Als ich mich 2009 auf Grund eines Lesertipps um Spirits bemühte, war mein frommer Wunsch nach der Rezension dieser Scheibe folgender:
»Bleibt zu hoffen und zu wünschen, dass sie es endlich schaffen, auch über die Landesgrenzen hinaus ihren Bekanntheitsgrad weiter ausbauen zu können, verdient hätten sie es wirklich.«
Nun, irgendwie hab ich den Eindruck, dass sich an dem Status der Band nichts geändert hat, diese immer noch auf der gleichen Stelle tritt. Seit 1997 veröffentlichen Cheap Wine konstant ihre Alben. Laut Waschzettel wurde das von mir mit einem 'Tipp' bedachte "Spirits" in Italien sogar zum 'Rockalbum of the Year 2009' gekürt. Tja, und was hat's gebracht? Nichts! Außer Spesen nichts gewesen. Die Scheiben kann man nach wie vor nur als schweineteure Importe erwerben, und wenn ich mir ihren Tourkalender so anschaue, scheinen sie ihre Konzerte überwiegend vor der eigenen Haustür - also in Italien zu absolvieren.
Das verstehe, wer will!
Mit "Spirits" haben die Italiener die Messlatte sehr hoch gelegt. Als ich vom Bandmanagement nun die 2012er Platte zugeschickt bekam, war ich deshalb gespannt wie ein Flitzebogen, ob sie die 2009er Scheibe noch toppen können (2010 wurde mit "Stay Alive" ein Doppelalbum, eine Art 'Best Of' auf den Markt gebracht).
Ein Blick in das Booklet verrät - es gibt einen Neuzugang, Alessio Raffaelli, zuständig für Piano, Keyboards und Akkordeon. Zwar hatte man beim Vorgänger ebenfalls einen Musiker, der Piano und Keyboards bediente. Alessandro Castriota fungierte aber 'nur' als Gastmusiker. Raffaelli ist jedoch ganz offensichtlich als festes Mitglied ins Bandgefüge integriert worden.
Was bedeutet das für die Musik?
Mein erster Höreindruck: Piano und Keyboards haben einen breiteren Raum eingenommen.
Der Opener, "Breakaway", knallt noch in altbewährter Weise und lässt mich ab und zu an die Sand Rubies denken.
"Waiting On The Door", mit zarter Keyboarduntermalung, schmeichelt das Ohr, hat sogar ein bisschen was von den Dire Straits. Selbst Marcos Stimme ist der von Knopfler hier nicht ganz unähnlich.
Bei "Lovers Grave" kommt das Piano zum ersten Mal verstärkt zum Einsatz. Ob nun zur Untermalung im Refrain oder zur Unterstützung der Gitarrensoli, es wirkt jedoch nicht störend, sondern dient eher zur Bereicherung des Songs.
"Give Me Tom Waits" - ein Boogie - hier haut Alessio Raffaelli ebenfalls bei den Soli kräftig in die Tasten. Da passt einfach alles.
Und weiter geht's: Ob nun zum Country ("The Big Blow") getanzt wird, ob wir uns in einer Bar einen Drink genehmigen und zu "Based On Lies" swingen, ob wir gerade Heimweh haben und zu "On The Way Back Home" schluchzen (eine Wahnsinnsballade übrigens und gerade tropfen schon wieder die ersten Tränchen), das Album fällt nicht ab, im Gegenteil, die Band steigert sich auf dieser Platte von Song zu Song und lässt eine verblüffte Rezensentin sich die Frage stellen, wie so etwas möglich ist.
Ich überlege schon die ganze Zeit, an wen oder was mich "Lost Inside" erinnert. Hier lässt die Band nichts anbrennen, es groovt gewaltig aus den Boxen - und - jetzt fällt es mir wieder ein: "Primevil Love" von den Sand Rubies, ja klar - nur ohne Piano oder Keyboard.
Schlau wie man ist, hat man nicht gleich am Anfang schon sein ganzes Pulver verschossen.
Denn wer bis jetzt noch nicht vollends von dem Album überzeugt war, der wird mit "The Vampire" wirklich eines Besseren belehrt werden. Was die Band mit diesem Song abgeliefert hat, ist eine kleine Meisterleistung. Eingeleitet wird mit einer Akustikgitarre. Bass, Keyboard und E-Gitarre fallen nach und nach ein und untermalen Marcos tolle Stimme:
»Well, I'm fine with the stormy weather. When the light is dimmer than ever.
When the town is black and white and the moon tries to hide.
And I'M far away from home…«
Dann steigt Alan Giannini ein und trommelt sich die Seele aus dem Leib, treibt die Bandkollegen zu Höchstleistungen an. Damit erfährt das Stück natürlich eine gewaltige Steigerung. Marcos Gesang wird richtig dramatisch. Himmel und Hölle, wer jetzt nicht schwach wird, dem ist nicht mehr zu helfen.
Den Abschluss bildet ein tolles E-Gitarrensolo (und, man ahnt es schon), wieder untermalt vom Piano, das sich am Ende mit leisen Tönen 'verabschiedet'.
Das Stück könnte Cheap Wines Stairway To Heaven werden.
Wer glaubt, das Album flacht nun ab, der irrt gewaltig. Auf dem gleichen Level wie "The Vampire" ist auch "To Face A New Day" (eine Halbballade mit Southern-Einschlag) sowie das Country-angehauchte "The Stone". Mit diesem Stück, dem Michele Diamantini mit dem Banjo den letzten Schliff verpasst, 'reitet man zur Tür hinaus'.
Die Jungs verstehen ihr Handwerk, das ist nicht zu überhören. Die Diamantini-Brüder sind richtige Multiinstrumentalisten. Sänger Marco spielte z. B. auf "Spirits" E-Gitarre, Akustikgitarre und Harmonika. Michele bedient neben der E- und Akustik-Gitarre auch Electric Slide, Acoustic Slide, Dobro, Mandoline und Banjo. Die beiden letzten Instrumente kamen nun auf "Based On Lies" zum Einsatz.
Ein bissel schmerzlich vermisse ich die Slide und auch die Harp ist ebenfalls kaum zu hören, die den Stücken auf "Spirits" diesen Blues Rock-, Americana-Touch verpassten. Vielleicht wäre diese Platte damit aber auch zu sehr überladen worden, wer weiß. Denn "Based On Lies" ist wiederum ein sehr abwechslungsreiches Album geworden, auf dem sich die Band mal von einer anderen, nämlich ruhigeren Seite zeigt. Alles in allem vergleiche ich diese Scheibe mit der Hammerplatte "Return Of The Living Dead" von den Sand Rubies.
Über 51 Minuten lang Hörgenuss pur und eine ganz dicke Kaufempfehlung!
Ob Cheap Wine damit nun endlich den Durchbruch schaffen? Ich gebe die Hoffnung einfach nicht auf.
Line-up:
Marco Diamantini (vocals, harmonica)
Michele Diamantini (electric guitar, acoustic lead guitar, mandolin, banjo)
Alan Giannini (drums, percussion)
Alessandro Grazioli (bass)
Alessio Raffaelli (piano, keyboards, accordion)
Additional players:
Claudio Damiani (backing vocals)
Marta Grazziani (backing vocals)
Tracklist |
01:Breakaway
02:Waiting On The Door
03:Lovers Grave
04:Give Me Tom Waits
05:The Big Blow
06:Based On Lies
07:On The Way Back Home
08:Lost Inside
09:The Vampire
10:To Face A New Day
11:The Stone
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