Werfen wir noch einmal einen Blick nach Bulgarien oder nach Finnland. Hä?? Ach, was weiß denn ich, wo Mr. Nikolo Kotzev derzeit seine Zelte aufgeschlagen hat. Dieser Herr und Mastermind der Formation Brazen Abbot stammt jedenfalls gebürtig aus dem östlichen Teil von Europa und das weibliche Geschlecht hat ihn nach Finnland verschlagen. Das war auf jeden Fall Stand der Dinge, als er vor knapp 2 Jahren das letzte Brazen Abbot-Album My Resurrection auf den Markt geworfen hatte. Zufällig sind uns noch mal die drei Beginners dieser außergewöhnlichen Band in die Hände gefallen. Und Brazen Abbot sind es auf Grund der abgelieferten Qualität auf alle Fälle wert, die Alben der Reihe nach noch einmal durchzugehen. Dennoch sei eine Frage zur Zukunft erlaubt.
Da mit Ian Haughland und John Leven zwei Musiker in der Stammformation vertreten sind/waren, die inzwischen wieder mit ihren alten Weggefährten von Europe in der Hauptsache beschäftigt sind, erscheint mir ein neues Scheibchen zumindest in dem bisher erfolgreichen Line-up mehr als fraglich.
1995 erschien "Live And Learn". Nein, es ist keine Live-Scheibe. Warum denn auch, sollte sich die Band doch erst einmal in die Gehörgänge der Fans einspielen. Ja ja, die 90er Jahre waren nicht ganz leicht für gute Heavy-Bands. Brazen Abbot haben schon mal nicht den Fehler gemacht und einfach den Druck erhöht, in dem man die Gitarren nach unten gestimmt hat. Vielleicht ein kleines bisschen, aber längst nicht so offensichtlich, wie es in den 90er Jahren sehr zu meinem Leidwesen Usus wurde. Ich bezweifele auch, dass die Giganten des Gesangs da so ohne Probleme mit fertig geworden wären.
Neben Thomas Vikström und Göran Edman singt auf dieser Platte nämlich niemand Geringerer als Mr. Glenn Hughes. Wie passend, wenn Kotzev ohnehin angibt, dass seine Musik von Bands wie Deep Purple und Rainbow beeinflusst sei. Er ist bekennender Fan der 70er Jahre und das merkt man auf "Live And Learn" auch. Bereits beim ersten Song "Extraordinary Child" gibt es messerscharfe Gitarrenriffs, aber auch die Hammond-Orgel trägt zur Sounddichte recht ordentlich bei. Kotzev hat nach eigenem Bekunden eine klassische Ausbildung und auch das kann man in den einzelnen Breaks durchaus hören. Und so gelingt es der Band, schnurgeraden Heavy Rock mit verspielten Parts zu kombinieren.
Schaut man sich das Line-up genauer an, so sieht man, dass drei Akteure für die Leadvocals verantwortlich sind. Und so tritt nach Göran Edman bei "No Way Out Of Nowhere" Thomas Vikström als Shouter auf. Auch der passt hervorragend ins Konzept, hat er stimmlich ohnehin eine gewisse Ähnlichkeit mit dem später mitwirkenden Joe Lynn Turner.
Bei "Live And Learn", dem Titelstück, macht dann 'The Voice' namens Glenn Hughes auf sich aufmerksam. Das Stück wird von klaren Gitarren eingeleitet und versprüht eine wesentlich ruhigere Atmosphäre. Das haben die meisten Songs auf diesem Album ohnehin gemeinsam. Sie gehen fast alle ins Ohr und dennoch würde ich keinesfalls sagen, dass es sich hier lediglich um chartverdächtigen und eingängigen Melodic Rock handelt. Dafür ist die Power zu groß.
