Angetrieben von meinem alten Freund mit der 'Berliner Schnauze', Mike Kempf, der ja schon durch viele lesenswerte Konzertberichte und CD-Rezensionen der RockTimes-Leserschaft bekannt sein dürfte, versuche ich mich heute erstmals daran, einen Bericht über das Joe Bonamassa-Konzert vom 02.12.2008 in der altehrwürdigen "Fabrik" in Hamburg zu schreiben.
Joe Bonamassa dürfte mittlerweile ja vielen musikbegeisterten CD-Hörern bekannt sein, denn immerhin hat er schon acht CDs in Deutschland veröffentlicht. Nachdem der Gute seinen letzten geplanten Auftritt 2007 bei einem Gitarrenfestival in Hamburg, bei dem neben ihm auch Eric Sardinas sowie Gwyn Ashton auftreten sollten, kurzerhand aus familiären Gründen (es hieß, er solle eine neue Freundin haben…) absagte und somit viele Fans verärgerte, war ich schon im Vorfeld gespannt darauf, ob sich dies bei seinem aktuellen Konzert bemerkbar machen würde. Aber weit gefehlt, schneller als je zuvor war ein Bonamassa-Konzert in Hamburg ausverkauft, obwohl er von allen Seiten immer noch als Talent oder aber Geheimtipp gehandelt wird.
Nach einer kleinen Pils-Vorglühung im Auto (natürlich bei der entsprechenden Musik) traf ich mit einem Freund und meiner Frau, die den guten Joe heute zum ersten Mal sehen sollte, frühzeitig in Altona ein. Doch schon beim Vorbeifahren an der Fabrik fiel mir die nicht enden wollende Menschenschlange auf, die sich vor den noch verschlossenen Türen versammelt hatte. Da war mein Stammplatz direkt vor der Bühne aber in höchster Gefahr! Da half nur eine Vollbremsung mitten auf der Hauptstraße, sodass sich meine Mitfahrer nach vorne schmuggeln konnten, während ich mir einen Parkplatz suchte.
Pünktlich um 20.00 Uhr öffneten sich die Türen und die Fans strömten in die Fabrik. Als wir dann auch endlich drin waren, sah mein geschultes Auge sofort, dass es heute nichts werden würde, mit meinem Platz an der Sonne. Es drängten sich bereits vier bis fünf Reihen mit Besuchern vor der Bühne und waren eifrigst am Fachsimpeln. So blieben uns nur noch die oberen Ränge. Dabei fiel mir sofort eine Schiebermütze und eine Lederjacke ins Auge, die ich sofort erkannte, denn auch Henrik Freischlader, ein weiterer meiner Gitarrengötter und Virtuose der deutschen Bluesszene, war zu diesem Gig erschienen. Da hüpfte mein Herz als Hobbygitarrist vor Freude. Vielleicht kommt es ja zu einer Jam-Session mit den Beiden, denn immerhin hat Henrik ja schon im Vorprogramm von Bonamassa gespielt… Bei diesem Gedanken bekam ich schweißnasse Hände, und dass der Mann mit der Schiebermütze auf meinem Stammplatz stand war ganz schnell vergessen.
Die Hütte war inzwischen randvoll und alle Besucher warteten gut gelaunt auf den Beginn eines hoffentlich großartigen Konzertes. Ein Blick auf die Bühne ließ Großes erahnen, insgesamt drei Verstärker-Topteile, zwei Marshall und ein neues Engl Top, und zwei 4x"12" Boxen, dazu konnte ich acht verschiedene Gitarren auf dem Gitarrentransportständer erkennen. Viele Gibson Les Pauls dabei, bei deren Anblick jeder Gitarrist sofort ins Schwärmen gerät und unter anderem auch zwei Taylor Akustik-Klampfen. Den Boden vor dem Gesangsmikrofon zierte eine Unmenge von Bodentreter-Pedalen. Was würde ich dafür geben, hier mal nach Herzenslust ausprobieren zu dürfen, nur eine Stunde würde mir genügen. Mittig auf der Bühne stand ein nicht überdimensioniertes Schlagzeug und an der linken Seite, leider von meinem Platz aus nicht einzusehen, hatte ein Keyboarder sein Equipment aufgebaut.
Unmittelbar vor Konzertbeginn erschien eine männliche Person im schwarzen Anzug durch den Vorhang. War das Bonamassa? Meine Güte, der hat ja schätzungsweise 15 Kilo Gewicht verloren, die Haare kurz und streng nach hinten gegelt und natürlich die obligatorische schwarze Sonnebrille auf der Nase. Joe war mal wieder so was von cool…!
