Henrik Freischlader: Dass es am Ende gleich drei Silberlinge geworden sind, war eigentlich nicht geplant.
Henrik Freischlader Am 9. Oktober 2008 nutzte ich die Gelegenheit, einen sehr gut aufgelegten Henrik Freischlader, nach einem erfolgreichen Gig der HFB in Berlins Bluestempel Quasimodo, um ein Interview zu bitten.


Interview vom 29.11.2008


Mike Kempf
RockTimes: Henrik, vielen Dank, dass Du Dir heute Zeit für ein Rocktimes-Interview genommen hast und uns somit einige interessante Einblicke aus Deinem Musikerleben gewährst. Nach Deinen, oder besser gesagt Euren, Studioalben The Blues (2005) und Get Closer (2007) erschien im September 2008 das erste Live-Album. Was waren Eure Beweggründe zu diesem frühen Zeitpunkt der Karriere ein Live-Album zu produzieren, und wie kam es dazu, dass es gleich drei Silberlinge wurden?
Henrik: Hallo Mike, da gab es natürlich immer häufigere und drängendere Anfragen von unseren Fans, und es erschien auch logisch, aus dem Material der beiden Scheiben eine Live-CD einzuspielen. Dass es am Ende gleich drei Silberlinge geworden sind, war eigentlich nicht geplant. Das ergab sich aus dem Material, das nach der Zensur noch übrig blieb. Wir haben an zwei Tagen hintereinander aufgenommen, aber es hätte auch genauso gut sein können, dass am Ende nur Material für eine CD übrig geblieben wäre… da hatten wir eben einfach Glück!
RockTimes: Das gehört natürlich dazu. Trotzdem, in den letzten 1 ½ Jahren habe ich Euch siebenmal live erlebt. Kaum zu glauben, aber das Live-Album kommt akustisch 100%tig genauso rüber wie bei einem Originalbesuch Eurer Konzerte! Ich hatte den Eindruck, als ob Ihr in meinem Wohnzimmer auftreten würdet! Ohne zu übertreiben, es ist die beste Live-Scheibe, die ich bisher gehört habe! Wie empfindest Du selbst das Endprodukt?
Henrik: Vielen Dank für das Kompliment, darüber freue ich mich natürlich sehr. Ich bin mit dem Ergebnis auch recht zufrieden, aber Du weißt ja, ein Mehr und ein Besser geht immer!! Die Bootlegs mit ihrer charmanten Nicht-Perfektheit gefallen mir sehr gut, da kommt für mich die Stimmung bei unseren Live-Konzerten ganz gut rüber.
Henrik FreischladerRockTimes: Ja, so habe ich es auch empfunden, deshalb ist auch die dritte Scheibe für mich ein Muss. Vorhin hast Du einen Song vorgestellt, der noch namenlos ist. Provisorisch hast Du ihn, nach einer Empfehlung eines weiblichen Fans, "Wolkenwinde" getauft. Der Song, so finde ich, hat für Dich und Deine Anhänger neue Maßstäbe erreicht. Nicht nur, dass ihr ihn in 17 ½ Minuten vorgetragen habt, sondern für mein Empfinden war das Eure bestandene Meisterprüfung! Ist Dir inzwischen ein Name eingefallen und wird dieses Stück auch auf dem neuen Tonträger verewigt?
Henrik: Vielen Dank! Natürlich habe ich schon seit ca. 10 Jahren einen Titel für den Song, ich habe ihn damals mit 16 "Bad Dreams" getauft. Auf der Tour haben wir uns einen Spaß daraus gemacht, einen Titelvorschlag zu erbitten. "Wolkenwinde" war da der absolut witzigste, vielleicht sollte ich es dabei belassen? (lacht). Auf jeden Fall kommt er natürlich auf das neue Album.
RockTimes: Was, fast 10 Jahre hattest Du den Song schon in petto? Dann wird es aber wirklich höchste Zeit "Bad Dreams" auf einem Tonträger zu verewigen! Henrik, zumeist erwartet man von Dir ein Gitarrenspektakel. Wenn ich meine erlebten Gigs von Euch Revue passieren lasse, so fallen mir natürlich auch zwangsläufig Deine Begleitmusiker Dirk Sengotta und Oliver Schmellenkamp auf. Toll, dass Du ihnen die Möglichkeit gibst, sich mit einem eigenen Solo zu präsentieren. Wie würdest Du die Zusammenarbeit mit den Beiden beschreiben? Bestehen auch Freundschaften unter Euch, oder beschränkt sich alles eher aufs Musikalische?
