Oli Browns letzte Neuerscheinung Heads I Win Tails You Lose hatte bei mir für reichlich positive Nachwirkungen gesorgt. Da passte es wunderbar, als das Schicksal es mit mir gut meinte und den britischen Edel-Blueser im Berliner Quasimodo auftreten ließ.
Dass der Gig an einem Mittwoch stattfand und am nächsten Morgen der Wecker mich gnadenlos zur Arbeit scheuchen würde, konnte mich nicht abschrecken, denn solch einen großartigen Musiker darf man sich nicht entgehen lassen und so durchschritt ich gegen 21.00 Uhr die Eingangstür von Berlins renommiertem Rockschuppen.
Die Zeit, die bis zum Anfang des Gigs übrig blieb, wurde mit viel Fachsimpelei unter den Anwesenden genutzt. Wobei ich mit Viktor, Lutz und Micha drei Mitarbeiter des neuformierten TV- und Radiosenders '60 Minuten in Berlin' kennen lernte und speziell Viktor mir viel von ihrem Erreichten und den Zukunftsplänen erzählte. Fotograf Lutz Müller-Bohlen bot sich spontan an, unserem Magazin seine tollen Schnappschüsse des Konzertes zur Verfügung zu stellen. Im Namen von RockTimes: Vielen Dank, Lutz!
Gegen 22.30 Uhr war es dann soweit, Brown betrat im feinen Nadelstreifenzwirn die Holzplanken des Quasimodo und hatte den Bassisten Roger Inness sowie den Drummer Simon Dring im Gefolge. Diese ebneten ihrem Boss in den folgenden zwei Stunden rhythmisch den musikalischen Weg. Für weitere künstlerische Improvisationen des Gigs war der Youngster selbst verantwortlich. So bediente er einen Gitarrensender, der ihm letztlich alle Freiheiten gewährte, um jeden Quadratzentimeter des Clubs voll auszunutzen. Natürlich wurde viel von seiner neusten Tonkonserve zum Besten gegeben, aber auch Songs aus seinem Debütalbum Open Road, wie z.B. "Stone Cold (Roxanne)", das auch gleichzeitig zu den Highlights des Abends zählte, wurden gespielt. Highlight deshalb, weil er einen Teil ohne Mikro sang und zum anderen weil er eine Besucherin nach ihren Namen fragte, den sie mit »Kathy« beantwortete. Folglich sang er statt »Roxanne« nur noch »Kathy« und sorgte mit dieser Showeinlage für eine allgemeine Heiterkeit. Es war aber nur ein Höhepunkt unter vielen.
Ob kräftige Blues Rock-Attacken oder softer butterweicher Blues, Brown wusste bei jedem Lied voll zu überzeugen. Dazu wirkte er immer gut gelaunt und dürfte schon rein optisch vor allem bei dem weiblichen Anhang stark gepunktet haben.
Doch die meiste Zeit imponierte er mit erstklassigem Songmaterial, so, als er z. B. den Oldie "Fever" in eine seiner Eigenkompositionen integrierte, um dann fast unbemerkt in "Speechless" herüberzugleiten. Ebenfalls sehr auffällig, dass er sein Plektron nicht wie üblich zwischen den Fingern hielt, sondern sich das Teil wie Nils Lofgren über den Daumen zog. Dadurch wirkten seine Soli unheimlich flüssig und spielerisch leicht! Alles in allem erinnerte mich sein Stil an den jungen Stevie Ray Vaughan.
Eine große Hausnummer hinterließ Roger Inniss an seinem Sechssaiter, wobei es sich hierbei nicht um eine der üblichen E-Gitarren handelte, sondern um seinen Bass! Das Bass-Brett war dermaßen fett, dass man vermuten konnte, er könnte ihn auch bei einem Tennismatch einsetzen. Doch anders als viele Tieftonspezialisten, die fast nur die ersten drei Saiten zur Taktvorgabe bedienen, zelebrierte Inniss ein Solo, das ich nur als absolute Spitzenklasse bezeichnen möchte. Anschließend durfte sich auch noch Simon Dring an seinem Kraftwerk austoben und setzte ebenfalls eine respektable Duftnote.
Zum Schluss hatte Oli noch ein Schmankerl parat! So verließ er die Bühne, positionierte sich vor unserem Tisch und versetzte uns mit seinen Soli fast in Trance. Allerbestes Foto- und Filmmaterial! Nur musste ich aufpassen, dass ich vor Begeisterung nicht in seine Klampfe fiel! Danach schlenderte er durch den gesamten Club und ließ jeden Anwesenden hautnah an seinem außergewöhnlichen Gitarrenspektakel teilhaben! Letztlich waren sich alle einig, bei einem denkwürdigen Konzert dabei gewesen zu sein und hatten nur noch den Wunsch sich mit seinen beiden Alben einzudecken. Dass es hier durchaus von Vorteil sein kann, wenn man dem weiblichen Geschlecht angehört, bewies Stammbesucherin Steph, als sie unter dem Ladentisch eine tolle Fotografie Browns mit entsprechender Widmung erhielt!
Line-up:
Oli Brown (vocals, guitar)
Roger Inniss (bass)
Simon Dring (drums)
Bilder vom Konzert
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