Kotzev ist ein sehr guter Gitarrist und hat vor allen Dingen viele Ideen. Die folgenden Nummern, angefangen mit "Russian Roulette" bieten Abwechslung, so dass man sich diese Scheibe durchaus mehrmals anhören kann und sollte. Die angesprochenen Rainbow standen meines Erachtens aus der Zeit ab 1980 Pate, als nämlich Joe Lynn Turner zu dieser Band stieß und seine Duftmarken setzte.
Besonderer Anspieltipp ist vielleicht noch "When November Reigns". Es stampft und rockt und drückt eine gewaltige Portion Emotionalität aus. Ansonsten kann man im gesamten sagen, dass "Live And Learn" ein mehr als beeindruckendes Debüt von Brazen Abbot ist.
Der Nachfolger "Eye Of The Storm" erschien bereits 1996. In der Stammformation hatte sich ein Wechsel am Bass vollzogen. John Leven (damals Ex- Europe) zupfte fortan die 4 dicken Saiten. In dem gesanglichen Wechselspiel kam nun anstatt Glenn Hughes der mehrfach angesprochene Joe Lynn Turner zum Einsatz. Göran Edman und Thomas Vikström waren weiterhin dabei. Ich spreche ganz bewusst von 'Formation', denn Brazen Abbot war sicherlich zu Anfang 'nur' ein Projekt, doch schnell zeichnete sich ab, dass es sich auf diese Art und Weise beeindruckend und stellenweise auch kommerziell erfolgreich Musik machen ließ. Im Grunde genommen schließt sich dieses Album stilistisch an den Vorgänger an. Die ohne Zweifel sehr schöne Covergestaltung ließ zwar etwas Futuristisches vermuten, doch blieb man sich musikalisch auf der gesamten Linie treu.
Starke Riffs und vollmundige Orgelsounds bilden das Gros der Stücke. Sowohl der Opener als auch "Twist Of Fate" erinnern stark an Rainbows "Straight Between The Eyes". Klar, von Blackmore hatte man ganz einfach andere Musik erwartet. Aber niemand sagte, dass dies nun schlecht sei und so kann ich hier attestieren, dass es sich um richtige Kracher handelt, die das Gemüt positiv nach oben ausschlagen lassen. Eingängige Balladen wie "Fool In Love" wechseln sich mit rockigen Tönen wie in "Common People" ab. Und wiederum gibt es keine Ausfälle auf der gesamten Scheibe. Vielleicht war das Debüt aus 1995 etwas rauer und nicht ganz so 'straight', aber ansonsten gab es kaum Veränderungen.
Ziehen wir abschließend noch einmal "Bad Religion" aus dem Jahr 1997 aus der Kiste. Hier meine ich schon, ein paar nette und neue Gimmicks zu erkennen. Den Tasten wird enormer Spielraum eingeräumt, was sich schon beim Eröffnungssong "The Whole Word's Crazy" offenbart. Und trotzdem dürfte jeder, dem die beiden vorangegangenen Alben gefallen haben, auch mit "Bad Religion" recht glücklich werden. Turner singt mit gleicher Selbstsicherheit und zieht in zunehmenden Maße die gesamte Band gesanglich in seinen Bann. Was soll man sagen: Genau das kann er eben wie kaum ein Anderer. Aber auch die ausufernden Keyboards im treibenden "Day Of The Eagle" machen Laune. Nun, die Balladen scheinen sich in ihrer Art und Weise zu ähneln, auf der anderen Seite kann man wohl unterstellen, dass Kotzev und seine Mannen eben auf Bewährtes setzten.
Brazen Abbot ist tatsächlich eine Band, bei der sich sehr kreative und innovative Musiker treffen und gemeinsam an den Stücken arbeiten. Natürlich bietet Kotzev zunächst die Ideen an, im weiteren Verlauf kann sich jedoch jeder einbringen. Nichts wird dem Zufall überlassen, dafür sind die Kompositionen zu glatt. Besonders gut gefällt mir abschießend noch "Empire Of The Sun". Denn hier wird wiederum ein gelungenes Album erfolgreich zum Abschluss gebracht.