Henrik: Bei dem Gitarrenspektakel bin ich mir manchmal gar nicht so sicher, ich habe eher den Eindruck, dass gerade Nummern wie "I Loved Another Woman" oder ein Slow Blues ausgesprochen gut beim Publikum ankommen. Ich lege gerne mal zwischendurch los, genieße aber mehr die ruhigen und leiseren Töne! Olli und Dirk sind fantastische Solisten, da liegt ihre Stärke, und das sollte man dem Publikum nicht vorenthalten. Auf der Bühne haben wir eine sehr gute Zusammenarbeit, ansonsten sehen wir uns eher selten, da wir nicht proben. Ich mache die organisatorische Arbeit und gebe dann Termine und sonstige Erfordernisse an die Beiden weiter. Das klappt reibungslos. Private Termine sind nicht mehr in Sicht, ich wohne ja jetzt ziemlich weit weg.
RockTimes: Noch mal kurz zurück zum Gig. Dort hattest Du für Olli Theofilos Fotiadis am Bass an Deiner Seite. Beim diesjährigen Hamburger Bluesfestival sprang Hardy Fischkötter für Dirk in die Bresche. Demnach hast Du also auch gute Ersatzspieler in der Hinterhand. Vielleicht ein, zwei Sätze zu Fotiadis und Fischkötter.
Henrik: Theo ist ein richtiger Kumpel und er versteht es wie kein Zweiter, einfach nur enorm groovig Bass zu spielen. Menschlich und musikalisch komme ich mit ihm sehr gut klar, wir hatten viel Spaß bei den Gigs! Bei Hardy ist es nicht anders, seine filigrane aber extrem druckvolle Art zu spielen ist absolut einmalig, menschlich genau so. Sein trockener Humor und seine souveräne Gelassenheit machen eine kleine Tour zum Urlaub! Bei solch guten Musikern ist es das Wichtigste, sie nicht verändern zu wollen. Nicht zu viele Vorgaben, keine Probe, sondern einfach nur grobe Songstrukturen. Der Rest ist dann eben ihre musikalische Persönlichkeit!!!
RockTimes: Ich finde, das ist eine gute Einstellung! Ich erinnere mich gern an den Tag zurück, als ich Euch das erste Mal als Support von Joe Bonamassa live erleben durfte. Damals dachte ich, » Unglaublich, da bucht der großartige Bonamassa die HFB«. Wie entstand die Zusammenarbeit? Was hast Du von dieser Tour mit Joe für Dich mitgenommen? Steht Ihr weiterhin in Kontakt?
Henrik: Na ja, im Endeffekt war es genau so, wie du es sagst. Dank Peter Sommer vom WDR Rockpalast, habe ich von Joe Bonamassa schon sehr früh gehört, da kannte ihn hier noch fast niemand. Ich war von Anfang an sehr begeistert von seiner Musik und ersteigerte mir so nach und nach alles Mögliche bei eBay USA von ihm. 2006 hatte ich dann die Möglichkeit, ihn auf dem Schöppingen Bluesfestival persönlich kennen zu lernen. Er hatte uns spielen gehört und machte mir ein großes Kompliment, was ich natürlich nur zurückgeben konnte. Jedenfalls kamen wir ins Gespräch und haben uns wirklich nett über dies und das unterhalten. Joe hatte dann die Idee, uns bei seiner Deutschland- und Schweiz-Tour im Vorprogramm auftreten zu lassen. Das war für uns eine große Ehre und eine riesige Möglichkeit. Wir haben auf sieben Konzerten über 500 CDs verkauft und viele neue Fans für uns gewinnen können. Ich konnte ein paar nette Kontakte zu verschiedenen Veranstaltern aufbauen, und absolut krönend waren natürlich die privaten Gemeinsamkeiten rund um die Tour. Joe ist ein sehr großzügiger, humoriger, menschlicher Typ. Es gab immer etwas zu lachen, wir haben Adressen und Telefon-Nummern ausgetauscht und stehen weiter in Kontakt, vielleicht treffe ich ihn bei seinem Konzert in Hamburg. Das würde mich freuen.
Henrik FreischladerRockTimes: Oh ja, das kann ich mir gut vorstellen und hoffe für Dich, dass es klappt! Kürzlich habt ihr bei einem Bluesrockfestival in Polen und etwas später sogar an einem Event in Kanada teilgenommen. Wie wurde Eure Musik außerhalb Deutschlands aufgenommen? Wird die HFB künftig öfter in Übersee präsent sein?
Henrik: Polen war ein astreiner Gig! Das Konzert war spitze und wir werden vielleicht eine längere Tour durch Polen starten…das steht aber noch nicht fest. Die beiden Gigs in Kanada mussten wir stornieren, da gab es Schwierigkeiten mit der Organisation. Das wäre zu stressig und auch viel zu teuer für uns geworden. Natürlich würden wir gerne auch in Übersee spielen, aber das ist von Deutschland aus nicht so einfach zu organisieren. Aber wer weiß, wir arbeiten dran!
RockTimes: Bei Euren Konzerten wird die Meinung der Fans immer lauter, dass es an der Zeit ist eine DVD zu produzieren. Hast Du Dich mit den Gedanken auch schon beschäftigt?