Das Saallicht erlosch, die Mitmusiker Bogie Bowles, Carmine Rojas sowie Rick Melick nahmen ihre Plätze ein und 'Mr. Cool' wurde eine Gitarre gereicht; das Konzert begann… mit einem Lied, das ich noch nie zuvor von ihm gehört hatte und das meines Wissens auch auf keinem seiner Silberlinge zu finden ist. Schade, auf eine erste Vergewaltigung seines Sechssaiters zum Warmwerden beim Betreten der Bühne hatte er verzichtet und stattdessen ganz brav den Song zum Besten gegeben. Hmmh, irgendwie kein Brüller zum Anfang… sollte er heute etwa nicht gut drauf sein? Aber schon beim nächsten Stück, nachdem ihm eine Gibson Les Paul Gold Top gereicht wurde, ging mit "Bridge To Better Days" richtig die Post ab. Herrlich dieses Riff, endlich konnte ich sehen, wie er es spielt. Sieht ja doch gar nicht so schwer aus, aber warum klingt das bei mir nicht so?
Der Sound in den Gemäuern der Fabrik war meiner Meinung nach sehr gut ausgesteuert, nicht übertrieben laut, und Joe hatte einen wirklich guten Ton seiner Gitarre gefunden. Um die Ohren der Zuschauer im Saal zu schonen, wurden Plexiglaswände vor die Boxen der Amps platziert. Dem Sound tat diese Maßnahme keinen Abbruch, denn es gelangte trotzdem noch Druck ohne Ende aus den Lautsprechern der so herrlich warm klingenden Röhrenverstärker.
Es folgte mit "So Many Roads" eine erste supergefühlvolle Slow Blues-Ballade, bei der man auch hören konnte, dass Bonamassa stimmlich reifer geworden ist. Obwohl ich über das ganze Konzert gesehen sagen muss, dass entweder der starke Gewichtsverlust oder aber der Tourstress schon ein wenig am Volumen seiner Vocals gekratzt hatten.
Abgesehen von dem ein oder anderen »Thank you« nach Songende, kam Herr Bonamassa während der ersten Stücke ohne auch nur ein Wort an das Publikum aus. Erst nach den nächsten Krachern "India/ Mountain Time" und "Slow Gin" muss ihm wohl sein Roadie gesteckt haben, dass er seine Fans doch einmal begrüßen könnte. Also flugs ein paar nette Worte an die begeisterte Menge gerichtet und weiter ging es im Programm.
Und zwar mit einem ersten kleinen Höhepunkt, diesmal mit Akustik-Klampfe. Wer sein aktuelles Live-Album From Nowhere In Particular schon gehört hatte, wusste, was nun folgte. Zunächst ließ er es mit dem Kracher "High Water Everywhere" von dem 2006 erschienenen Album You & Me noch etwas ruhiger angehen, aber es war schon beeindruckend, wie er das Stück mit diesem so markanten Gitarrenriff passend auf einer Akustikgitarre umsetzte. Die Menge tobte erstmals so richtig und eine neben mir auf der Empore stehende Mittvierzigerin fragte mich mit einem völlig verzückten Blick, ob ich denn wüsste, wie alt der Bonamassa sei. Ich denke, ihrer Körpersprache nach wünschte sie sich, noch einmal zwanzig zu sein und nach Konzertende am Bühnenausgang zu warten…☺ Oh wie schön doch das Leben eines Musikers sein muss.
Eigentlich ein idealer Zeitpunkt, doch nun einmal den deutschen Wundergitarristen Henrik Freischlader für eine gemeinsame Darbietung auf die Bühne zu holen. Aber noch passierte nichts in diese Richtung.
