Bolus / Watch Your Step
Watch Your Step Spielzeit: 45:59
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2012 (2005)
Stil: Rock

Review vom 10.06.2012


Boris Theobald
Wir zählen heute rückwärts! Nach Nummer zwei kommt Nummer eins. "Watch Your Step" ist das Debütalbum der kanadischen Progger Bolus - eigentlich von 2005, aber neu eingespielt! Ihr zweites Album Delayed Reaction fand seinen Weg ja viel eher über den großen Teich und war ganz, ganz großes Kino. Eben hab ich es mir nochmal angehört - die kompletten 70 Minuten - nur um sicher zu gehen, dass ich da in meiner eigenen Erinnerung nichts verkläre. Nee, es ist immer noch so gut. Bolus machen einen überragenden Job - mittlerweile arbeiten sie an Studioalbum Nummer drei. Und weil arbeiten halt auch anstrengend ist, brauchen Bolus zwischendurch auch mal ein wenig Zerstreuung.
Um die krummen Takte aus dem Hirn zu schütteln, covern sie in den heimischen Proberäumen mitunter Evergreens und Pop-Songs. Gordon Lightfoot ("Sundown") oder Tears For Fears ("Mad World") waren schon unter ihren 'Opfern'. Und zuletzt traf es den Außerirdischen-Song "ET", im Original von Katy Perry und Kanye West (um Himmels Willen) sowie "Princess Of China" von Coldplay (schon besser!) zusammen mit Rihanna (aaargh!). All die Stücke kann man sich auf der Homepage der Band (zumindest) anhören, wenn nicht gar als Video ansehen - und es lohnt sich! Die hatten einen Mörderspaß - und der ist ansteckend. Bitte angucken!
Die vorliegende Version von "Watch Your Step" ist wohl auch das Ergebnis von Spaß an dem, was den Herren Nick Karch und Mat Keselman nun mal Spaß macht, und das ist Musik, immer und immer wieder. Während der Aufnahmesessions zu "Delayed Reaction" haben sie die Stücke vom Debütalbum noch einmal aufs Neue eingespielt, um das Ergebnis von einst zu verbessern, also sich selbst zu überbieten. Jetzt ist das Ganze für jedermann zu haben, während die Vertriebswege der Urversion des Bolus-Debüts doch eher limitiert waren. Der Eindruck des Erstlings: Stark, aber bis zu "Delayed Reaction" haben die beiden sich gehörig weiterentwickelt.
Die Stücke auf "Watch Your Step" klingen spätestens mit dieser Neuaufnahme zwar genau so kraftvoll und brillant wie die des Nachfolgers, aber stilistisch nicht so ausgereift und vielfältig. Hier zuzuhören ist trotzdem eine Wonne - nicht nur wegen des technischen Könnens der beiden, sondern auch wegen der jugendlich forschen Frische, die hier noch ein wenig stärker durchkommt. In diesen wieselflinken, durchgeproggten Supergroove-Drives steckt so viel Energie, dass die Funken fliegen. Nur nicht da, wo die hundert kleinen Breaks, Rhythmuswechsel und Tempoverschärfungen stattfinden - denn die funktionieren wie geölt, da hakt nichts.
Bolus als Zweier-Kanadier frönen stilistisch schon sehr oft der 'progressiven Dreifaltigkeit'. In Sachen Sound, Groove und Komplexität auf engstem Raum wären sie ohne ihre Rush-Einflüsse nicht das, was sie sind. Besonders beim ungestümen "Day Of Discovery" und den ziemlich vetrackten "Vow" (gänzlich uneingängig mit weit gespannten Spannungsbögen) und "In Conclusion..." vermag ich den spielfreudigen Esprit des Dreiers zu erkennen. Aber raushören kann man die Spuren eigentlich immer! Brit-Prog aber hier und da auch, theatralische 80er-Jahre-Genesis in "Day Of Discovery" zum Beispiel. Und viel Progressive Metal. Und Singer/Songwriter-Kunst ("Blockout", "Never Wish Again").
Aber du kannst die Einflüsse aufspüren und jagen - sie laufen dir doch ganz plötzlich wieder weg. Denn linear und monoton und einfach gestrickt, das ist nicht ihr Ding. Naja vielleicht bei "Shadow Stalker", aber das ist ohnehin eher eine Spaß-Nummer, das ist Prog-Party. Bestens verdaulich sind sie aber nicht nur hier. Denn egal, ob es nun verkniffelte Präzisionsattacken sind, funkige Fusion-Ausflüge ("Faced") oder schwermetallische Frickeleinlagen - es kann nicht lange dauern, bis im Bolus'schen 'Atmo-Jam' die lebendigen und mutigen Gesangsmelodien sich wieder ihre Schneisen ins Klangdickicht schneiden. Und die Stimmen der beiden sind einfach klasse.
Auf "Watch Your Step" erinnern mich Bolus ein wenig an Tiles. Die klangen und klingen auch immer wieder sehr rushig, haben die Inspiration genommen und damit rumgespielt wie mit lose gewordenen Mosaiksteinchen. Ein Must-have ist die restaurierte Premierenveranstaltung von Bolus aber nur für jene, die die Band ohnehin schon heiß und innig lieben und sich die Wartezeit bis zum dritten Album verkürzen lassen möchten. Alle anderen verlieben sich bitte erst einmal mit "Delayed Reaction"!
Line-up:
Nick Karch (vocals, guitars, bass, keyboards)
Mat Keselman (drums, percussion, vocals, samples)
Tracklist
01:Day Of Discovery (4:44)
02:Blockout (5:45)
03:Shadow Stalker (3:00)
04:Vow (7:00)
05:Going Up (0:55)
06:Faced (3:16)
07:Magistrate (6:18)
08:Never Wish Again (5:32)
09:In Conclusion... (9:26)
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