Im Vorfeld des heutigen Konzertes stand eines schon mal ganz fest. An diesem Abend ging es ausnahmsweise mal nicht um einen musikalischen Leckerbissen, wie bei den meisten anderen Gigs, die ich mir in meinem Terminplan notiere. Heute war ausschließlich das 'Kult' Feeling angesagt. Jeder, der sich ein wenig mit der Edgar Broughton Band und ihrer Musik auseinander gesetzt hat, kann bestätigen, dass es neben vielen eingängigen Songs auch jede Menge 'schräge' Töne auf die Ohren gibt, mit denen man doch so seine Schwierigkeiten haben kann.
So erwartete ich also ein etwas 'anderes' Konzert, zumal mich mein Erinnerungsvermögen an den letzten miterlebten Auftritt der Band in den siebziger Jahren auch ein wenig im Stich gelassen hatte. Und genau so kam es dann auch! Das ging schon beim Publikum los. Neben der Stammbesetzung der Bluesgarage, die sich wohl niemals einen Auftritt entgehen lassen, waren etliche mir völlig unbekannte Gesichter erschienen. Graue lange Haare und reichlich Vollbärte beherrschten die Szene, und irgendwie konnte man aus diesem Outfit so seine Schlüsse auf die politische Gesinnung ziehen. Hier waren offensichtlich Leute anwesend, für die der textliche Inhalt der Edgar Broughton Band eine gewichtige Rolle spielte.
Nun kurz zur Band selbst. Ende der sechziger Jahre sorgte die Edgar Broughton Band durch aggressive, aber teilweise auch primitive Texte auf spontanen Free Concerts immer wieder für Tumulte und Aufsehen. Dabei stellten sie sich häufig gegen die Regierenden der Supermächte und prangerten unter anderem auch das sinnlose Verheizen von Soldaten in den verschiedenen Krisengebieten an. Immer wieder riefen sie zum Boykott solcher Aktivitäten auf und heizten so die Stimmung in den Sälen auf. Die Folge waren mehrere Gefängnisaufenthalte und diverse Auftrittsverbote. Doch das alles hinderte Edgar Broughton in keinster Weise daran, seine politische Meinung weiter zu vertreten und kund zu tun. Da die Band auch musikalisch einen aggressiven und lauten Rock zum Besten gab, bei dem der Soundcheck und die richtig gesetzten Töne nur eine untergeordnete Rolle spielten, entwickelte sich die Gruppe schnell zu einem Geheimtipp in der europäischen Rocklandschaft.
Zum Ende der Siebziger erlahmte so langsam das Interesse an der Band. Die Aufrufe zum Widerstand wurden langweilig, und auch musikalisch verzettelte sich die Gruppe immer mehr in konzeptlose Klangvariationen. Der Biss der Musik war vollständig dahin, und niemand interessierte sich mehr für die Edgar Broughton Band. So verschwand sie sang- und klanglos von der Bildfläche.
Um so erstaunter war ich, als im Jahr 2006 ein Konzert für den WDR Rockpalast angekündigt wurde. Und nun wollte ich mir bei dem ersten Gig in meiner Nähe selbst ein Bild machen, wie es um die Gruppe bestellt ist. Konnten sie ihre frühere Power wirklich noch mal auf die Bühne zurückbringen und an ihre erfolgreiche Anfangszeit anknüpfen? Immerhin war von der Band über zwanzig Jahre lang nichts mehr zu hören gewesen.
Eine Frage, die ich auch jetzt, einen Tag nach dem Konzert, nicht so ohne Weiteres beantworten kann. Musikalisch würde ich spontan sagen "Ja". Die alten Gassenhauer "Evening Over Rooftops", "Call Me A Liar" und "Out Demons Out" knallten hart und trocken wie eh und je aus den Boxen. Dabei war ich vom Gitarrenspiel des Meisters angenehm überrascht. Auch der Rest der Band war musikalisch sehr gut drauf, sieht man mal von Edgars Filius Luke Broughton ab, dem die Uninspiriertheit buchstäblich ins Gesicht geschrieben stand. Allerdings wirkte sich das nicht sonderlich auf die Musik aus, denn die Keyboards spielten so gut wie keine Rolle. Im Gegenteil, sie waren eigentlich völlig überflüssig. Auch bei den ruhigeren Songs wie "Hotel Room" und "American Boy Soldier" sorgten die Tasten nur für eine gewisse Verwässerung des Sounds.
Erstes Fazit also durchaus positiv, zumal auch die Stimme von Edgar Broughton nichts von ihrer Magie verloren hat. Der Mann kann einen in Grund und Boden shouten!
Doch nun zu Teil Zwei der Beurteilung, und der fällt etwas negativer aus. Zunächst müsste man an der Songauswahl wirklich noch etwas feilen. Anstatt Titel aus der unterirdischen CD Parlez-Vouz English zu bringen, wäre die Band besser beraten, sich noch mehr auf ihre alten Klassiker zu konzentrieren. So fehlten u. a. so geile Songs wie "The Birth", "House Of Turnabout", "For Dr. Spock" und "Don't Even Know Which Day It Is". Selbst der frühere Erkennungstitel der Band "Apache Drop Out" war nicht zu hören. Ich weiß nicht, ob diese Tracklist so glücklich ausgewählt war.
Auch zwischen den einzelnen Titeln gab es durch etliche sehr ausufernde Monologe über die aktuelle politische Situation einigen Leerlauf. Natürlich sind Erklärungen zu einigen Songs durchaus wünschenswert und auch notwendig, zumal sie allesamt Hand und Fuß haben, aber endlos lange Kritiken an George W. Bush passen nicht in ein Konzert, auch wenn sie noch so berechtigt sind.
So nahm sich die Edgar Broughton Band oftmals selbst den Wind aus den Segeln, und man sah reichlich ratlose Gesichter vor der Bühne, denn ein deutscher Konzertbesucher muss solchen ausführlichen und natürlich in Englisch gehaltenen Statements erst einmal folgen können!
Als dann schließlich schon nach 95 Minuten mit "Poppy" die zweite Zugabe vorüber war, hatte ich meine endgültige Bestätigung. An der Edgar Broughton Band ist eben nichts normal. Nicht die Musik, nicht die Texte, nicht mal die Konzerte. Und trotzdem sind und bleiben sie einfach Kult, nicht mehr und nicht weniger.
Es passiert wirklich nicht all zu oft, dass ich eine Konzerthalle verlasse, und mir absolut nicht im Klaren bin, ob ich nun lachen oder weinen soll. Hier war es nun mal wieder so weit. Vielleicht muss ich noch ein paar Nächte darüber schlafen, um zu einem endgültigen Ergebnis zu kommen.
Übrigens war genau diese zwiespältige Meinung nach diesem Gig bei großen Teilen des Publikums zu hören. Es werden sich noch mehrere Leute ihre ganz eigenen Gedanken über diesen Auftritt der Edgar Broughton Band machen. Und das ist auch gut so! So hat die Gruppe wieder mal genau das erreicht, was sie immer wollte. Es ist eben nichts normal!
Line-up:
Edgar Broughton (guitar,vocals)
Arthur Grant (bass, vocals)
Steve Broughton (drums)
Andrew Taylor (guitar, vocals)
Luke Broughton (keyboards)
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