Black Sabbath / Dehumanizer
Dehumanizer Spielzeit: 52:13
Medium: CD
Label: I.R.S. / EMI, 1992
Stil: Heavy Metal


Review vom 02.12.2007


Christoph Segebard
Groß war sie stets gewesen, die Euphorie. Zum ersten Mal im Jahre 1980, als ein Mann namens Ronnie James Dio, zuvor bei Rainbow entlassen, Tony Iommi so begeistert hatte, dass er Ozzy Osbourne feuerte. Von einer Renaissance sprach man dann, dem frischen Wind, der Black Sabbath dazu befähigte, zu den alten Fans noch viele neue hinzuzugewinnen. Auch heute noch sollten "Heaven And Hell" (1980) sowie "Mob Rules" (1981) in keinem Haushalt fehlen. …Dann jedoch bekam auch diese Reinkarnation der mehr als legendären Band Risse. Davon abgesehen, dass es noch nie leicht war, mit R.J. Dio zu arbeiten, brauchte es am Ende der 82er-Tour nur einen stets betrunkenen Tontechniker, der Tony Iommi und Geezer Butler einen Floh ins Ohr setzte, um das Ende zu besiegeln. Dio nahm es leicht - und Vinny Appice, ebenfalls in Ungnade gefallen, gleich mit. Dios "Holy Diver" sollte dann ein weiterer Klassiker werden.
Die Wege hatten sich getrennt, und sie fanden erst wieder auf Dios "Lock Up The Wolves"-Tour, anno 1991, zusammen. Ronnie erhielt unverhofft einen Anruf von Geezer, der ihm sagte, dass er ihn auf einer seiner Shows besuchen wollte. Ronnie sagte: »Nein - wenn du kommst, dann musst du auch spielen!«. Also nahm Geezer seinen Vigier-Bass und fuhr los. Das Konzert, auf dem Geezer den Bass für "Neon Knights" übernahm, ist heute in Bootlegger-Kreisen sehr begehrt. …Schließlich trank man den einen oder anderen Schluck und Dio sagte ja - er würde wieder zurückkommen. Die Vorstellungen der Beiden deckten sich denn auch in wichtigen Punkten, so zum Beispiel der thematischen Ausrichtung: Dio wollte sowieso endlich die Fantasy-Texte aufgeben, um sich ernsteren Dingen zu widmen, was Geezer Butler sehr zu Pass kam, der immer schon ein Freund des 'Man vs. Machine'-Themas war. Noch Jahre später wird dieses Konzept, das die Beiden ersannen, von Geezer als 'Durchbruch' bezeichnet.
Als Ronnie also dazukam, waren die Demos schon in vollem Gange. Einige Songs waren schon halbwegs fertig und landeten auch auf dem fertigen Album, andere nicht. Dank Cozy Powells umfangreicher Kollektion an Demotapes hat man heutzutage als Fan guten Einblick in die Entstehungsphase.
Stichwort Cozy Powell - hätte er sich nicht, während die Demos in vollem Gang waren, schwer verletzt, hätten wir ihn heute als Schlagzeuger auf "Dehumanizer". Stattdessen war -schwupps- das "Mob Rules"-Line-Up wieder komplett, als Vinny Appice zurück ins Boot geholt wurde. …Viele mögen dies für schade halten, was es auch ist, aber es hatte auch Vorteile, schließlich Vinny statt Cozy, er Ruhe in Frieden, zu hören - ein Vinny Appice hat nämlich die Fähigkeit, sein Spiel sowie seinen Sound perfekt auf die Atmosphäre eines Albums einzustellen und sie so noch zu bekräftigen. …Wer's nicht glaubt: Man höre sich das Schlagzeug auf Dios Angry Machines und auf "Dehumanizer" an. Viele halten die Drums auf diesem Album, das schließlich 1992 auf den Markt kam, für den Schwachpunkt, aber aus den genannten Gründen sehe ich sie als das genaue Gegenteil, nämlich als die perfekte Ergänzung.
