Jeff Beck
16. Juli 2010, Z-Bau, Nürnberg
Jeff Beck Jeff Beck
Nürnberg, Z-Bau
16. Juli 2010
Konzertbericht
Stil: Rock and more
Fotos: ©Axel Clemens



Artikel vom 28.07.2010


Ingolf Schmock
Beck's immergrüner Bolero - Gitarrenlegende Jeff Beck begeisterte im Nürnberger Z-Bau
Jeff BeckMit Sicherheit hoffte heute Abend niemand der meist betagten Anwesenden auf den abgeschlagenen Gitarrenhals von des Meisters Handwerkszeug, wie Selbiger es einst im filmischen Glanzstück "Blow Up" vollführte, erwartete jedoch einen vom schwarzen Blues geplagten Sonderling welcher den allgegenwärtigen Götzenkult seiner Schrulligkeit berauben möge.
Früher zu Leitbildern einer jugendlichen Bohème und zu musizierenden Anstiftern kultureller Unzüchte berufen, streben die meisten dieser Helden mittlerweile einem Rentendasein entgegen, oder kompensieren ihre unübersehbaren Alterserscheinungen mit hyperaktivem Dasein. Oft vom wiederkehrenden Aufkochen alter Glanztaten besessen, sind deren Unternehmungen nicht immer vom Kreativreichtum beseelt, aber dennoch in Zeiten des Wertverfalles noch zu pflegende Konstanten, und wie an diesem lauen Sommerabend, musikalische Antidepressiva.
Jeff BeckIm Gegensatz zu einem musikalisch wiederkäuenden und dürftigst inspirierten 'Hans Dampf in allen Gassen' Clapton, bewahrte sich sein heute 66-jähriger Gitarrenkumpel Jeff Beck entgegen aller Moden überdrüssig, diesen unumstößlichen Eigensinn und eine gesunde Portion Eitelkeit. Seine innige Liebe zu seiner schneeweißen Fender Stratocaster, bzw. ein halbes Jahrhundert im Jazz und Blues verwurzeltes britisches Volkstum, zollen auf dem gebräunt ausgemergelten Antlitz ihren Tribut, die Wood'sche Gedächtnisfrisur hingegen erinnert wohl rein zufällig an die Zeit, als dieser das Adoptionsangebot von Jagger und seinen Mannen ablehnte.
Dieser Mann welcher der aufgeweckten Garagencombo The Yardbirds ihre musikalische Rotzigkeit einbläute, und einen rappeldürren weißen Bluessänger namens Roderick Stewart ins Rampenlicht katapultiere, lebte diesen schweißtreibenden Konzertabend mit unglaublicher Lässigkeit und Schnörkellosigkeit, und scheute sich nicht, den buntscheckigen Mutterboden aus schmutzigem Blues, Motown-Setzlingen, hochvirtuosem Jazz Rock, banalem Kitsch zu beackern, und diesem zwischendurch mit einem Fünkchen Spiritualität und gehöriger Elektronikschwitze anzudicken.
Der schon zu Lebzeiten glorifizierte Mithüter des geheiligten Rock'n'Roll-Tempels war sich schon immer selbst genug, und wusste bisher auch ohne jeglicher Fruchtbarkeitsrituale auf den Bühnen dieser Welt zu bestehen, bemühte sich im zunehmenden Maße, die chauvinistischen Spleens zu bändigen und seine Mitmusikanten als Organismus anzunehmen.
Jeff BeckSeine fantastischen Begleiter aus drei niemals egozentrischen Handwerkern stellten sich sodann nonchalant und energisch schwer lastenden Saitenläufen und splittrigen Sehnsuchts-Tremolo in den Weg.
Weit mehr wie ein nur sachdienlich funktionierendes bzw. gut geschmiertes Räderwerk, überzeugten die bezaubernde Tieftönerin Rhonda Smith, welche den Funk beim androgynen Popgenius Prince injiziert bekam, der Fleisch gewordene Schlagzeugmaschinist und Grammy-Gewinner Narada Michael Walden sowie Tasten- und Fusions-Experte Jason Rebello, und durchritten durchaus emphatisch des Meisters instrumentalen Parcours.
Der Troubadour ist dabei kein sonderlicher Choreograf, drischt aber sodann jedes Rock-Riff gegen den Wind, und bewegt die gereiftere Feiergemeinde bei so manchen Blues'n'Soul geschliffenen Rohdiamanten zu spontanen Ovationen.
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Als einer der Wenigen versteht er es, seine wildgemischte Nachlasspflege straff und wortkarg zu organisieren, wechselt mit betörender Leichtigkeit von Marshmellow-wuchernder Hollywood-Noir einer Judy Garland zu brettharten Wah Wah-Orgien, reißt ohne Plektrum selbst Sgt. Pepper aus dem LSD-begleitenden Wachkoma.
So wie einst Clapton gottgleich an die Häuserwände geschmiert wurde, betrieb Beck dagegen seinen Exorzismus, kehrte aber trotz zahlreicher Stilmätzchen unterschwellig immer wieder zu seiner Passion, dem Vehikel aller populären Musik zurück.
In Nürnberg jedenfalls genoss das Publikum seine mitreißende Mischung aus rhythmischer Wucht und schmierigem Balsam, spendete sogar für die wenigen neuen Songs seines schwülstigen Sammelsuriums Emotion & Commotion fachkundigen Applaus.
Jeff BeckAuch wenn der musikalische Schubladenverweigerer bei Puccinis finalem Abgesang "Nessun Dorma" auf die gewaltige Orchesterglasur verzichten musste, geriet diese süffig abgeschmeckte, instrumentale Grundnahrung zu breitwandiger Opulenz.
Trotz des vorangegangenen Umstandes einer kurzfristigen Umverlegung dieses Konzertes ins eher rustikale Kulturzentrum Z-Bau, wegen eines Wasserschadens im ehrwürdigen Löwensaal, und den damit verbundenen überhitzten räumlichen Bedingungen, vermag man diesem, wenn auch knapp bemessenen, bravourösen Ereignis, ein oberes Stufchen auf der Leiter bemerkenswerter Liveaktivitäten reservieren.
Hier absolvierte ein nach wie vor außerordentliches Gitarren-Chamäleon mitnichten nur eine bloße Reminiszenz an vergangene Zeiten, sondern sorgte mit seiner musikalischen Ode an 'immergrüne' Idole, für so manchen Glanz in den Augen.

RockTimes bedankt sich mit Nachdruck bei Jutta Münch, Concertbüro Franken und dem Z-Bau Nürnerg für die freundliche Unterstützung.
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