Ich bin eine ausgesprochene Leseratte und wann immer es meine Zeit erlaubt, schnappe ich mir ein Buch. Leider beschränkt sich meine Zeit meist auf den Aufenthalt in Warteräumen bei Ärzten oder Zahnärzten. Tja, man wird halt älter und die Wehwehchen nicht weniger.
Aber zurück zum Thema Lesen und Buch. Lange hab ich mich nicht mehr so köstlich amüsiert, aber auch mitgelitten und mitgefühlt, wie beim Lesen der Autobiografie des besten weißen Bluessängers, Eric Burdon, der von vielen auch als der 'weiße Schwarze' bezeichnet wird und dessen Stimme bis heute nichts von ihrer Faszination und Kraft verloren hat.
Hits, wie "When I Was Young", "Monterey" und "House Of The Rising Sun" machten ihn mit den Animals weltberühmt: »Ja, dieser Song (House Of The Rising Sung) hat was weiß ich wie viele junge Leute zu Gitarrenspielern werden lassen und auf den Rücksitzen unzähliger Chevys die Saat neuen Lebens gepflanzt. Er hat mich viele dunkle Seitengassen hinabgeführt, in Frauengefängnisse, zu Haikämpferveranstaltungen, Drogendealern, Radiosendern und Mafiagrößen, hat mir Frühstücke mit nackten Damen, Be-ins, Love-ins und ein rastloses Leben aus dem Koffer beschert - mit Nächten in Motels und Hotels, einer spanischen Villa und sogar einem israelischen Armeeschlafsack.«
Aber nicht nur das, plötzlich verdiente man jede Menge Geld, das aber - genau so schnell wie man es verdiente - auf plötzlich unerklärliche Weise wieder verschwand. Denn den Animals erging es damals so, wie vielen anderen Bands auch: Sie wurden von ihrem Management gemolken und betrogen: »Inzwischen ist mir die bittere Wahrheit längst klar: Der Bereich, wo der Rock'n'Roll-Traum zum Albtraum wird, ist das Geschäft - die Kohle. Die Beatles wurden über den Tisch gezogen und selbst dem ausgebufften Mick Jagger und seinen Stones wurden in den frühen Siebzigern die Tantiemen abgezockt.«.
Eric Burdon hat in all den Jahren sämtliche Fallen und Tricks der Musikbranche ausgiebig kennengelernt und kann jedem angehenden Musiker eine Lehrstunde in Sachen Urheberrechte und Knebelverträge, wie zum Beispiel im Falle der Plattenfirma MGM, geben.
Zu allem Übel wurden er und seine Band-Kollegen um die Tantiemen für "House Of The Rising Sun" betrogen. Bis auf Alan Price: Durch einen geschickten Schachzug hatte er es geschafft, die komplette Kohle dafür alleine einzusacken.
Amüsant und ehrlich gibt der Blues-Sänger einen Einblick in sein Leben als Rockstar, der weder verbittert noch verklärt ist.
Schonungslos werden alle Höhen und Tiefen des Musikbusiness aufs Korn genommen. Ob Plattenfirmen, Management oder auch Kollegen, niemand bleibt von seiner spitzen Feder verschont.
Als er zum Beispiel kurz nach Hendrix' Tod von der BBC zu einem Interview eingeladen wurde, äußerte er sich folgendermaßen: »[…] Als ich sagte, dass sich Jimi wegen all der Missstände im Plattengeschäft umgebracht hatte, weil er von seinem Manager und all diesen Buchhaltern und Anwälten allmählich künstlerisch umgebracht worden war, sprang mir Allsop (Reporter der BBC, der Verf.) an die Gurgel.« Diese Äußerung sollte für Burdon noch ein Nachspiel haben, bekam er doch danach nie wieder einen Plattenvertrag in England.
Fast liebevoll schreibt er über seine Bekanntschaft mit Jim Morrison, dem großen Bluesman John Lee Hooker sowie Rahsaan Roland Kirk und natürlich Jimi Hendrix, deren Tod er offensichtlich bis heute nicht ganz überwunden hat. Letzterem widmet sich Burdon in seinem Buch sehr ausführlich, da diese Freundschaft für ihn etwas ganz Besonderes war. Er hat den Menschen Hendrix in all seinen Facetten bis zum letzten Atemzug kennengelernt: »Während unserer gesamten Freundschaft […] hatte ich das Glück, der Entfaltung dieses geheimnisvollen Menschen aus einer privilegierten Position zusehen zu dürfen. Und für mich ist er immer voller Geheimnis gewesen.«
Auch zu Linda McCartney, die er bereits kannte, als sie noch nicht mit ihrem Paul verheiratet war, verband ihn ein sehr freundschaftliches Verhältnis bis zu ihrem Tod im April 1998. Zwei ihrer Fotos sind in "My Secret Life" enthalten.
Aber es sind natürlich nicht die Einzigen, die Eric Burdon in seiner langen Musikerlaufbahn getroffen hat: Da wären The Who, Elvis Presley, Nina Simone, John Mayall, Steve Winwood, Buddy Miles, die Stones, B.B. King, Rufus Thomas, Jimmy Witherspoon, Big Joe Turner, Udo Lindenberg (der übrigens das Vorwort zu diesem Buch schrieb), die Beatles, ja selbst Boxgröße Cassius Clay ( Muhammad Ali, Rainer Werner Fassbinder, Fotograf Günter Zint uva.
