: Unser Musikgeschmack ist nahezu identisch!!

Interview vom 03.11.2012


Steve Braun
RockTimes: Hi, Gwyn! Besten Dank, dass Du Dir Zeit für meine Fragen nimmst? Ich hoffe, Du bist gesund und munter... und voller Tatendrang?
Gwyn Ashton: Ich bin IMMER bereit! Zeig mir nur, wo der Tourbus steht und sag mir, dass es auf Tour geht! ;-)
RockTimes: Drei Jahre sind jetzt seit Deinem letzten Album, "Two-Men Blues Army", vergangen. Was ist seitdem passiert?
Gwyn Ashton: Ich bin quer durch Europa getourt, habe in UK und Kalifornien aufgenommen und mir noch mehr Gitarren und Effektgeräte gekauft. Ich habe aber auch viele Songs geschrieben und mal wieder etwas mehr Lap-Slide gespielt und eine ganz breite Palette von Musik gehört, die mich zum Nachdenken bringt, zum Wachsen und zur Selbstfindung beiträgt.
RockTimes: Dein letztes Album "Two-Men Blues Army" ist für mich ein Meilenstein des modernen Blues Rock. Dieser minimalistische Ansatz war - finde ich - sensationell. Was hat Dich damals bewegt, nur mit Dave Small ins Studio zu gehen?
Danke schön! Ich liebe es, als Duo zu spielen. Aber das Publikum akzeptiert das nur schwer - vor allem auch in Deutschland. Deshalb habe ich dort in der Vergangenheit zumeist als Trio getourt. Doch auch damit ist es immer noch schwer, in manche Venues zu kommen. Man will eine größere Band, kein Duo - dabei benutze ich Oktave Pedals und Loops, um den Sound voller und etwas 'moderner' zu machen. Das Duo ist für mich die moderne Variante einer Bluesband - eben nicht das traditionelle Format. Das ist anders, moderner und... die Kids mögen es! Wir haben Schlagzeug und Percussion auf der einen Seite der Bühne und die Gitarren auf der anderen. Niemand beschwert sich, dass die White Stripes, Tony Joe White, die Black Keys, Jon Spencer Blues Explosion oder damals Hound Dog Taylor keinen Bassisten haben!
In der Tat: In der Nacht, bevor Dave und ich das Album [Anmerk.: "Two-Men Blues Army"] machten, spielten wir in einem kleinen Proberaum in England. Die einzigen Anwesenden waren Daves Eltern und Robert Plant mit seinem Sohn, der Drummer ist. Robert war schon immer ein Fan meiner Band und er wollte, dass sich sein Sohn ein paar Ideen holt, wenn er uns hört. Das war in der Nacht bevor Led Zeppelin ihren O2-Gig in London spielten. Robert sprach über Bassisten und ich erzählte ihm, wie schwer es sei, einen guten zu finden. Er setzte sich auf, haute mit der Faust auf den Tisch und rief: »DON'T get one. This band is fucking great!« Das tat so gut, diese Zustimmung zu bekommen.
RockTimes: Musik ist ja oft ein Spiegel der Landschaft (und Menschen), in der sie entstanden ist. Was hat Dein Spiel mehr geprägt? Wales oder Australien?
Gwyn Ashton: Ich verließ Wales, als ich fünf Jahre alt war. Ich wuchs also mit australischen Bands auf und bin hauptsächlich von australischer Rock- und Bluesmusik beeinflusst, obwohl ich immer Budgie und Man liebte. In Australien gibt es eine großartige Roots- und Bluesszene - und eine viel breitere Palette von Blues, als in England. Sie haben dort eine Menge großartiger Roots-Slide-Gitarrenspieler, während der britische Blues mehr von SRV und Bonamassa inspiriert ist.
RockTimes: Was hat Dich zu "Radiogram" inspiriert?
Gwyn Ashton: Ich fühlte, dass etwas in der modernen Blues- und Rockmusik fehlt und habe wieder mehr Allman Brothers, Derek And The Dominoes, Little Feat und die frühe Bonnie Raitt gehört, und nahm einen Funk und Groove wahr, der der heutigen Musik abgeht - die ich persönlich als steril empfinde. Diese Musik hat mich noch genauso gepackt wie damals in den Siebzigern, als ich sie erstmals hörte... und deshalb wollte ich diesen Sound. Etwas moderner zwar, aber ohne all die großen Produktionen, die ich nicht mag. Ich mache Alben in erster Linie für mich! Ich muss mich glücklich fühlen, wenn ich sie höre. Mit "Radiogram" sollen die Leute hören, wo ich herkomme und ein bisschen von der Musik spüren, die mich anmacht. Wenn es genug Leute kaufen, bringen wir "Radiogram" auch auf Vinyl.
RockTimes: Der Promo-CD lag kein Booklet bei - deshalb die Frage: In welcher Besetzung hast Du "Radiogram" eingespielt?
Gwyn Ashton: Kev Hickman spielte Drums und ich Gitarre und Bass. Ich genieße es wirklich, Bass zu spielen. Meine Top-Drei-Bassisten sind Keith Fergusson, Dusty Hill und Duck Dunn. Mark Stanwy hat die Orgel gespielt, bis auf "For Your Love", wo Don Airey zu Gast war. Weitere Gäste waren Kim Wilson (Harmonica), Robbie Blunt (Lead Guitar bei "Fortunate Child"), Mo Birch (Backing Vocals), Johnny Mastro (Harmonica bei "Let Me In") und Henry Parker (12-String Guitar bei "Don't Wanna Fall").
RockTimes: Als Liebhaber von Hammond-Sounds muss ich Dich fragen: Warum ist die Orgel (bspw. bei "Don't Wanna Fall") derart dezent im Hintergrund zu hören?
Gwyn Ashton: Da sind eine Menge Instrumente auf dem Track zu hören - vier Gitarren und die Hammond. Wäre die Orgel nur ein bisschen lauter, würde man die anderen Instrumente nicht mehr hören. Henry Parkers Zwölfsaitige steht bei dem Song im Vordergrund - die Orgel begleitet und spielt keine dominante Rolle.
RockTimes: Hast Du wieder vornehmlich Deine geliebte 63er Strat eingesetzt oder kamen auch andere Gitarren zum Einsatz?
Gwyn Ashton: Oh, auf "Radiogram" kamen eine Menge Gitarren zum Einsatz. Ich spielte natürlich meine 63er Strat, die 52er Tele, eine 61er Gibson LP SG VOS, Danelectro Baritone, Weissenborn Lap-Slide, Busker Delta Resonator. Als Bässe benutzte ich einen 51er Precision und einen mit einem Duncan Single Coil-Pickup modifizierten Squier Vintage Bass.
RockTimes: Besonders gut gefallen mir die Balladen auf "Radiogram". Weshalb sind es diesmal so viele [drei Stück]?
Gwyn Ashton: Ich schreibe Songs über das Leben und das ist halt nicht immer hart und schnell. In einen langsamen Songs kann so viel Power und Emotion stecken, wie du sie nie in einen Rocker packen könntest.
RockTimes: Wem hast Du den wundervollen Slow Blues "Bluz For Roy" gewidmet? Oder - Achtung Scherzfrage - sollte es "Rory" heißen?
Gwyn Ashton: Der Song ist ein Tribut an einen anderen meiner Helden, Roy Buchanan. Er ist lang und intensiv - aber da haben wir wieder die Siebziger! Ich dachte beim Bearbeiten, es kürzer zu gestalten, habe aber beschlossen, es so zu lassen. Manche Leute werden es lieben - manche werden es hassen. Du kannst es nicht jedem recht machen. Ich mache Alben, glaube ich, um Botschaften zu vermitteln.
RockTimes: Magst Du den folgenden Satz vervollständigen? "Radiogram" ist mein bislang bestes Album, weil...
Gwyn Ashton: ...es die Geschichte meines Lebens fortschreibt. Ich fühle, dass ich, je älter ich werde, umso bessere Songs schreibe.
RockTimes: Man hört in Kritikerkreisen oft den Vorwurf, der Blues würde auf der Stelle treten, sich nur wenig weiterentwickeln. Was würdest Du diesen Kritikern entgegnen?
Gwyn Ashton: Ich bin damit einverstanden, dass sich der Blues weiterentwickeln sollte, aber er darf nie seine Identität verlieren. Das Wichtigste bei jeder Form von Musik ist, dass du wie du selbst klingst und nicht wie eine Kopie der Leute, die dich inspiriert haben! Auch wenn du ein unglaublicher Gitarrist bist, darfst du nicht auf dem halben Weg stehen bleiben. Viele Musiker klingen, als ob sie alle die gleichen Songs, die selbe Musik zur Inspiration hören. Sie gehen nicht weiter zurück in die Geschichte des Blues. Sie hören Hendrix, SRV oder Bonamassa - dabei sollten sie bei Mississippi Fred McDowell, Lightnin' Hopkins und Charlie Patton reinhören.
RockTimes: Was müsste man tun, um auch jüngeren Leuten den Blues näher zu bringen?
Gwyn Ashton: Spielt den Blues im Radio, zeigt ihn im Fernsehen statt der banalen Scheiße, die sie auf MTV bringen. Bringt ihn in die Magazine - verbreitet ihn überall über das Internet. Zeigt den jungen Leuten, dass es Musik gibt, die von echten Musikern und echten Instrumenten gemacht wird, dass es richtige Songs zu ihrem wirklichen Leben gibt. Reality-Music! Aber sie wollen Reality-TV. Aber was ist das für eine verdammte Realität?? Es ist so frustrierend, dass sich die Medien nicht für echte Musik interessieren.
RockTimes: Die Frage, welche Künstler Dich inspiriert haben, möchte ich Dir nicht stellen. Stattdessen fände ich spannend, welches Album Dein Leben verändert hat?
Gwyn Ashton: Oh, das sind so viele! Als ich aufwuchs, waren alle meine Favoriten noch am Leben: Lennon, Gallagher, Hendrix, Beck... An verschiedenen Stationen meines Lebens habe ich mein Leben verändernde Platten entdeckt. Zuvorderst natürlich "Blues Breakers With Eric Clapton" (1966), aber auch Layla, Revolver, "Electric Ladyland", Irish Tour 1974, "Dixie Chicken", Chicken Skin Music und so viele mehr... Jede von ihnen half mir, ein besserer Musiker zu werden.
RockTimes: Sogenannte Supergroups sind ja derzeit sehr angesagt. Mit welchen Künstlern würdest Du gerne mal ein Projekt starten?
Gwyn Ashton: Jim Keltner, Leland Sklar, Robbie Blunt, Booker T, Bonnie Raitt, David Crosby und ich selbst - das würde 'fucking good noise' machen...
RockTimes: Kommst Du demnächst mit den neuen Songs nach Deutschland auf Tour? Wir warten alle schon ungeduldig...
Gwyn Ashton: Hoffentlich im April des kommenden Jahres.
RockTimes: Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen! Vielleicht sehen wir uns ja demnächst an der Bühnenkante??
Gwyn Ashton: Danke, es war mir ein Vergnügen!
RockTimes dankt Ellie Clark von Prescription PR für die Vermittlung des Interviews.
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