Ich wage einfach die Prognose, dass sich diese Alben insbesondere für Fans der modernen Rainbow besonders eignen. Die Stimmen sind in jedem Fall über jeden Zweifel erhaben, die Gitarren sind interessant und niemals überdosiert und auch die übrigen Instrumente bringen sich mehr als passend ein.
Ob sich soundtechnisch bei den 2005er Re-Releases etwas verändert hat, weiß ich nicht. So wie mir die Silberlinge vorliegen, klingen sie satt und druckvoll. Brazen Abbot scheinen mir im Verlauf der Zeit etwas zu wenig beachtet worden zu sein. Sie haben durchweg gute Longplayer eingespielt und haben stets Musiker dabei, die allesamt viel von der Materie verstehen. Auch die Folgeprodukte wurden sehr positiv bewertet. Da nun aber Europe in ihrer Originalbesetzung wieder am Start sind, bleibt natürlich die Frage, ob es neue Sachen von Brazen Abbot geben wird und falls ja, ob dann Ian Haughland und John Leven wieder dabei sein werden. Ich bin gespannt.
Line-up "Live And Learn":
Nikolo Kotzev (Guitars, Keyboards, Pianos, Violin, Percussion)
Ian Haughland (Drums)
Mic Michaeli (Organs)
Svante Henryson (Bass)
Glenn Hughes (Vocals # 3, 5, 7)
Thomas Vikström (Vocals # 2, 4, 6, 8, 10, 11)
Göran Edman (Vocals # 1, 9)
Line-up "Eye Of The Storm":
Nikolo Kotzev (Guitars, Keyboards, Pianos, Violin, Percussion)
Ian Haughland (Drums)
Mic Michaeli (Organs)
John Leven (Bass)
Joe Lynn Turner (Vocals # 1, 2, 4, 8)
Thomas Vikström (Vocals # 5, 10)
Göran Edman (Vocals # 3, 6, 7, 9, 11)
Line-up "Bad Religion":
Nikolo Kotzev (Guitars, Keyboards, Pianos, Violin, Percussion)
Ian Haughland (Drums)
Mic Michaeli (Organs)
John Leven (Bass)
Joe Lynn Turner (Vocals # 1, 4, 7, 10)
Thomas Vikström (Vocals # 2, 6, 9)
Göran Edman (Vocals # 3, 5, 8, 11)
Tracklist |
"Live And Learn":
01:Extraordinary Child (5:20)
02:No Way Out Of Nowhere (4:01)
03:Live And Learn (6:00)
04:Russian Roulette (4:36)
05:Clean Up Man (4:36)
06:When November Reigns (4:48)
07:Miracle (5:03)
08:Big Time Blues (3:58)
09:Feeling Like A Rolling Stone (4:19)
10:Children Of Today (3:48)
11:Shadows Of The Moon (6:12)
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"Eye Of The Storm":
01:Eye Of The Storm (4:54)
02:Twist Of Fate (4:38)
03:Fool In Love (6:25)
04:Line Of Fire (5:15)
05:Wake Up Everybody (4:18)
06:Everything Is Gonna Be Alright (5:49)
07:Common People (4:53)
08:The Road To Hell (4:29)
09:Restless In Seattle (5:43)
10:Highway Cindy (4:37)
11:I'll Be There For You (5:34)
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"Bad Religion":
01:The Whole World's Crazy (5:01)
02:Nigtmares (4:52)
03:Two Of A Kind (5:37)
04:I Will Rise Again (5:03)
05:Day Of The Eagle (4:48)
06:We Don't Talk Anymore (6:07)
07:Wings Of A Dream (4:35)
08:Bad Religion (5:47)
09:Father To Child (4:06)
10:Love Is On Our Side (6:11)
11:Empire Of The Sun (5:33)
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Externe Links:
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