The Band / Jericho
Jericho Spielzeit: 57:06
Medium: CD
Label: Titan/Pyramid Records, 2006 (1993)
Stil: Roots Rock


Review vom 14.04.2008


Markus Kerren
Nach ihrem letzten Konzert im November 1976 schien The Band (die mit "Music From Big Pink" und The Band mindestens zwei absolute Klassiker abgeliefert hatten) gestorben und begraben, jedoch unvergessen. 1983 kam es zur Reunion, allerdings ohne Mastermind und Hauptsongwriter Robbie Robertson, der jegliches Interesse verloren zu haben schien. Ohne neues Studioalbum tingelte die Truppe dann kreuz und quer durch Nordamerika, ohne jedoch einen entscheidenden Schritt nach vorne machen zu können, um im Business wieder Fuß zu fassen.
Als dann im März 1986 auch noch Richard Manuel unter tragischen Umständen ums Leben kam, schien The Band für immer Geschichte gewesen zu sein. Umso überraschender erschien dann im Februar 1994 doch noch eine neue Studioproduktion mit dem Titel "Jericho". Von Robbie Robertson war leider auch weiterhin weder was zu sehen, noch zu hören. Vielmehr hatten sich die Originalmitglieder Levon Helm, Rick Danko und Garth Hudson mit Jim Weider (Gitarre), Richard Bell (Piano, Ex-Full Tilt Boogie Band) und Randy Ciarlante (Schlagzeug) verstärkt.
Den Opener macht das von Jim Weider komponierte "Remedy", eine rockige Americana-Nummer, die genau dort weitermacht, wo die ehemaligen Hawks mehr als 15 Jahre zuvor aufgehört hatten. Ein starker Opener, bei dem Levon Helm die Lead Vocals übernimmt, unterstützt von den tollen Background Vocals eines Rick Danko. Beim folgenden Bob Dylan-Cover "Blind Willie McTell" legen diese beiden dann ein astreines Duett hin, während sich der langsam und bluesig gespielte Track über satte 6:40 Minuten streckt.
Jimmy Weider ist natürlich kein Robbie Robertson, überzeugt aber dennoch mit starker und überzeugender, wenn auch sehr zurückhaltender Gitarrenarbeit. Leider sind auf "Jericho" nur zwei brandneue, speziell für dieses Album von Levon Helm co-verfasste, Stücke enthalten. Davon macht "The Caves Of Jericho" den Anfang. Ein langsameres, fast bluesiges Stück im so typischen The Band-Stil, gekrönt von Levons einzigartiger Stimme und Melodieführung. Gegenstand des Textes ist übrigens nicht der biblische Ort im Nahen Osten, sondern vielmehr das Städtchen Jericho, tief im US-Bundeststaat Kentucky.
Eine weitere Überraschung stellt, zumindest beim ersten Lesen des Booklets, das
Bruce Springsteen -Cover "Atlantic City" dar. Aber wirklich auch nur zunächst, da die Protagonisten sich diesen Song so dermaßen zueigen machen, dass man auf Anhieb geneigt ist zu glauben, dass bei dem Track niemand sonst jemals seine Finger mit im Spiel gehabt haben könnte. Neben dem starken Gesang von Helm (Lead) und Danko (Background) lohnt es sich hier, wie auch bei "The Caves Of Jericho", besonders, auf die (leider etwas zu sehr in den Hintergrund gemischten) Keyboards von Garth Hudson zu achten. Denn was der (Mad) Professor Hudson sich da mal wieder zusammenorgelt, ist so abgefahren wie genial.
"Too Soon Gone" ist den beiden verstorbenen, ehemaligen Band-Mitgliedern Richard Manuel und Stan Szelest gewidmet, und wird so ergreifend wie warm von Rick Dankos ersten Solo-Lead Vocals überliefert. Ja, und mit "Country Boy" ereilt uns dann ein Gruß aus dem Jenseits, bzw. ein letztes 'Hallo' aus dem Grab. Es handelt sich um ein im Oktober 1985 aufgenommenes Stück mit Richard Manuel am Gesang. Wie kleine Fegefeuer brennen sich die Gesangslinien in den von Gänsehaut überzogenen Körper des Rezensenten. Manuel trug sein Herz auf der Zunge und man hört hier sprichwörtlich jedem einzelnen Wort an, dass man es mit einem Mann zu tun hat, der in ernsthaften Schwierigkeiten steckte. So ergreifend wie dramatisch, so schön wie auch mit einem gruseligen Hauch der Verzweiflung umgeben.
Die zweite Hälfte von "Jericho" beginnt auch mit dem zweiten brandneuen Song, "Move To Japan", bei dem Levon Helm zurück an den Lead Vocals ist. Gefolgt wird dieser flotte, aber nicht herausragende Rocker von (dem vom langjährigen Woodstock-Nachbarn und Freund Artie Traum geschriebenen) "Amazon (River Of Dreams)", das zwar stark eingespielt und von Rick Danko super eingesungen wurde, kompositorisch aber abfällt.
Zwei alte Muddy Waters-Nummern folgen: Zunächst das als Uptempo-Rocker gebrachte "Stuff You Gotta Watch", gefolgt von dem wesentlich langsameren (von Willie Dixon geschriebenen) "Same Thing", jeweils mit Helm am Mikro. Die ebenso mit angezogener Handbremse eingespielten "Shine A Light" und "Blues Stay Away From Me" beschließen darauf das Album.
Das Fazit fällt eindeutig aus: Sämtliche zwölf Songs sind hervorragend eingespielt und -gesungen. Leider hält der zweite Teil der Scheibe nicht, was der erste verspricht, da das Songmaterial ab einem bestimmten Zeitpunkt den zunächst gesetzten Standard nicht mehr halten kann. Und genau hier kommt der Zuhörer an dem Punkt an, wo er den Robbie Robertson dann doch vermisst. Davon abgesehen kommt man, so gut Robertson als Gitarrist auch ist, nicht daran vorbei, anzuerkennen, dass Weider hier einen tollen Job abgeliefert hat.
Letztendlich ist "Jericho" zwar kein erstklassiges, dafür aber ein sehr gutes Comeback-Album geworden, das sich 7 von 10 RockTimes-Uhren redlich verdient hat.
Line-up
Levon Helm (drums, vocals, mandolin, banjo)
Rick Danko (bass, vocals)
Garth Hudson (keyboards)
Richard Bell (piano)
Jim Weider (guitars)
Randy Ciarlante (drums)
Tracklist
01:Remedy
02:Blind Willie McTell
03:The Caves Of Jericho
04:Atlantic City
05:Too Soon Gone
06:Country Boy
07:Move To Japan
08:Amazon (River Of Dreams)
09:Stuff You Gotta Watch
10:Same Thing
11:Shine A Light
12:Blues Stay Away From Me
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