Das Album beginnt mit einem unheilvollen Intro, das einen sofort in die elektronische Hölle hinabzieht und damit die Marschroute für das ganze Album vorgibt. Der Rest ist Geschichte: Vinny legt los, und die Band bricht mit "Computer God" über den Hörer herein. Ein Song, dessen Titel schon von der Geezer Butler Band für einen komplett anderen Song aus dem Jahr 1985 benutzt wurde. Dio, gewohnt kraftvoll, singt die ersten Zeilen, die von fast hektischem Stop-and-go-Treiben der Band begleitet wird. Dieser Opener ist einer der stärksten Songs auf "Dehumanizer" und macht deutlich, warum dieses Album das härteste in der Black Sabbath-Historie ist. Abgesehen vom Material lässt einen auch der Sound dahinschmelzen. Tony, auf den vorherigen Alben soundmäßig eher dünn präsentiert, hat einen Biss, dass man Angst bekommen kann, und auch der Bass-Teppich grummelt richtig wütend mit. Geezer-tastisch eben. Als Zweites hören wir "After All (The Dead)", das in diesem Jahr auf der Heaven & Hell-Tournee als unerwarteter Opener in die Setlist zurückkehren sollte, denn es ist mehr als doomig, mehr als bleischwer - und auf diesem Album mehr als geeignet, um die Stimmung zu etablieren. Wer die Bedeutung der wütend vorgetragenen Textzeile »Yes, there's a chance of returning: Turn to me!« versteht, der hat die Aussage des Albums erfasst.
Nach dem fälligen schnellen Track, "TV Crimes", folgt ein neues Doom-Brett: "Letters From Earth". Wer doll genug sucht, kann vielleicht auch die alternative Version dieses Songs finden. "Master Of Insanity" schließt sich an, ein Song, der bis hin zum Text komplett aus der Feder von Geezer Butler stammt, was man nicht nur am Bass-Intro wahrnimmt. Auch dieser Song wurde, diesmal aber - bis auf den Gesang - genauso wie er auf dem Album vorliegt, schon einmal von der Geezer Butler Band aufgenommen. Er fügt sich allerdings nahtlos ein. …Bei "Time Machine" wird die Schlagzahl wieder erhöht, was wohl auch die Macher vom Film "Wayne's World 2" spitze Ohren hatte machen lassen, denn sie nahmen eine eigens eingespielte Version zum Soundtrack. Diese Version kann heutzutage als Bonus Track auf dem Album gefunden werden.
"Sins Of The Father", "Too Late" und "I" sind dann allesamt absolute Highlights. Variabel in Lautstärke und Geschwindigkeit, mit einer unglaublichen Energie gespielt und schwerer als ein Elefantenarsch. …Als Rausschmeißer kommt dann noch "Buried Alive", ein sogar noch düstererer und schwererer Song, an dem sich die Geister ein wenig scheiden. Er ist jedoch ein konsequenter und sehr guter Weg, dieses Album abzuschließen und lässt einen mit dem Gefühl zurück, dass das Ganze keineswegs ein Witz war.
"Dehumanizer"! Ein Album, das von Dingen erzählt, die sein werden, und Dingen, die schon sind. Ein Album, nicht ohne Kritiker: Dio singt zu growlend, das Schlagzeug wäre langweilig, die Texte und das Albumcover wären kitschig. …Wer sowas aber behauptet, der hat dieses Album nicht verstanden, das für sich auch heute noch perfekt ist und seiner Zeit weit voraus war. Auch wenn dieser zweite Versuch der Band wieder nicht von langer Dauer war, so blieb doch immer das Gefühl, dass man zusammen einfach Großartiges schaffen kann. Deshalb kam es in diesem Jahr auch endlich zur zweiten Reunion - diesmal ohne Druck, ohne Ärger, ohne Querelen, was auch dieses Album wiederbelebt hat und wodurch es auch in noch besserem Licht erscheint. …Einfach ein Klassiker! Mit Vinnys Worten: »Hope you'll enjoy the album - play it loud!«
Line-up:
Tony Iommi (guitars)
Ronnie James Dio (vocals)
Geezer Butler (bass)
Vinny Appice (drums)
Tracklist
01:Computer God
02:After All (The Dead)
03:TV Crimes
04:Letters From Earth
05:Master Of Insanity
06:Time Machine
07:Sins Of The Father
08:Too Late
09:I
10:Buried Alive
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