Jedenfalls reichte der Gitarrenroadie seinem Arbeitgeber zunächst noch für zwei weitere Songs die Stromgitarre. Na klar wieder eine von diesen unbezahlbaren Gibson Les Pauls, ehe sich die Mitmusiker so heimlich von der Bühne stahlen und in den Katakomben verschwanden. Es war an der Zeit, dem Publikum mit "Woke Up Dreaming" eine klangliche Orgie für die Ohren zu bieten. Ich bezeichne mich selbst als erfahrenen Konzertgänger mit schätzungsweise 250 gesehenen Shows verschiedenster Richtungen, aber was hier abging, ist für mich beispiellos. Geschätzte 20 Minuten nur mit akustischer Gitarre, natürlich mit Tonabnehmer elektrisch verstärkt, spielte sich Joe die Seele aus dem Leib. Nicht nur ich, sondern viele andere haben ungläubig den zweiten oder gar dritten Gitarristen gesucht, der hier seinen Teil dazu beitrug. Dieses Soundgewitter konnte doch nicht nur von einer einzigen Klampfe stammen, unglaublich glockenklar und fehlerlos gespielt. Die Geschwindigkeit, mit der dieser Gitarrist über das Griffbrett flog war atemberaubend und jeder, der schon einmal eine Gitarre in der Hand hatte, weiß wie schwer die Finger nach ein paar Minuten Vollgas werden. Die Fans dankten es ihm mit einem ohrenbetäubenden Jubelausbruch und es war deutlich zu merken, dass es dem Meister Spaß machte. Er peitschte die Meute regelrecht an, ihrer Begeisterung noch lauter freien Lauf zu lassen. Auch ein Freischlader, dem diese Jubelstürme nicht unbekannt sein dürften, klatschte eifrig Beifall.
Und wer nun dachte, Bonamassa würde die Sache etwas ruhiger angehen lassen, um vielleicht ein wenig Luft zu holen und Kraft zu tanken, der irrte gewaltig. Kurz eine Gibson Flying V über das triefend schweißnasse schwarze Oberhemd gestreift und die Post ging weiter ab. Mit einem alten Klassiker der Blues Rock-Geschichte. "Just Got Paid" von ZZ Top aus dem Jahre 1972 war angesagt. Schon damals von Billy Gibbons exzellent vorgetragen, stand diese Version, für die sich Joe wieder fast 15 Minuten Zeit ließ, dem Original in nichts nach.
"One Of These Days" und "Asking Around For You" durften natürlich auch nicht fehlen und die Musiker verabschiedeten sich erstmals nach guten eineinhalb Stunden von ihren vor Begeisterung johlenden Fans. Hmm, immer noch kein Wink in Richtung Henrik…, hatte ich doch vor Konzertbeginn meinen Kumpel Mike, der Henrik für RockTimes kürzlich interviewte, noch angerufen und ihm von meiner Entdeckung zu berichten. Naja, noch war ja Zeit.
Die Band ließ sich nicht lange bitten noch ein paar Zugaben zu spielen. So folgten noch drei schöne Songs, an deren Titel ich mich leider vor lauter Begeisterung nicht mehr erinnern kann, bei denen die Musiker all ihr Können unter Beweis stellten. Dazu fiel mir auf, dass der Bandleader seinen Mitstreitern eigentlich, mal abgesehen von ein paar Takten des Orgelspielers, keinen Raum für Soli gegeben hatte. Schade, denn dass sie allesamt ihre Instrumente beherrschen, war deutlich zu hören… aber so ist das wohl bei solch einem talentierten Musiker wie Joe Bonamassa, der von der einschlägigen Musikpresse als begnadetster Nachwuchs-Klampfer zwischen hier und dem Ami-Land gilt. Da ist nicht viel Platz für Einlagen der Begleitband.
Geschickt eingefädelt war auch der Abgang der Musiker, denn nach den letzten Takten der Musik ging sofort das Saallicht an, und gleichzeitig schallte "There's No Business Like Show-Business" als Einspielung vom Band über die Boxen, während Joe seine Band vorstellte und sich abschließend alle Musiker in den Armen lagen und sich für den frenetischen Jubel bedankten.
Abschließend bleibt mir nur zu sagen, dass ich diesen Abend mit einem genialen Konzert sehr genossen habe und an den Reaktionen der Fans nach Konzertende erkennen konnte, dass es mir da nicht allein so ging. So manch einer zog Luftgitarre spielend aus der Fabrik heraus in die kalte und nasse Hamburger Nacht. Ob die Mittvierziegerin es tatsächlich zum Bühnenausgang gebracht hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Henrik Freischlader verschwand jedenfalls kurz nach dem Ende des Gigs zwischen den Vorhängen in Richtung des Backstage-Bereiches. So kam er dann wohl doch noch dazu, mit Joe ein paar Worte zu wechseln. Hoffentlich werde ich über den Inhalt dieses Gespräches, vielleicht in einem weiteren RockTimes-Interview etwas erfahren… Es würde bestimmt nicht nur mich brennend interessieren, was ein Profimusiker zu diesem Auftritt sagt.
In diesem Sinne… Ein Konzert von Joe Bonamassa ist unbedingt empfehlenswert, wenn man ein Freund von gitarrenlastiger Blues Rock-Musik ist!
Line-up:
Joe Bonamassa (vocals & guitar)
Rick Melick (keyboards)
Carmine Rojas (bass)
Bogie Bowles (drums)
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