Beardfish / Destined Solitaire
Destined Soltiaire Spielzeit: 76:51
Medium: CD
Label: InsideOut/SPV, 2009
Stil: Prog Rock


Review vom 18.08.2009


Tom Machoy
Bartfisch oder Bratfisch. Nun, diese Frage stellt sich bei Beardfish ganz und gar nicht. Und wiederum ist es eine schwedische Band, die in meinen Ohren Wohlkang erzeugt und dieselben spitzen lässt.
Für mein Dafürhalten sind Beardfish mit dem was und wie sie es spielen, auf dem lang aufsteigenden Ast des Erfolgs noch lange nicht an der Spitze angekommen. Recht so! Und sie scheinen sich immer noch von CD zu CD (seit 2003 sind es mittlerweile fünf) steigern zu können. Das haben mir die vier Schweden auch noch live bewiesen. Ich kann Euch sagen, dass mir dieses Donnerstagabend-Konzert auf dem Herzberg Open Air allerbestens gefallen hat.
Beardfish tauchte für mich das erste Mal im Line-up des Festivals auf und Ihr wisst: Vorbereitung ist mindestens bereits ein viertel Vergügen, weshalb ich im Vorfeld feststellen konnte, dass es sich um progressive Musik handeln würde. Und: Das Konzert stand auf der Arbeitsliste und ich wurde nicht enttäuscht. Die Jungens haben einfach drauflos gespielt und so einige Genres mit ihrem Spiel nicht nur berührt, nein, richtig angefasst und sind darin aufgelebt. Es schien, als sei es ihnen egal, ob sie gerade Prog, Metall oder Jazz spielten, egal, ob sie sich an Althergebrachtem orientierten oder ganz einfach Eigenes einfließen ließen und Musik neu gestalteten. Es war auf jeden Fall absolut genial und ein 'Hinhörer' mit langer Nachwirkung. Und dass nicht bloß ich von Beardfish begeistert bin, zeigt auch (so war es zu lesen), dass sie »…von Dream Theater für den nordamerikanischen Teil der Progressive Nation 2009-Tour eingeladen« wurden. Dafür Gratulation, wer hat das schon?
Und bevor ich zur Musik an sich komme, vielleicht noch eine Bemerkung dazu. Die Musiker arbeiten sehr eng und sehr beständig zusammen, sind sehr gute Freunde geworden, hören die gleiche gute Musik, denn irgendwoher muss diese klasse Musik ja schließlich kommen. Also, sollten da Stimmen zu vernehmen sein, die da eventuell äußern könnten, 'das klingt aber verdammt nach…' - ja und? Klingt es auch, verdammt noch mal! Das geht einem doch selber so, hörst starke Musik, trällerst die vor dich hin und haust alles irgendwie im Kopf zusammen und raus kommt was ganz 'Altesneues'. Nur fehlt mir die Möglichkeit, das musikalisch so umzusetzen. Na ja, geht auch ohne. Ich sehe darin absolut keinen Makel oder Grund, irgendwelche Abstriche zu suchen. Einfach zuhören und genießen!!!
Und los geht es gleich mit einem Instrumentalstück, »das als Reprise und als Übergang zum Vorgängeralbum Sleeping In Traffic gedacht sein soll«, so Rikard Sjöblom, »das so kompakt gestrickt ist, so kraftvoll und so voller Details sei«. Sozusagen hinter jedem Takt entspinnt sich etwas Neues, etwas Anderes. Du wartest förmlich auf den nächsten Ton. Und bereits hier zeigen alle Musiker, was sie handwerklich können. Ein harter Beginn wird von einer wirklich sonderbaren (Rummelplatz-) Melodie abgelöst, die dann auch immer wieder zwischendurch auftaucht. Ich fühlte mich in alte Genesis-Alben erinnert, aber vielleicht irre ich mich ja auch?
Und nach ca. fünf Minuten geht es übergangslos in den Titelsong über, der zunächst so ruhig beginnt, es dann aber sehr bald wirklich krachen lässt. Da wechseln sehr melodiös gesungene und gespielte Parts mit derb-metallischen Klängen. Das war so zu Beginn nicht zu erahnen.
