Bluescaravan 2011 - Girls With Guitars
12.02.2011, Quasimodo, Berlin
Quasimodo
Bluescaravan 2011 - Girls With Guitars
Quasimodo, Berlin
12. Februar 2011
Stil: Blues, Blues Rock


Artikel vom 20.02.2011


Mike Kempf
BluescaravanWenn Blues-Rock-Label-Ikone Thomas Ruf seine alljährliche Caravan auf Tour schickt, dann spielt diese garantiert vorher im Wohnzimmer meines Harzer RockTimes-Kollegen Jürgen, der Bluesgarage, um anschließend im Berliner Kult-Club, dem Quasimodo, aufzutreten. Da ich mit Jürgen fast immer konform mit seinem Musikgeschmack liege, ist es für mich nicht so leicht, das Erlebte nicht im 1:1-Format wiederspiegeln zu lassen. Apropos Jürgen: Klasse dass sein Namensvetter und Inhaber von Horch und Guck, dem Berlin Hi-Fi Outlet, sich uns anschließt, um erstmalig den Berliner Jazz- und Bluestempel zu besuchen. So ist es auch für uns eine Premiere mit solch einem Hör-Experten ein Konzert zu genießen, der sich wegen seiner Blindheit ausschließlich auf seine Gehörsnerven verlassen muss.
BluescaravanZwar weiß ich in welcher Besetzung Mister Ruf seine Caravan ins Rennen schickt, nämlich mit den Gitarristinnen Dani Wilde und Samantha Fish, sowie der Bassistin Cassie Taylor und dem einzigen männlichen Begleiter an den Drums, Denis Palatin, der schon die 2009er Blues-Caravan begleitete. Doch was ich rein musikalisch zu erwarten habe, das war mir noch nicht ganz klar. Eins kristallisiert sich schnell heraus: Die drei Ladys wechseln sich beim Vortragen der Texte regelmäßig ab und beweisen, dass sie allesamt gut singen können, auch wenn ich Wildes Kehlkopf noch leicht favorisiere.
BluescaravanDafür nutzt sie sehr selten das komplette Griffbrett, sondern verkürzt den Gitarrenhals bis zur Hälfte mit einem Kapodaster und die flinken Finger ihrer linken Hand halten sich fast nur im unteren Bereich der Saiten auf. Musikexperte und Freund Jimmy, der selbst hervorragend Gitarre spielt, klärte mich auf: »Um es mit kurzen Worten zu erklären, damit soll eine andere Tonlage erzeugt werden«. Dass sie natürlich gut klampfen kann steht außer Frage! Die blonde Miss Fish ist anhand ihres orangenen Minikleids nicht nur eine Augenweide, sondern trägt ebenfalls ansprechende Soli bei und am besten gefällt sie mir, wenn sie sich mit Dani duelliert und sich die beiden die Noten gegenseitig zuspielen.
BluescaravanDoch mein persönlicher Favorit hat sich links außen platziert. Wow! Cassie Taylor überragt ihre musikalischen Mitstreiter nicht nur vom biologischen Naturgesetz, sie erscheint mir, auch bedingt durch ihre Afro-Look-Mähne, einfach riesig! Am meisten fasziniert mich aber ihr Spiel an einem traditionellen Viersaiter, der den Caravan im Verbund mit rhythmischen Schlagzeug unermüdlich antreibt. Auch sonst vermittelt sie mir das Gefühl, dass sie so eine Art Band-Chefin ist. Ob das intern wirklich so ist, weiß ich natürlich nicht, aber Cassie spielt einen ganz starken Tieftöner!
BluescaravanNach einer Stunde, als die Stimmung des fast ausverkauften Hauses richtig gut ist, gönnt sich das Quartett ein Päuschen von gut vierzig Minuten! Bei aller Liebe zum Blues, das ist dann doch zu lang, lässt meinen Adrenalinspiegel gegen null sacken und es benötigt schon ein Weilchen, bis dieser versucht sich auf das vorherige Level zu manövrieren. Während Wilde die zweite Setliste mit einem Solo-Akustikteil eröffnet, wobei ihre tollen Stimmbänder sehr gut zum Tragen kommen, halte ich mich nun mehr beim Hi-Fi-Experten Jürgen und Conny auf, die den Nichtsehenden bisher bestens betreut hat! Ich habe schon einige Blues Caravans hautnah miterlebt und ich rätsle, was mir an diesem Abend fehlt? Nachdem der Gig soweit beendet ist, der von den Fans mit enthusiastischen Beifallskundgebungen verabschiedet wird, weiß ich, was ich vermisst habe. Zum Beispiel die Dynamik einer Joanne Shaw Taylor, die mir zwar von Cassie Taylor geboten wird, nicht aber so sehr von den Gitarristinnen.
BluescaravanInsgesamt wirkt das diesjährige Ensemble für meinen Geschmack etwas zu soft. Die Stromgitarrenfrauen sind nicht von schlechten Eltern, kommen aber an die Klasse der Extravaganten, wie z. B. Philip Sayce oder Aynsley Lister, der 2008 mit Ian Parker und Erja Lyytinen die Caravan begleitete, nicht heran. Noch nicht! Denn die Damen sind noch recht jung und ihre Entwicklung ist sicherlich noch nicht abgeschlossen.
Dass sie ihre Zugaben mit "Highway To Hell" eröffnen, haut mich fast vom Hocker! Respekt meine Damen! Das, was ich mir schon seit längerem wünsche, nämlich einen AC/DC-Song gecovert zu bekommen, wird mir prompt und völlig unerwartet von der Combo geboten!
BluescaravanBei allen Kritikpunkten, die ich eben erwähnte, muss ich trotzdem (gern) zugeben, dass Thomas Ruf ein tolles Gespür für die Zusammenstellung seiner Caravans besitzt. Ein fast ausverkaufter Club mit meist zufriedenen Fans, was will man mehr? Im Übrigen war auch ich letztlich zufrieden und bin nur mit anderen Voraussetzungen an die Sache herangegangen. Ich mag es eben gern eine Spur rockiger. Wen wundert's wenn man weiß, dass ich ein großer AC/DC-Verehrer bin?

Line-up:
Dani Wilde (guitar, vocals)
Samantha Fish (guitar, vocals)
Cassie Taylor (bass, vocals)
Denis Palatin (drums)
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