»Wenn man diese Platte der zweitwichtigsten Frau eines Mannes vorspielt, wird sie der Tochter sagen "Nimm ihn", um im nächsten Augenblick schützend den Arm um's Kind zu legen«. So schloss Redakteurskollege Ulli Heiser seine Besprechung zum Album Penumbra Diffuse im Jahr 2006. Nun, was folgere ich daraus, nachdem ich mehrmals "Cortical Tectonics" gehört habe? Ich kenne den Vorgänger nicht, bin jedoch beeindruckt, mit welcher Gewalt bei gleichzeitiger Filigranarbeit die drei Musiker hier zu Werke gehen.
So heißt der Eröffnungstrack "Berserker Hypothesis" und ich höre genauestens hin, was der Schlagzeuger Hunter Ginn fabriziert. Respekt, schnell, passgenau, knallende Doublebasses und höchst impulsive Beckenarbeit. Dazu gibt es herrliches Gitarrengefrickel für den, der es mag. Denn schon jetzt müsste dem Leser klar sein, dass diese Scheibe in weiten Teilen extrem ist. Die Musik muss schon etwas Besonderes sein, wenn man rein instrumental punkten möchte.
Ja, Canvas Solaris punkten auf alle Fälle, denn dieser sog. Tech Metal ist eine Sparte, die außerhalb jeglichen Mainstreams bzw. sonstiger gewohnter Sparten liegt. Progressiv allemal wechselt die Formation nicht nur oft das Tempo und variiert die punktuellen Betonungen, sondern erweckt bei genauem Hinhören einen abwechslungsreichen Eindruck. Die Gitarren spielen ausgefeilte, verfrickelte Soli, werfen im nächsten Moment, wie zum Beispiel in "Sinusoid Mirage", insbesondere in der rhythmischen Gitarrenarbeit umwerfende Schwergewichte aufs Parkett.
Es geht auf dem neuesten Output von Canvas Solaris nicht nur zünftig zu. Beinahe atmosphärisch gleiten die Jungs musikalisch bei "Interface" dahin, lassen von ihrer Genialität dabei nichts vermissen. Die Drum-Arbeit verzückt durch tolle Wirbel auf den Toms, die eingesetzten Synthies werden sehr geschmackvoll und dezent in Szene gesetzt. Was die Elektroniker üblicherweise als Melodie auf den obersten Tasten bringen, spielt hier die Gitarre.
Neben "Gamma Knife" mit immerhin acht Minuten bekommen wir auch einen echten Longtrack geboten. "Reticular Consciousness" dauert satte 17 Minuten, von denen die ersten drei Minuten von heftigem Metal bestimmt werden. Dann wird es urplötzlich ruhig und anschmiegsam. Das Ganze gipfelt in spacigen und stellenweise psychedelischen Sounds und verdeutlicht spätestens in seinem Übergang zum zurückkehrenden Metal-Part, dass Canvas Solaris vor allen Dingen eines beherrschen: Alle Kompositionen sind stimmig und verfügen über ein imposantes Feintuning.
Dieses Instrumentalalbum ist über weite Strecken sicherlich nichts für schwache Nerven, aber ein echter Feinschmeckerhappen für ambitionierte Musiker und Fans von ausgefallener, heftiger Metal-Mucke, die einfach mal etwas Anderes und Interessantes wollen. Aus dieser Sicht ein geiles Album!
Line-up:
Nathan Sapp (guitars, guitar synthesizer, synthesizers)
Ben Simpkins (guitars, bass, keyboards)
Hunter Ginn (drums, e-piano)
Tracklist |
01:Berserker Hypothesis (3:55)
02:Sinusoid Mirage (6:58)
03:Interface (5:41)
04:Gama Knife (8:02)
05:Rhizome (4:19)
06:Reticular Consciousness (17:03)
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