Es bleibt so spannend: rockige Gitarrenriffs, dunkler Gesang. Es fällt nichts aus dem Rahmen, jeder arbeitet hart am Erfolg des Stückes. Zwischendurch akustisch-folkisches Gitarrenspiel, was nur von kurzer Dauer, aber erwähnenswert ist. Ja und dann wird es freejazzlastig, um ganz in einer Art 'Jazzrock-Ding' zu versinken. Hier fühle ich mich schon mal an Echolyn erinnert. Mit zehn Minuten 50 Sekunden ein starkes Stück!
Das zu Beginn ziemlich melodiöse, aber niemals geradlinige "Until To Comply" schließt sich an. Sehr Keyboard-betontes Spiel, streckenweise zappaesker Gesang, eigentlich fehlt nur noch das Xylophon, um diesen zu untermalen. Wenn ich dann noch diese Echoes-Klänge und den "The Wall"-Gesang höre…, also, ich bin hin und weg! Und das alles in einem Titel(!); gibt es das so noch mal? Bombastische Orgelklänge, irrer Rummelplatzgesang mit Humbaba-Sound bringen dieses Werk dem laut donnernden Gitarrenrock-Ende entgegen, den die Keyboards mit der Anfangsmelodie und dem -Gesang endgültig nach gut fünfzehn Minuten abschließen.
"In Real Life There Is No Algebra" leistet sich einen ganz anderen Stil. Hier zitiere ich einfach mal: »Diese Nummer besitzt eine Art Steely Dan-Atmosphäre plus den erneuten Versuch, dazu zu rappen. Textlich geht es um einen Typen, der sich von seinem mentalen (Reptilien-) Zustand in eine Art höheres Wesen zu entwickeln versucht (Albert Einstein)!«, sagt Sjöblom.
Nur ein wenig ruhiger spielen Beardfish weiter. Erneut sehr orgelbetont und nach krachigem Zwischenspiel wieder kleine Melodien. Ein sehr gut eingesetzter Gesang gibt auch diesem Titel einen Klecks im Gesicht des Gesamtkonzeptes dieser CD, der fast hymnisch abschließt.
So, Ihr lieben Musikhörer - wer nun nicht an Songs From The Wood zu Beginn dieses irre kurzen Stückes denkt, dem kann ich auch nicht helfen.
Das Stück mit dem französischen Namen "Coup de Grâce" entwickelt sich über flirrende Orgeln und Akkordeonmelodien genau zu eben dieser französischen Lebensart. Und sie können es nicht lassen, daran wieder rumzubasteln. Unterlegt mit leichtem Hall, wird diese Melodie aufgegriffen und es entsteht ein fast schon brachiales Werk, natürlich unterbrochen von den 'normalen' Breaks und den kleinen kunstvollen 'Spielereien'. Das Akkordeon findet sich wieder ein, begleitet und übernommen von den Keyboards und manchmal frage ich mich: Ist das schon Emerson, Lake & Palmer oder noch The Nice?
Zum vorletzten Titel, der von zappaesker Textverarbeitung und zappaischer musikalischer Darbietung geprägt scheint und doch so viel eigene Ausstrahlung in sich birgt. Dem Ideenreichtum der Schweden scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein: Melodien, Breaks, Harmonien, Disharmonien und alles gekonnt. Sehr dynamisch und in weiten Sphären verschwindend. In Klangwelten oder -galaxien endet einer meiner Favoriten nach neun Minuten Spielzeit.
Und ebenso musikalisch genial erzählen Beardfish im letzten Stück auf der CD vom Stoff, aus dem die Träume sind. Hier dürfen noch mal alle zeigen, wie kompetent und vor allem einfallsreich jeder sein Instrument beherrscht. Stilsicher in jedem Genre. Ohne Scheu und voller Leidenschaft donnern und flüstern sie. Und noch mal die Frage: »ELP oder Nice?« Das macht Spaß und Freude zuzuhören! Wer so spielt, hat Erfolg verdient.

Ja, ich weiß, es gibt 10 Rocktimes-Uhren. Ich gebe deshalb elf!!
Line-up:
Magnus Östgren (drums)
David Zackrisson (guitars)
Robert Hansen (bass)
Rikard Sjöblom (vocals, keyboards)
Tracklist
01:Amble On
02:Such A Fool
03:Girl Of Seventeen
04:She Left Her Lover At Home
05:Working
06:Standing In The Rain
07:Mind Games
08:Lady Was A Thief
09:One Day To Paradise
10:Things To Come
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