Richie Arndt / Live With Friends
Live With Friends Spielzeit: 73:08
Medium: Download
Stil: Blues Rock & More

Review vom 08.02.2012


Jürgen Hauß
Im Jahr 2009 habe ich aufgrund eines RockTimes-Reviews die Train Stories von Richie Arndt kennen und - nach deren Erwerb - schätzen gelernt. Die Mischung aus Musik und ergänzenden Informationen (allein die launige einleitende Erklärung über die Rechtfertigung jenes 'Hörbuches' ist ein genaues Hinhören wert) war einfach gelungen. Soweit im Rahmen des Hörbuches manche Stücke musikalisch nur 'angerissen' wurden, waren sie allerdings auf CD 1, die ausschließlich aus Musik besteht, vollständig wiedergegeben.
Nach jenem edukativen Album machte Richie Arndt bekanntermaßen mehr mit anderen Kumpels als seinen Stamm-Bluenatics weiter: Zwei Weinberg-Sessions sowie The German Bluesproject ließen eigene Produktionen in den Hintergrund treten - jedenfalls, wenn man in diesem Zusammenhang The Blue Side Of… als Greatest-Hits-Compilation außen vor lässt.
So musste man drei Jahre warten, bis kürzlich das Opus "Live With Friends" erschien. Obwohl vom Umfang her einer CD entsprechend, kann man - jedenfalls streng genommen - nicht von einer solchen sprechen, denn die Musik gibt es bislang lediglich als Download bei den bekannten Plattformen und nicht als Silberling. Ob sich an dieser Veröffentlichungsweise kurzfristig etwas ändert, ist mir nicht bekannt. Richie Arndt selbst spricht auf seiner Homepage in Bezug auf "Live With Friends" immerhin von einem »Album«.
Bedauerlich ist allerdings, dass man auch über des Künstlers Homepage kaum weitergehende Informationen erhält; so etwas wie ein 'Digital Booklet' ist leider nicht verfügbar. Man erfährt lediglich, dass die Live-Produktion im sauerländischen Schmallenberg entstanden ist. Da die Bluenatics dort aber regelmäßig auftreten, kann man nur spekulieren, wie aktuell die Aufnahme tatsächlich ist.
Ein Blick auf die Tracklist gibt schnell die Erkenntnis, dass bei diesem Konzert überwiegend 'Train Songs' zum Besten gegeben wurden, und das weckt nach dem eingangs Gesagten mein besonderes Interesse. Auch dass mit Kellie Rucker eine tolle Harp-Spielerin mit dabei ist, lässt meine Erwartungen steigen. Und diese werden nicht enttäuscht.
Genau genommen hätte von daher das Opus auch "Train Stories Live" heißen können, denn zwölf der insgesamt fünfzehn Nummern entstammen jenem eingangs erwähnten Werk und mit dem Schlusssong "Central Station 3 A.M." ist ein weiterer Titel dabei, der dem Genre 'Train Songs' zugeschrieben werden kann.
Musikalisch erfindet sich Richie Arndt auf der Bühne nicht völlig neu, so dass ich zu den einzelnen Tracks - soweit sie auf "Train Stories" veröffentlicht waren - weitgehend auf die Bemerkungen von Joe verweisen möchte (jedenfalls soweit der die Songs einzeln erwähnt hat), zumal mit Kellie Rucker und Marlon Klein zwei wichtige Gastmusiker von "Train Stories" auch bei dem Live-Konzert wieder mit dabei waren. Übergangen hat Joe allerdings den wunderschönen Slow-Blues "That Evening Train", den Kellie mit ihrer markanten Stimme intensiv interpretiert und mit einer sehr gefühlvoll gespielten, dennoch aber 'dreckigen' Bluesharp begleitet - Gänsehaut! Dasselbe Gefühl stellt sich auch beim folgenden "Five Hundred Miles" ein, auch wenn das hierbei zum Einsatz kommende Piano ein wenig nach Richard Claydermann klingt. Sorry für diese Assoziation, aber dem positiven Gesamteindruck tut das keinen Abbruch!
Deutlich länger im Vergleich zur Studio-Version ist vorliegend der "Marrakesh Express" unterwegs, insbesondere aufgrund der intensiven Perkussions-Tätigkeit von Marlon Klein, bei der sogar das sauerländische Publikum geradezu aus sich herausgeht, indem es eingangs rhythmisch mitklatscht. Ansonsten bleibt es - bis auf jeweils durchaus Begeisterung dokumentierenden Schlussapplaus nach den einzelnen Songs - relativ zurückhaltend; selbst geniale Soli der einzelnen Musiker zwischendurch werden nicht spontan honoriert; so bleibt die Live-Atmosphäre etwas im Hintergrund - schade!
