Blast Unicorn / Van Halo
Van Halo Spielzeit: 35:32
Medium: CD
Label: Iapetus Media, 2015
Stil: Electronica/Experimental

Review vom 25.07.2015


Boris Theobald
Ein Gitarrist und ein Elektroniker machen zusammen Musik. Aus Sicht des Rockliebhabers wäre das vielleicht vergleichbar damit, wenn der Florist botanisches Grünzeug mit glitzerbunten Fantasieblumen aus Kunststoff mischt, oder wenn der Koch sein Geschmacksexperiment aus der Molekularküche mit deftig gedünsteten Zwiebeln der Marke Hausmacher garniert. Man weiß vorher nicht so recht, ob es zusammenpasst; aber Probieren geht über Lamentieren.
Im vorliegenden musikalischen Fall sollten wir es aber tunlichst vermeiden, den Rock-Tunnelblick anzuwenden; mit sämtlichen Subgenres hat Blast Unicorn wenig zu tun. Es handelt sich um den Zusammenschluss von Tobias Reber, der für allerhand Elektronika verantwortlich zeichnet, und Alexander Paul Dowerk, (vor allem) Gitarrist. Der hatte schon Spuren unter anderem als Gast bei Adrian Benavides hinterlassen, aber auch mit seinem Album Form unter der Marke ZweiTon ein starkes Instrumental Prog-Werk hinterlassen.
Davon sollten aber keinerlei Erwartungshaltungen ausgehen, denn Blast Unicorn hat einen wesentlich experimentelleren Charakter, klingt offensiv und avantgardistisch. Auch dank seiner überwiegend hohen, manchmal etwas nervenaufreibenden 'Lautheit' ist "Van Halo" nichts zum sich Zurücklehnen und genießen, sondern zum Analysieren - man muss sich als weltoffener Musikfreund einfach mal stören und verstören lassen.
Selbst ein Stück namens "Just Chillin'" klingt alles andere als gechillt. Gitarre und Synthesizer arbeiten mit- und gegeneinander. In unruhig-komplexer und sehr anspruchsvoller Rhythmik wird 'retro-futuristisch' gefrickelt - so nennen wir das einfach mal, wenn es klingt, als würden in einem alten Atari-Videospiel kleine Pixelgeister von hungrigen, Joystick-gesteuerten Mönsterchen gefressen.
Ruhepunkte bieten sich dennoch auf dem Album. Da wären zum einen die kurzen Zwischenspiele mit so schönen Titeln wie "Gedankenstrich", "Waterclimber", "Music Face" oder auch "Hack In The City", die eher aufs Atmosphärische setzen und im Kopf Bilder erzeugen von - sagen wir mal - streikenden Computern unter kreisenden Ventilatorblättern, Geigerzähler im Testbetrieb oder rauschenden Weltraum-Navigationsapparaturen auf Deep-Space-Missionen.
Zum anderen wäre da auch die interessante Nummer "Blast Unicorn: Final Exam". Der Track startet gemächlich und mit viel Bedacht auf jeden Ton. Aus vielen Einzelteilen soll etwas Größeres entstehen und die Einzelteile allein funktionieren nicht; man möchte sogar an Bach-Fugen als Inspiration denken. Nach einiger Zeit tritt aber das auf, was bei zu vielen Stücken des Albums arg stören kann, denn mit der nächsten energetischen Entwicklungsstufe kommt die elektronische Percussion hinzu. Das programmierte Schlagwerk drängt sich zu sehr in den Vordergrund, bis hin zu ein wenig Ohrenstress. Schade, dass für Blast Unicorn kein Schlagzeug verwendet wurde ...
Ein weiteres Manko ist, dass die Gitarre gegenüber der Elektronik oft so weit in den Hintergrund rückt - oder ist bloß so schwer auszumachen, was Gitarre und was Synthesizer ist? Mit "Nonnenfinsternis" zählt passenderweise auch ein Stück zu den interessantesten, bei dem Alexander Dowerks Gitarre verstärkt im Vordergrund steht und gemeinsam mit Tobias Rebers Elektronik parallele Strukturen vertrackt serviert - eine abstrakte Melodie, avantgardistisch in einen Rhythmus gehämmert und mit einem surrealen Hintergrundfunkeln garniert. Abgefahren ...
Weitere Anspieltipps sind "König Kaiser Kingdom Castle" und "Bobtail Builder", wo - beinahe im Stile des King Of Agogik - Slapstick-Elemente mit im Klangbottich vermengt werden. Das klingt schräg und beschwipst - alles auf einem Niveau, das höllisches Üben voraussetzen würde, um das komponierte live zusammen aufzuführen. Am meisten fremdfantastisches Hirnkino löst aber "Schattenspender" aus. Das könnte ein Akt aus der berühmten klingonischen Oper "Aktuh & Melota" sein! Fragezeichen? "Star Trek - The Next Generation, Season 5, Unification"!
Wenn wir die abschließende Happy-Glühwürmchen-Party (sorry) "Godshaped Ice Cream" mal unter den Teppich kehren, haben wir mit "Van Halo" ein experimentierfreudiges Album von Musikern für Musiker vorliegen. Anstrengend, aber nicht uninteressant zu hören - unterm Strich eine nahezu 'wertungsfreie' Kombination aus Reinhörempfehlung und Blindkaufwarnung.
Line-up:
Alexander Paul Dowerk (touch guitars U8 deluxe, acoustic guitar, clavinova, additional programming & synths, mouth - #17)
Tobias Reber (synths, drum programming, samples, electronics, voice - #10)
Tracklist
01:Van Halo (0:56)
02:Just Chillin' (2:56)
03:Abteil (2:05)
04:Gedankenstrich (0:30)
05:Blast Unicorn: Final Exam (4:02)
06:Waterclimber (0:46)
07:Ghostmodern (2:55)
08:König Kaiser Kingdom Castle (3:01)
09:Music Face (0:40)
10:Ausgeburt Of Love (2:15)
11:Nonnenfinsternis (3:26)
12:Hack In The City (0:36)
13:Bobtail Builder (2:56)
14:Überhaupt (1:41)
15:Hitfall (0:48)
16:Schattenspender (2:41)
17:King Crumbles (1:17)
18:Godshaped Ice Cream (2:12)
Externe Links: