Oli Brown / 18.05.2012, Quasimodo, Berlin
Support: WellBad
Quasimodo
Oli Brown, Support: WellBad
Quasimodo, Berlin
18. Mai 2012
Stil: Blues Rock
Fotos: Holger Ott


Artikel vom 27.05.2012


Mike Kempf
Oli Brown Der 18. Mai sollte für mich in vielerlei Hinsicht ein außergewöhnlicher Arbeitseinsatz für unser Magazin werden. Zum einem outete sich mein Kollege Holger, indem er mir mitteilte, dass er sich ab und zu ein Wellness-Wochenende mit ausgiebigem 'Plantschen' in Wellenbädern gönnt. Vielleicht auch ein Grund, dass er es war, der kürzlich das Debütalbum Beautiful Disaster von der Hamburger Combo WellBad rezensierte und die musikalischen 'Nordlichter' dabei recht gut abschnitten. Da passte es wie der Deckel auf den Topf, dass diese Band als Support vor Oli Brown auftrat. Zum anderen wurde mir einmal mehr bewusst, wie wichtig es ist, sein Handy stets bei sich zu haben. Denn dieses lag nichtsnutzig daheim rum, bis es vom Management Browns geweckt wurde, um uns mitzuteilen, dass wir uns um 20:00 Uhr in deren Hotel bezüglich eines vereinbarten Interviews einfinden sollten. Über einige Umwegen erreichte uns gerade noch rechtzeitig die Nachricht, um den britischen Ausnahmegitarristen pünktlich in die Mangel zu nehmen. Mehr dazu in einem gesonderten Bericht. Doch der Abend sollte für mich noch weitere Überraschungen parat haben.
Oli Brown Familie Spießberger, Betreiber des weit über die Grenzen Deutschlands bekannten Blues- und Jazzclubs, hatte für eine optimale Berichterstattung unsererseits alles bestens arrangiert, sodass wir, ob beim Einfangen diverser Schnappschüsse des Doppelkonzertes oder beim Filmen einiger Clips, vor dem wir uns selbstverständlich vorab die Erlaubnis der Künstler einholten, völlig frei bewegen konnten. An dieser Stelle ein großes Dankeschön!
WellBad Wir resümierten gerade völlig relaxt das eben erlebte Interview mit Oli Brown, als uns ein aufmerksamer Mitarbeiter des Clubs heftig zuwinkte, um uns mitzuteilen, dass sich WellBad im Backstage eingefunden hatten und nun für ein Interview zur Verfügung stünden. Doch wie sollten wir das um 22:00 Uhr, eine halbe Stunde vorm Startschuss noch bewerkstelligen? Wir wollten unsere Filetplätze auf keinen Fall mehr hergeben! Zwei nette Damen, die sich direkt hinter uns platzierten, opferten sich als Wachhunde für unser Equipment, damit wir uns mit ruhigem Gewissen ins nächste Interview stürzen konnten. Auch hierüber wird es einen gesonderten Bericht geben und bei der Gelegenheit, ein weiteres großes Dankeschön an die unbekannten Ladies!
WellBad Wir hatten eben noch schnell das beliebte Frage- und Antwortspiel beendet, als wir gerade so unsere gut bewachten Plätze wieder einnahmen und schon stand das hanseatische Trio direkt vor uns auf der Bühne, um den Anwesenden ein paar Songs von seiner neuen Platte zu präsentieren. Doch während sein aktueller Tonträger, da pflichte ich Holger uneingeschränkt bei, sich ziemlich gut anhört, war die Live-Vorstellung mit vier ausgewählten Stücken, wahrlich keine Offenbarung. Im Gegenteil, der Schuss ging leider nach hinten los, denn ohne Bass und Drums, auch nur als Bruchteil des aktuellen Line-ups, fehlte jeglicher Druck, um bei den Fans für Furore zu sorgen. Zwar applaudierte das Publikum artig, aber nur zwecks des gewonnenen Eindrucks, sich hier eine blutjunge, unerfahrene Kapelle reinzuziehen. Ein weiteres Manko war, und dafür konnte die Band wahrlich nichts, dass die Regler des Mischpults der Band nur auf Sparflamme eingestellt waren und daher nicht annähernd die wahre Qualität der Band zum Vorschein brachten. Deshalb mein Tipp an alle Nörgler: Hört euch das Album an, es ist um einige Klassen besser, als der Berlin-Auftritt. Für mein Empfinden konnte zumindest Sänger Daniel Welbat mit starker Mimik bei seinen Gesangsvorträgen punkten, die mich zum Teil stark an Ray Charles erinnerten.