Halt! Eine diesbezügliche Ausnahme gibt es doch: Bei dem 'Knaller'-Song "Big City Blues" wird ein wirklich geniales und lang andauerndes Gitarrensolo durch Szenenapplaus gewürdigt; hier ist es die laut weiterspielende Musik, die diesen Stimmungsausbruch niedermacht! Lange habe ich gerätselt, von wem dieses Stück stammt, bis ich in Richies musikalischer 'Mottenkiste' fündig geworden bin: Bereits auf seinem 2003er Album "Voodoo" ist der Song vertreten und diese Tatsache sowie die Lyrics (»I wasn't born in some mysterious place, where all those blues singers have been born... but a big city can make everyone sing the Blues«) lassen vermuten, dass der Song in gewisser Weise autobiographischer Natur für den Vertreter des 'Bielefeld Blues' ist. 'Chapeau' daher für Komposition und die vorliegende Interpretation!
Auch wenn ich nach den obigen Ausführungen die nun folgenden Lieder nicht einzeln darstelle, möchte ich es nicht versäumen, den Gast-Keyboarder George Kochbeck zu erwähnen (anstelle offenbar von Felix Janosa, der die "Train Stories" begleitet und jenes Album wie andere Scheiben der Bluenatics produziert hat; jedenfalls wird dieser bei der abschließenden Vorstellung der Musiker nicht genannt). George Kochbeck gibt jedenfalls so manchem Track mit diversen Tastenklängen - auch 'Schweineorgelmäßig! - so manchen Drive!
Dies gilt auch für "Travellers", den Song, der den offiziellen Teil des Konzerts beendet. Er lebt allerdings von stark lateinamerikanischen Rhythmen und Gitarrenklängen à la Carlos Santana; das bringt zum Ende hin noch einmal richtig Schwung. Doch leider ist der Titel entgegen der Angaben in den 'Technicals' nach gut vier Minuten schon zu Ende. Habe ich Richies Absage tatsächlich richtig verstanden? »"Travellers" von "Train Stories" - vielen, vielen Dank!« Auf meiner Fassung des zitierten Albums ist dieser Titel jedenfalls nicht drauf; er ist ja auch - selbst wenn er von 'Reisenden' spricht, kein klassischer 'Train Song'. Ist aber auch nur eine kleine Randnotiz zu diesem tollen Stück!
Die restlichen anderthalb Minuten des Tracks machen redlich verdiente »Zugabe«-Rufe und rhythmisches Geklatsche zu Can-Can-Musik aus (die ich ohne größere Zweifel kompositorisch dem 'Operettenkönig' Jacques Offenbach zuschreiben kann; aber wen interessiert das hier schon!).
Und die Rufe wurden erhört: Einen absoluten Stimmungswechsel präsentiert das schon genannte "Central Station 3 A.M.", das Studio-mäßig wie "Travellers" von Riche Arndts gleichnamigem Album aus dem Jahr 2005 stammt. Richie leitet den 'Rausschmeißer' vorliegend mit folgenden Worten ein: »Ihr könnt die Augen schließen, ihr könnt sie auflassen; macht was ihr wollt!« Das klingt leicht desinteressiert an der Reaktion des Publikums, war aber sicherlich nicht so gemeint. Vielmehr lässt der Protagonist dem akustischen 'Betrachter' jede Freiheit, das äußerst langsame und leicht sphärisch klingende Stück, das allzu stark nach "Albatross" von Fleetwood Mac klingt, auf sich wirken zu lassen. Doch wenn dann die raue Bluesharp von Kellie Rucker den Kontrapunkt setzt... einfach zum Wegträumen! Ein kurzes »Vielen Dank « sowie die Vorstellung der Band reißen einen allerdings zum absoluten Schluss wieder aus allen Träumen!
Mein Fazit? Für Richie Arndt-Fans sowieso ein 'Muss'! Auch wenn die "Train Songs" überwiegend ähnlich klingen wie auf den "Train Stories", geben die Abweichungen sowie das Zusatzmaterial genügend Mehrwert. Da auch klangtechnisch alles in Ordnung ist, kann ich einen Download nur empfehlen.
Line-up:
Richie Arndt (vocals, guitar)
George Kochbeck (keyboards)
Kellie Rucker (vocals, harp)
Marlon Klein (percussion)
Jens-Ulrich Handreka (bass)
Frank Boestfleisch [»Franceso Beste Fleisch«!] (drums)
Tracklist
01:Iron, Speed And Steam (3:32)
02:Big City Blues (6:23)
03:Downtown Train (5:36)
04:One After 909 (2:49)
05:That Evening Train (3:45)
06:Five Hundred Miles (3:11)
07:Get On Board (3:48)
08:Marrakesh Express (7:01)
09:Rock Island Line (4:12)
10:Night Train (5:04)
11:California Sunsets (3:55)
12:Breakneck Train (6:30)
13:Just Before I Go (5:05)
14:Travellers (5:52)
15:Central Station 3 A.M. (6:29)
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