Erneute Lobeshymnen über das rührige deutsche Blues-Label Ruf Records anzustimmen, hieße die berühmten Eulen - wenn man lauffaul ist - nach Athen fliegen zu lassen. Ich setze diese verdienstvolle Arbeit als bekannt voraus - Punkt, oder besser Ausrufezeichen! Auch in diesem Jahr zieht bzw. zog die Blues Caravan durch deutschsprachige Lande und wer diesmal nicht aufsprang, dem war nicht mehr zu helfen. Gleich drei Neuzugänge von Thomas Ruf, Meena, Shakura S'Aida und Coco Montoya, allesamt zeitgleich mit neuen Alben in das neue Jahrzehnt gestartet, wurden in diesem Januar und Februar präsentiert. Während die beiden Erstgenannten mit ihren Rundlingen im Mini-LP-Format zu glänzen wussten, ließ Montoya mit I Want It All Back bei mir ein paar Wünsche offen. Das war aber ganz bestimmt kein Grund, mich nicht auf den sympathischen Ami zu freuen.
Am 05. Februar machte die Karawane im 'Sang a Klang', in der pittoresken Luxembourger Altstadt tief in der Schlucht des Flüsschens Alzette unter den berühmten Kasematten 'Letzebuergs' gelegen, Halt. Der kleine Blues-Club mit dem großen Programm liegt etwas versteckt und die Parkplatzsituation ist grauenerregend. Wer dort anreisen möchte, sollte besser sein Navi nicht vergessen und einen längeren Fußmarsch einplanen. Die Räumlichkeiten sind zwar schmucklos, aber nicht ohne den Charme uralter Häuser.
Da die Letzebuerger blueskundige Fachleute sind, kann die Stimmung in diesem intimen Schuppen schon einmal gerne überschwappen... und genau das geschah bei der diesjährigen Blues Caravan spätestens nachdem Meenas Gitarristin Donna Grantis den Abend mit einem Instrumental furios eröffnet hatte.
Drei Solo-Künstler - eine Band: Roger Inniss (Bass), Jonny Dyke (Keys) und Denis Palatin (Drums) spielten allesamt für die drei Hauptdarsteller und das 'very, very tight' und bärenstark! Das ermöglichte einen nahtlosen Übergang zwischen Meena und Shakura S'Aida. Bevor Coco Montoya die winzige Bühne enterte, gönnte man allerdings Band wie Publikum eine verdiente Verschnaufpause.
Die blutjunge Gitarristin Donna Grantis eröffnete - wie gesagt - für Meena, die dann zum knallhart interpretierten "Send Me A Doctor" hinzukam. Keine Zeit zum Luftholen: "Love Won't Fall Apart" wurde gleich hinterher gerockt. Neben Donna Grantis' grandiosen Gitarrenkünsten (Mein Gott, das Mädchen ist noch so jung - wie spielt die erst in zehn Jahren?!?) wäre die Keyboardarbeit von Jonny Dyke, der zu diesem Song ein irres Pianosolo in Jerry Lee Lewis-Manier ablieferte, hervorzuheben.
Die stille Piano-Ballade "This Song Is For You" wurde bis zu einem furiosen Finale ständig gesteigert. Zweimal Slow-Blues folgte, wobei vor allem die Etta James-Nummer "I'd Rather Be Blind" zu begeistern wusste. Viel Funk und Soul packte Meena, die insgesamt einen eher schüchternen Eindruck machte, in "I'm Leaving You", bevor sich die Österreicherin eine National Steel Guitar umschnallte, um sich zum abschließenden "I Shoot You Down" wilde Silde-Duelle mit Donna Grantis zu liefern. Nach ziemlich genau 45 Minuten stimmte die Band "Mr. Right" an und Shakura S'Aida übernahm nahtlos.
Man merkte der kanadischen Wahl-Schweizerin ihr schauspielerisches Talent durchaus an: Die Performance zu "Mr. Right" wusste durchaus pantomimische Glanzpunkte zu setzen. Insgesamt kam nun deutlich mehr Soul, Funk und R&B ins Sang a Klang und das Publikum fing Feuer: Diese dralle, kaffeebraune Schönheit - in ein kleines schwarzes Nichts aus Leder gepresst - brachte den Saal zum Kochen. Wem jetzt nicht der Körper rhythmisch zu zucken begann, war wohl taub. Nach einer 'kochend-brodelnden' Version von "Sweet Spot", mit wilden Gitarren- und Hammond-Attacken gespickt, gab es kein Halten mehr. Im Gegensatz zu der etwas spröden Meena war die Interaktion zwischen Shakura S'Aida und den Bluesfans von Anfang an knisternd.
Die Ballade "Angels On High", gemeinsam mit Donna Grantis geschrieben, nutzte die Lady, um erstmals das Publikum zum Mitsingen zu animieren. Gut, es war zunächst noch ziemlich dünn, was da aus mit belgischem Bier geölten Kehlen klang - beim abschließenden "Brown Sugar" gelang das schon wesentlich besser. Dazwischen lagen noch der schwüle R&B-Feger "Walk Out That Door" und mein persönlicher Lieblingssong des Abends, der schwerblütige Blues-Rocker "Outskirts Of Memphis". Nach ebenfalls 45 Minuten war es erstmal höchste Zeit zum Abkühlen... und den Nikotin- und Alkoholpegel aufzufüllen.
Wann war eigentlich Coco Montoya zum letzten Mal hier im Süd-Westen? Es muss Anfang der 2000er Jahre gewesen sein, als ich ihn letztmals beim Luxembourger Blues Festival sah. Der mittlerweile 'wohlgeformte' Gitarrist, dem das französisch angehauchte Catering dieses Abends offensichtlich bestens gemundet hatte, war sichtlich gerührt über die Ovationen des Publikums und versprach, die Letzebuerger nicht mehr so lange warten zu lassen.
Der Reiz von Montoyas Show lag eindeutig in den zahlreichen Gastauftritten von Meena, Shakura S'Aida und Donna Grantis und vor allem bei den Songs, die nicht aus seinem 'durchwachsenen' neuen Album, "I Want It All Back", stammten. Wie bspw. der mörderische Slow-Blues "Have You Heard", von seinem Ex-Chef John Mayall, bei dem er als Bluesbreaker 'in die Lehre' gehen durfte, komponiert. Nein, es war auch diese bescheidene Selbstverständlichkeit mit der Montoya die Bühne mit seinen Vorgängerinnen teilte, die wohl wahre Größe auszeichnet.
"Hey Senorita", im Duett mit Meena gesungen, vergesse ich geflissentlich und gehe stattdessen lieber auf eine der stärkeren Nummern der neuen Scheibe, "Don't Go Making Plans", ein. Gemeinsam mit Little Feats Paul Barrere geschrieben, brachte dieser Song all die glühende Hitze und vertrackten Rhythmen Feats in unnachahmlicher Weise. Des Linkshänders Spielweise, die seine Strat 'singen' lässt, kam hier bestens zur Geltung. Die 'Abkühlung' folgte allerdings sogleich mit dem eingängigen "I Want It All Back", erneut mit Meena als Co-Sängerin.
Highlight des Abends (wie des aktuellen Albums) war Buster Browns 1959er Klassiker "Fannie Mae", zu dem sich Donna Grantis wildeste Duelle mit dem Meister lieferte. Die beiden anderen Damen kamen gleich danach hinzu, um Etta James' "I Just Wanna Make Love To You", das man auch von Tina Turner kennt, zu interpretieren. Das gesangliche Feuerwerk mag sich der Leser bitte vorstellen - dem Schreiber fehlen hierzu schlichtweg die Worte ... ein einsilbiges 'Wahnsinn' muss da leider ausreichen! Ein wild-wüster Rock'n'Roll mit einem unglaublichen Pianosolo im Stil Jerry Lee Lewis' folgte und auch Montoya hielt sich an den 45 Minuten Zeitrahmen - keinerlei Headliner-Allüren also.
Zwei vom ausverkauften Haus frenetisch geforderte Zugaben gab es noch in voller Blues Caravan-Besetzung. Zunächst eine orgiastische Version von Luther Allisons "Just As I Am", das auf Meenas Try Me zu finden ist und nach weiteren Zugabeforderungen schließlich Al Greens "Take Me To The River". Hier zog Shakura S'Aida noch einmal alle Register ihrer unglaublichen Alt-Stimme. Neben Montoya und Grantis erhielten hier auch die den ganzen Abend über sehr 'mannschaftsdienlich' spielenden Roger Inniss (Bass) und Denis Palatin (Drums) ihren verdienten Auslauf.
Fazit: Wieder einmal geht ein dickes Lob und Dankeschön an Ruf Records für eine erneut sensationelle Blues Caravan. Leider machten in diesem Jahr die winterlichen Kapriolen so manchem Bluesfreund einen Strich durch den persönlichen Terminkalender. So auch meinem bedauernswerten Kollegen Jürgen, der seinen Besuch in der Isernhagener Blues Garage knicken musste. Aber, wie Konfuzius so schön sagt: »Nach dem Spiel ist vor dem Spiel« - auch 2011 wird es sicherlich eine glänzend besetzte Blues Caravan geben.
Line-up:
Coco Montoya (vocals, guitar)
Meena (vocals, National steel guitar)
Shakura S'Aida (vocals)
Donna Grantis (guitar, background vocals)
Jonny Dyke (keyboards)
Roger Innis (bass, background vocals)
Denis Palatin (drums)
Externer Link:
|