Oli Brown Es bedurfte nur einer kurzen Umbauphase, bis der mit naturgelocktem Haar gesegnete Oli Brown mit seiner Telecaster im Schlepptau die Bühne betrat. Dicht auf seinen Fersen folgte ihm Schlagzeugexperte Wayne Proctor, der in der Vergangenheit fast alle Edelgitarristen begleitete, die bei Ruf Records unter Vertrag standen oder noch aktuell stehen. Zu guter Letzt enterte Fliegengewicht und Viersaitenzupfer Scott Barnes, der mich rein äußerlich stark an den ehemaligen Berliner Filigrantechniker des deutschen Fußballs, Pierre Littbarski, erinnerte, die Holzplanken des Clubs.
Oli Brown Hier bin ich! Treffender hätte das Motto des Berlin-Konzerts des britischen Bluesjuwels gar nicht sein können, denn mit Here I Am begann eine Brown-Vorführung, die fortan mit extrem genialen Gitarrenwirbeln brillierte, mit tollen Showeinlagen gespickt war, einer Rhythmusfraktion, die Oli unermüdlich voran trieb und dieser sich auch gern von ihm in den Allerwertesten treten ließ, um zur Höchstform aufzulaufen. Kein Wunder, dass das Trio zum Ende hin das Quasimodo in ein wahres Tollhaus verwandelte. Sicherlich auch ein Grund, warum die Kapelle neben dem üblichen Zugabenblock noch einen zweiten folgen ließ, obwohl die erklingende Hintergrundmusik das eigentliche Ende zu prophezeien versuchte. Es war eine gute Entscheidung, denn niemand unter den Zeitzeugen hegte den Gedanken, den Club früher zu verlassen. Dazu war die Combo einfach zu stark, bewies Schlagzeug-Anästhesist Proctor, zu welch gewichtiger Größe er in seiner Zunft herangereift ist und selbst Ersatzbasser Barnes, der kurzfristig für Ron Sayer einsprang, trug ebenso seinen Teil zum Gelingen des Auftritts bei, wie der Bandchef selbst. Trotzdem, es war Oli Brown höchstpersönlich, der die meisten Highlights des Freitagabends setzte, indem er mit seiner extravaganten Handakrobatik mehrmals zu Soli ansetzte, die nicht nur mich in Verzückung geraten ließen, sondern den ganzen Schuppen mit einer einzigartigen, sphärischen Faszination überzogen, die selbst für den Berliner Kultclub nicht alltäglich ist.
Oli Brown Als Oli seine Telecaster, die er an diesem Abend nicht mehr wechselte, mit einem Gitarrensender ausstattete, ahnte ich, was kommen würde. Er marschierte schnurstracks ins Publikum und ließ fast jeden Fan hautnah an seinen Gitarrenkünsten teilhaben. Und während das Publikum die Showeinlage mit frenetischen Jubelarien begleitete, übermannte mich ein eigenartiges Gefühl, denn was hatte ich bei meiner "Here I Am"-Rezension geschrieben? Ich zitiere mich selbst: »Erwartungsgemäß ist die CD, auch wenn diesmal etwas an Dynamik herausgenommen wurde, von nicht minderer Qualität als die Vorgängerplatten.«.
Oli Brown Nein, so kann ich es für diesen Abend nicht stehen lassen! Noch nie hatte ich einen stärkeren Oli Brown erlebt, als an diesem Tag! Bezüglich der Anmerkung meiner Kritik seiner neuesten Tonkonserve, strafte mich der Ausnahmemusiker Lügen und ließ es in keiner Phase des Gigs, obwohl er mit zahlreichen Songs von "Here I Am" u. a. "Thinking About Her", "Manic Bloom", "You Can Only", "Devil In Me", den Weichspüler "I Love You More Than" und "You'll Ever Know" präsent war, an Dynamik fehlen.
Was ich eigentlich schon immer wusste, dass ein Live-Erlebnis selten eine Platte ersetzen kann, hatte sich einmal mehr eindrucksvoll bestätigt. Und, wer sich kein Ticket für einen gigantischen Blues Rocker wie zum Beispiel Joe Bonamassa leisten kann oder will, der hat mit Oli Brown und Co. eine glänzende Alternative, denn für läppische 17 Euro Eintritt an der Abendkasse wurde dem Publikum in etwas über zwei Stunden Blues Rock der Extraklasse geboten, dessen Qualität ich problemlos der Kategorie 'Champions-League' einordnen kann.
Line-up:
Oli Brown (vocals, guitar)
Scott Barnes (bass)
Wayne Proctor (drums)
WellBad    Oli Brown    WellBad
Oli Brown    Oli Brown    Oli Brown    Oli Brown
Oli Brown    Oli Brown    Oli Brown
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