Henrik: Selbstverständlich. Meine Vorstellungen sind sehr konkret. Da man dafür aber Zeit und Ruhe braucht, damit ein rundherum zufriedenstellendes Ergebnis gewährleistet ist, wurde da bisher noch nichts draus. Die Gelegenheit wird sich irgendwann anbieten! Ich bin nicht der Typ, der eine DVD um der DVD willen auf dem Markt haben will, das sollte dann doch alles in sehr professionellen Händen sein.
RockTimes: So hätte ich Dich auch eingeschätzt, Qualität statt Quantität. Ich glaube die Fans können warten und wollen sicher eine DVD der HFB in absoluter Spitzenqualität. Henrik, bei Dir sind mir auch einige Merkmale aufgefallen. Zum Beispiel, dass man Dich selten ohne Kopfbedeckung antrifft. In meinem ersten Gig-Bericht habe ich Dich als Mützenfetischist beschrieben. Gibt es vielleicht noch andere 'Eigenarten' von Dir, über die Du selber schmunzeln kannst?
Henrik: Mützenfetischist eher nicht, aber wenn man keine Matte auf dem Kopf hat (schmunzelt), dann kann es da oben schon mal empfindlich kühl sein. Es hatte ursprünglich einfach praktische Gründe, aber inzwischen ist es sicher so eine Art Markenzeichen geworden, da hast Du Recht. Ansonsten trage ich seit Urzeiten die gleiche Lederjacke, mag alte Autos und alte Armbanduhren und sammle - rate mal - richtig: alte Gitarren!!!! (lacht herzhaft)
Henrik FreischladerRockTimes: Ohh, da haben wir glatt eine Gemeinsamkeit, wobei ich altes Kunstglas sammle. Sag mal Henrik, welches war Dein letzter Gig bei dem Du selbst nur Gast warst? Gibt es vielleicht einen Musiker/Band bei dem Du, wenn es Deine Zeit erlaubt, unbedingt dabei sein möchtest?
Henrik: Das letzte Konzert, das ich als Gast erlebt habe, war ein Auftritt von Carl Carlton. Hat mir ausgesprochen gut gefallen, besonders Wizard am Bass und Moses Moore an der Gitarre, beide auch bei Mother's Finest! Ansonsten Gary Moore, Gary Moore, Gary Moore! Das Übliche, das kennt ihr ja schon (die Laune wird immer besser!)
RockTimes: Hmm… Themenwechsel. Ich hatte mal gelesen, dass Du Englisch und Theologie studierst. Bei Theologie liegt der Verdacht nah, dass Du ein gläubiger Mensch bist. Hast Du beides zu Ende studiert? Ist es vorstellbar, dass es zukünftig einen rockenden Religionslehrer Freischlader geben könnte?
Henrik: Nein, sicher keinen rockenden Religionslehrer, aber einen religiösen Blueser natürlich immer. Ich hatte da eine sehr ehrliche Erziehung in einer religiös geprägten Familie. Das wurzelt natürlich tief und hält dich auch irgendwie immer auf der richtigen Spur. Da möchte ich nichts missen, aber das Studium musste ich im vergangenen Jahr auf 'Pause' stellen. Ob ich es allerdings noch einmal werde aufgreifen können, bezweifle ich sehr.
RockTimes: Ich glaube den Fans wird's recht sein, wenn Du Dich voll auf Deine musikalischen Fähigkeiten konzentrierst. Lass uns mal in die Glaskugel schauen. In 30 Jahren wirst Du vermutlich soviel erlebt haben, dass ich mir gut vorstellen kann, dass es dann die 'Henrik Freischlader-Biografie' geben wird. Auch für Dich vorstellbar?
Henrik: Lachend… Wenn Du sie dann schreibst… (Nun muss auch ich lachen und überlege kurz, ob ich dass 'Angebot' annehmen soll)
RockTimes: So Henrik, es hat mir viel Spaß bereitet, Dich in die 'Mangel' zu nehmen! Aber eine abschließende Frage muss ich noch stellen. Eine, die Du wahrscheinlich ständig beantworten sollst. Warum hast Du die deutsche Blueshauptstadt Wuppertal verlassen und Kiel als Deine Wahlheimat ausgewählt?
Henrik: Tja, das ist inzwischen ja kein Geheimnis mehr: Was sollte ich machen, sie war die Richtige! (fröhlich schmunzelnd). Kiel ist eine wunderschöne Stadt, aber Wuppertal habe ich als 'gefühlte' Heimat auch nicht wirklich verlassen. Man kann an vielen Orten zuhause sein. In Wuppertal haben wir eine ganze Menge bewegt, das war sehr spannend. Inzwischen gibt es wieder viel Interesse am Blues und man knüpft an vergangene Zeiten an. Das freut mich sehr.
Externe Links: