Cheap Wine / Beggar Town
Beggar Town Spielzeit: 62:05
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2014
Stil: Rock Noir


Review vom 05.11.2014


Ulli Heiser
Nun ist RockTimes ja wahrlich nicht bekannt dafür, in irgendeiner Weise mit cheap in Verbindung gebracht zu werden. Weder sind es unsere Artikel, die in der Fläche stets kompetent und ausführlich sind, noch sind es die Vorlieben der RockTimes-Gourmetfraktion, die in puncto Essen, Trinken und Rauchwaren auch bei Lebensmitteln, Bier, Wein, Whiskey und Zigarren auf Qualität stehen. Das musste jetzt mal gesagt werden, wenn in der Überschrift dieses Artikels schon der Name Cheap Wine steht.
Aufmerksamen Lesern ist diese Band natürlich nicht unbekannt, haben wir doch bereits zweimal Platten von ihnen besprochen. Und einem Leser waren diese Jungs vor fünf Jahren so wichtig, dass er uns anschrieb und von Cheap Wine schwärmte. Obwohl die meistens von uns mit den vielen Scheiben die die Redaktion erreichen zwar mehr als ausgelastet sind, sind wir auch in solchen Fällen nicht cheap, sondern gehen den Sachen nach, was sich im Falle dieser italienischen Band als weise Entscheidung herausgestellt hat.
Spirits aus dem Jahr 2010 und das 2012er Based On Lies begeisterten einfach nur. Der vor zwei Jahren erwähnte Neuzugang Alessio Raffaelli ist nach wie vor an Bord und hat seine Position weiter ausgebaut. Und nach wie vor ist es traurig und unverständlich, dass auch vorliegendes Album "Beggar Town" (das zehnte!) in Eigenregie, also ohne Label produziert wurde. Allerdings in irrer Qualität. Alessandro Castriota zeichnet für Mix und Mastering; aufgenommen wurde die Platte in Marzocca im Castriota Studio.
Der Qualität der Produktion in nichts nachstehend sind Handwerk der Musiker, Songwriting, Choreografie und auch die Lyrics, die, abgekürzt, über die Tiefen des Lebens, die Ungerechtigkeiten desselben, über die Verlierer und Gewinner, über Heilige und Zwielichtige berichten. Gleich im Opener "Fog On The Highway" wird klar, dass "Beggar Town" eine Scheibe zum Zuhören ist. Alessio Raffaellis Pianointro verströmt dieses typische leere-Bar-aber-der-Pianoman-spielt-trotzdem-Flair, Michele Diamantini schält sich per Wah Wah in die Leere und die Lyrics erzählen von zerknitterten Geldscheinen auf dem Boden - neben Kippen, zerbrochenen Gläsern und schwarzen Pillen. Abziehende Rauschwolken umweben »naked souls« und »disguished fools«, die auf der Suche nach einer willigen billigen Frau oder einer Schlägerei sind.
Das alles ist musikalisch perfekt begleitet und immer wieder lässt die Stimme Marco Diamantinis faszinierend schaudern, wenn er die Stories erzählt. "Beggar Town" ist Film Noir in bester Lynch-Tradition. Keine Note zu viel und genauso keine zu wenig. Wenn Tristesse das Thema eines Songs ist, dann wird diese von den Musikern perfekt in Szene gesetzt. Von Harp, Slide und Banjo hin zu dem Piano war einfach eine geniale Idee, wenn man diese Art von Musik spielt. Und dann ist da ja Micheles Gitarrenarbeit. Er setzt das Wah Wah dermaßen gekonnt ein, dass aus einem Bhut Jolokia problemlos ein Marzipantörtchen werden könnte. Dann bricht er mit messerscharfen Soli aus waberndem Nebel und reitet mehr als eine tour de force, sein Instrument kann klagend sphärisch oszillieren oder hart sägend Stahl zerschneiden. Immer kongeniale Partner sind Drummer Alan Giannini sowie Bassmann Alessandro Grazioli, ohne deren punktgenaue Arbeit das Gesamtkunstwerk nicht möglich wäre. Piano und Wah Wah geben dem Ganzen eine Würze, die das Rezept aufgehen lassen lässt; mehr noch, sie machen es zum Sternenenü.
Cheap Wine anno 2014 sind schwer zu packen, was eine Einordnung angeht. Auf jeden Fall wabert über dem gesamten Album eine Dunstwolke die vielleicht am ehesten aus der Richtung Lou Reed, Sand Rubies, Rich Hopkins, Tom Waits, The Perc und Red Hill weht.
Cheap Wine hat mit "Beggar Town" zweifelsohne ein Meisterwerk abgeliefert. Nix mit billigem Wein. Das Blut der Engel ist reif. Die Flasche sollte geöffnet werden. Unbedingt!
Line-up:
Marco Diamantini (vocals)
Michele Diamantini (electric guitar, acoustic guitar)
Alan Giannini (drums, percussion)
Alessandro Grazioli (bass)
Alessio Raffaelli (piano, keyboards)

Additional Musician:
Claudio Damiani (backing vocals)
Tracklist
01:Fog On The Highway
02:Muddy Hopes
03:Beggar Town
04:Lifeboat
05:Your Time Is Right Now
06:Keep On Playing
07:Claim The Sun
08:Utrillo's Wine
09:Destination Nowhere
10:Black Man
11:I Am The Scar
12:The Fairy Has Your Wings (For Valeria)
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