Bewundernswert auch sein Engagement gegen die Rassenunterdrückung, das ihn oft genug in Schwierigkeiten brachte. Trotz aller Schmähungen, denen er sich ausgesetzt sah, ließ er sich nicht davon abhalten, sich immer wieder mit schwarzen Musikern zu umgeben.
Man kann nur mit Entsetzen lesen, welche Schmach der schwarzen Bevölkerung von den Weißen angetan wurde. Die fürchterlichen Verhältnisse, die Burdon bei einem Besuch in einem kalifornischen Gefängnis vorfand, inspirierte ihn zu den Song "Soledad".
Geradezu köstlich ist sein eigenwilliger Humor, oftmals durchsetzt mit leichtem Zynismus, mit dem Burdon gekonnt so manche freiwillige aber auch unfreiwillige Situationskomik beschreibt, in die er mit seiner Band geraten ist. Amüsant ebenfalls die Einblicke in seinen körperlichen und geistigen Zustand nach der Einnahme bewusstseinserweiternder Mittelchen, denen er ausgiebig frönte. Es wundert ihn auch heute noch, dass er dennoch so alt geworden ist.
Hautnah erlebte Burdon die Zeit des RAF-Terrorismus in Deutschland mit. Hautnah deshalb, da er im Gefängnis Stammheim einige Tage absitzen musste und dabei völlig im Unklaren blieb, was der Grund für seine Inhaftierung war. Er konnte es sich nur damit erklären, dass er während seiner Filmaufnahmen zu "Comeback" in München mit einigen Leuten zu tun hatte, die der linken Szene zugeordnet und somit unweigerlich zum Gefahrenpotenzial für die Staatsregierung wurden. Sein Gerichtsprozess war eine einzige Farce: Ihm wurde die Einnahme von Kokain vorgeworfen und am Ende hatten die Kosten für diesen Prozess und sonstige Ausgaben seinen kompletten Gewinn der letzten Tournee aufgefressen.
Auch dem Versuch einer Reunion der Animals, zu der Burdon mit dem Versprechen überredet wurde, dass er darüber einen Film drehen könnte, ist ein ganzes Kapitel gewidmet. Es trat genau das ein, was er immer befürchtet hatte und weshalb er im Grunde seines Herzens stets dagegen war: Das Ganze endete in einem einzigen Fiasko.
Als 1996 Chas Chandler an einem Herzinfarkt starb, wurde »die ehemals große Band der Original-Animals für immer zu Grabe getragen.«
Auch die versprochenen Filmaufnahmen blieben lediglich beim Versuch stecken, da trotz aller vorangegangenen Versprechungen einer der Animals nach dem anderen so nach und nach ausstieg, und Burdon die horrenden Kosten alleine hätte bestreiten müssen, was für ihn das finanzielle Aus bedeutet hätte.
Mitte der 80er, nach einem Auftritt bei der "Larry King Live"-Show in Washington beschloss Eric Burdon, amerikanischer Staatsbürger zu werden und berichtet in seinem Buch über die Gründe, die ihn damals zu diesem Entschluss bewegten.
Interessant ist auch seine Einstellung zu Bootlegs. Wenn man weiß, wie sehr dieser großartige Sänger wieder und wieder über den Tisch gezogen und ausgenutzt wurde, wie oft er seines geistigen Eigentums beklaut, wie viele Bänder von Plattenfirmen als angeblich autorisierte Alben veröffentlicht und er so um ihm zustehendes Geld betrogen wurde, kann man seinen Hass und seine Wut nur zu all zu leicht verstehen. Deshalb betont er ausdrücklich: »Wenn eine CD oder ein anderer Tonträger nicht in der Diskografie dieses Buches enthalten oder bei einem großen Label erschienen ist, dann handelt es sich vermutlich um eine illegale Veröffentlichung. Und die gibt es zu Dutzenden.«
Und er betont ausdrücklich, dass er Bootleg-Material sammelt, um es den Fans auf seiner Homepage zum downloaden bereitstellen zu können.
Nachdem Burdon über dreißig Jahre lang von einem 'House Of The Rising Sun' fantasiert hatte, wurde ihm eines Tages endlich mitgeteilt, dass es dieses legendäre Haus in New Orleans tatsächlich geben soll. Er folgte einer Einladung von guten Freunden zur Besichtigung und war völlig fasziniert, als er sich darin wiederfand und in eine total neue Welt eintauchte - eine Welt, in der man einstmals sowohl den Freuden des Fleisches huldigte, als auch den Voodookult praktizierte.
»Für mich ist New Orleans so etwas wie die Seele des wahren Amerika, der Ursprung.«
Den Abschluss dieser tollen Autobiografie bilden ein Epilog, eine mehrseitige Diskografie mit Erläuterungen und Chartplatzierungen.
Als kleines Schmankerl wurde noch eine EP beigelegt, die drei Tracks enthält. Einer davon ist eine bislang unveröffentlichte Version des berühmten "House Of The Rising Sun".
Viel hat er zu erzählen, der Mann mit der großen Stimme. Aber eins wird einem nach dem Lesen klar: Sein Herz gehört dem Blues - nach wie vor - und zwar mit allen Fasern.
»[…] mein ganzes wildes Leben hindurch, dieses Leben mit Wein, Frauen und allen Drogen unter der Sonne, hat mich ein treuer Begleiter niemals im Stich gelassen. Meine erste wahre Liebe: Das Singen.«
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