Wir haben es hier bereits mehrfach angedeutet - Joe Bonamassa ist einerseits wohl der neue Stern am Gitarrero-Bluesrockhimmel, andererseits sorgt er aber auch für erstaunlich gespaltene Meinungen.
Was habe ich nicht inzwischen alles über seine ersten Deutschland-Gigs 2004 gehört. Das reicht von "wortkarg und null Show" bis "hat sich den sprichwörtlichen Arsch abgespielt". Und das gleiche Spiel scheint sich 2 Jahre später zu wiederholen. Jetzt wird seine bisherige Rhythmusfraktion vermisst, eine zu statische und sich wiederholende Setlist bemängelt und dem jungen Helden eine gewisse Arroganz attestiert. Darüber hinaus vergaloppiere er sich in seiner musikalischen Ausrichtung.
In allen Punkten muss ich nach unserem Besuch am 20.04.2006 im Bremer Blues Club 'Meisenfrei' relativ deutlich widersprechen bzw. eine Gegenposition einnehmen.
Fangen wir doch gleich mit dem letzten Punkt an - die musikalische Ausrichtung.
Letztes Jahr formulierte ich diese Thematik folgendermaßen:
"Dies ist ganz klar und eindeutig eine Rockveranstaltung, mit dem Blues der grauen Vorzeit als Urahne im Nebel der vergangenen Zeiten".
Dem ist auch im Hier und Jetzt nichts hinzuzufügen. Punkt!
Und ansonsten?
Zusammen mit seinen neuen Rhythmikern Mark Epstein (Bass) und Bogie Bowles (Schlagwerk) harmoniert Joe Bonamassa meines Erachtens ganz hervorragend und lässt somit den Gig zu einer absolut runden Sache werden. Vor allem das Interplay mit Mark Epstein sorgt zuweilen für furiose Momente.
Die Setlist hat sich gegenüber letztes Jahr immerhin um 5 Songs verändert, davon sind allerdings tatsächlich nur 2 vom neuen Album You & Me ("Bridge To Better Days" und "Asking Around For You"). Darüber hinaus spielen Joe und seine Mannen die Stücke in teilweise abgeänderten Arrangements und verleihen ihnen einen im Vergleich ganz anderen, eigenen Stempel.
Und schließlich bleibt festzuhalten, dass Joe nach Ende des in der Tat recht kurzen Konzerts (gut 90 Minuten) sehr locker am vorderen Bühnenrand Konservation und Fanpflege betreibt, um letztlich knapp nach Mitternacht auf den Freiluftplätzen direkt vor dem Club auszuchillen und einen kleinen Small-Talk mit meiner Wenigkeit abzuhalten, der ich ihn letztes Jahr an gleicher Stätte interviewt hatte.
Auch dieses Konzert ist, wie wohl alle Spielstätten der diesjährigen Deutschlandtour, restlos ausverkauft. Ein Indiz dafür, dass Bonamassa die Blues grundierte Rockmusik erfolgreich in das 21te Jahrhundert transferiert hat.
Einen ersten Beleg dafür liefert er bereits im Opener der Show ab, wobei ich jetzt durchaus bewusst die Begrifflichkeit 'Show' verwende, doch dazu später mehr.
Blind Faiths' "Had To Cry Today" wird geradezu genüsslich in seine Strukturen zerlegt, die dann nach eigenen Vorstellungen umgebaut werden, um ihnen auf diese Weise neues Leben einzuhauchen. Furiose erste 10 Minuten und bereits ein deutlicher Hinweis darauf, dass Joe mit seinen neuen Mitstreitern nichts falsch gemacht hat. Mir fällt auf, dass bei aller gewohnten Gitarrenwechselei die gute alte 'Gibson Les Paul' ziemlich häufig zum Einsatz kommt. Dabei gemahnt Joe Bonamassa freilich immer noch an seine diversen Vorbilder wie B.B. King, Eric Clapton oder Jeff Beck, aber in meinen Ohren nähert er sich tatsächlich einem eigenen Ton und Profil, zu dem mensch natürlich stehen kann wie er will. Und dieser Stil zeichnet sich weniger durch Zwischentöne und besonders große Feinfühligkeit aus, sondern mehr durch spektakuläre Läufe und teilweise irrem Tempo bei immer sauberem Spiel.
Ja, hier haben wir sie, die Show! Ob nun "Blues Deluxe", "A New Day Yesterday" mit eingeschobenem "Spoonful"-Teil (natürlich kennen alle BesucherInnen zumindest die Cream-Version des Willie Dixon-Klassikers), übrigens wieder ein Paradebeispiel dafür, wie hier fremde Vorlagen derart uminterpretiert werden, dass dabei nahezu vollständig neue Songs entstehen, oder der atemberaubende Akustikset mit "Miss You Hate You", "Woke Up Dreaming" und dem Anfang von "The River", wo Joe teilweise in beängstigender Geschwindigkeit über die Saiten jagt, ohne je unsauber zu werden (habe ich so definitiv noch nie gehört!), hier steht im gewissen Sinne der Effekt, die Leistungsschau im Vordergrund.
Aber der Mann kann auch anders. Er schafft es in beeindruckender Manier, seinem Instrument unglaublich zärtliche Töne zu entlocken, streichelt die Saiten, zerrt sanft an ihnen, quetscht überaus vorsichtig, wird immer leiser und leiser, bis schließlich das Gesamtkunstwerk geradezu explodiert. Kein Zweifel, als Gitarrist kann einem Joe Bonamassa kaum jemand etwas vormachen, er hat einfach alle Kniffs und Tricks drauf und ist auf dem besten Wege, auch Gefühle und Emotionen über sein Instrument transportieren zu können.
Darüber hinaus weiß er als Sänger mehr als zu überzeugen. Seine vokalistische Performance ist an diesem Abend einfach nur exzellent. Klar im Ausdruck (anders als im Gespräch!), rau und kernig in der Kehle, hier wird richtig geshoutet, dass fast das Mikro zum überflüssigen Accessoire degeneriert. Und wer spätestens beim Monsterboogieset von "The River" und "Burning Hell" mit seinen geilen Slide-Exkursionen nicht völlig ausflippt, ist definitiv auf der falschen Veranstaltung.
Bleibt also festzuhalten, dass meines Erachtens der junge Gitarrero sehr wohl mindestens einen Schritt nach vorne gemacht hat, mittlerweile an Instrument, mit Stimme und Arrangement eine hochgradig professionelle und qualitativ hoch einzuschätzende Performance abliefert und somit tatsächlich als eine Art Speerspitze des 'New Bluesrock' betrachtet werden darf. Zumindest wenn er immer in der Form spielen sollte, die er offenbar in Bremen zuverlässig an den Tag legt. Aber Bremen ist halt auch wirklich eine inspirierende Stadt mit einem tollen Musikclub!
Setlist:
1. Had To Cry Today
2. Walk In My Shadows
3. Blues Deluxe
4. Mountain Time
5. Bridge To Better Days
6. A New Day Yesterday/Spoonful
7. Miss You Hate You (Acoustic)
8. Woke Up Dreaming (Acoustic)
9. The River
10. Burning Hell
11. Encore: Asking Around For You
Joe Bonamassa, Bremen, Meisenfrei, 20.04.2006
Olaf "Olli" Oetken, 10.05.2006
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