Brainticket / Past Present & Future
Past Present & Future Spielzeit: 75:52
Medium: CD
Label: Purple Pyramid/Cleopatra Records, 2015
Stil: Psychedelic, Progressive, Krautrock

Review vom 27.03.2015


Ulli Heiser
Unglaublich. Vandroogenbroeck muss das gleiche Zeug rauchen wie vor fast 45 Jahren.
Damals stand 1971 auf den Kalendern, als der Belgier mit seiner Mischung aus Kraut, Psychedelic, Space, Elektronik und leichtem Jazz mit Cottonwoodhill das Tor zu geheimen Regionen des menschlichen Gehirns öffnete. Die beiden Folgealben Psychonaut & Celestial Ocean schlossen gemäßigter daran an und dann war erst mal Ruhe mit Brainticket. Es folgten zwei Alben in den Achtzigern und 2000 "Alchemic Universe". Nach nun fast fünfzehn Jahren Pause gibt es mit "Past Present & Future" endlich wieder eine Scheibe der Band.
Wobei sich das Wort Band allerdings auf Joël Vandroogenbroeck beschränkt, denn nun ist auch Carole Muriel nicht mehr im Line-up. Aber keine Bange, auch auf "Past Present & Future" gibt es mit Kyrsten Bean wieder diese hypnotische Narrator-Stimme, die Joëls Kompositionen diesen unverwechselbaren Touch gibt. Bryce Shelton, Kephera Moon, Jason Willer sowie Nick Garratt sind bekannt von den kalifornischen(!) Krautrockern Hedersleben, ja eigentlich ist es sogar die komplette Band.
Dass Vandroogenbroeck gerne auf 'neue' Musiker setzt mag verwundern, denn Brainticket ist auf allen Scheiben als Brainticket zu erkennen. Das zeigt, dass er eindeutig das Brain ist. Und der Mann ist 77 Jahre alt, da kann es auch durchaus sein, dass die Begleiter früherer Tage die jetzigen anders verbringen.
Da Nomen oft Omen sind, ist auch der Plattentitel nicht schlecht gewählt. Die beiden Tracks "Dancing On A Volcano" und da besonders der Zwanzigminüter "Part 2" sind eindeutig past as past can be. Es werden eindeutig Sequenzen aus "Cottonwoodhill" ("Brainticket, Pt. 1") herangezogen und in das Jetzt übertragen. Dieser quirlige, die Gehirnsynapsen durcheinander wirbelnde Drive ist auch heute einfach nur genial.
Auch die bekannte Flöte und die Sitar, Vandroogenbroeck Markenzeichen, sind auf "Past Present & Future" vorhanden. Wie durch ein Wurmloch werden verschiedene musikalische Galaxien erreicht - indisch meditative ("Reality Of Dreams") oder doomige, mit einer floydigen Quintessenz ("Proto Alchemy"). Spacig geht es zu und in "East Moon" leitet ein Piano gekonnt über in eine fast orchestrale Fusion aus Prog und Jazz, um schließlich klimpernd in eine Art Ewigkeit abzudriften.
Großes ägyptisches Kino hält "Egyptian Gods Of The Sky" bereit. Äußerst stimmungsvoll kann man die Pyramiden im Sonnenuntergang vor dem geistigen Auge sehen. Geheimnisvoll erzählt die Stimme Geheimnisvolles aus dem Orient. Aber es gibt auch (wieder) eine Bluesnummer auf dem Album. Jedoch sollte man von Brainticket keinen Zwölftakter wie vor biersabbernden Bluesjüngern im Club erwarten. Die üblichen Zutaten der Band sind allesamt vorhanden: dezenter Synthie, Flöte und natürlich Frau Narrator. Und es ist mehr als logisch, dass sie des Öfteren »what have we done?« stoisch ins Mikro haucht. Als wolle sie uns sagen, dass Blues eigentlich nicht das ureigene Metier der Band ist. Aber, das Stück heißt "Brainticket Blues" und es fügt sich perfekt und harmonisch in Vandroogenbroecks Kosmos ein.
Auch 2015 steht Brainticket den älteren Sachen aus den Siebzigern in nichts nach. Das schwere Orgelrollen, die sparsamen und immer dienlich verwendeten Weltraumsynties, die meditative Flöte und die erzählende Stimme...
Joël Vandroogenbroeck hat gut daran getan, seiner Sache treu zu bleiben. Diese Symbiose aus Psychedelic, Prog und Kraut ist einfach an nichts gebunden. Vielleicht an die Fantasie aber sicher nicht an die Zeit. Die Reise durch Raum und Dimensionen nimmt auf Zeit keine Rücksicht. Und so kann "Past Present & Future" durchaus neben dem Siebzigertriple bestehen. Möge die Zeit auch für Vandroogenbroeck keine Rolle spielen. Trotz des für einen Rockmusiker doch hohen Alters, bin ich immer auf Neues aus seiner Feder gespannt. Er sollte sich für ein Folgealbum vielleicht nicht nochmal 15 Jahre Zeit lassen.
Line-up:
Joël Vandroogenbroeck (organ, piano, synthesizers, sitar, flute)
Bryce Shelton (bass & 8-string bass)
Jason Willer (drums & percussion)
Nick Garratt (acoustic & electric guitars)
Kyrsten Bean (vocals, electric guitar)
Kephera Moon (vocals, keyboards)
Tracklist
01:Dancing On The Volcano Part 1
02:Dancing On The Volcano Part 2
03:Reality Of Dreams
04:Proto Alchemy
05:Riding The Comet
06:East Moon
07:Singularity
08:Egyptian Gods Of The Sky
09:Brainticket Blues
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