Glückserfüllte Momente ehrerbietenden Innehaltens bei unvermeidlicher Dauerrotation des Laser-Grammophons; und Schuld ist eine vierköpfige Band aus Los Angeles namens Clandestine! Mit ihrem ersten kompletten Album nach ihrer 2006er-EP schaffen es die US-Großstädter, mich 45 Minuten und 42 Sekunden lang musikalisch zu bezirzen, als wäre es die leichteste Übung überhaupt, 'nen verwöhnten Prog Metal-Junkie mal so einfach um den Verstand zu bringen.
Clandestine tun's einfach, mit zehn überaus kompakten, aber zugleich herrlich verkniffelten Kurzbeiträgen, mit einem Mix aus betörend starken Melodien und Dampfhammer-artig harten Riffs aus dem tiefsten Untergeschoss der Schallwellenerzeugung, einer Symbiose aus traditionellen Prog Metal-Trademarks und Alternative-Anleihen sowie allerlei modernem bis experimentellem Klangkunst-Können - unverbrauchte Synthie-Effekte, die surreal mystifizierend oder gruselig wummernd die Fieberkurve hochhalten... und natürlich mit ihrer einzigartigen Sängerin und Frontfrau June Park.
Die Anmutung der Stücke pendelt binnen kürzester Zeit zwischen süßlich verklärter Akustik-Idylle und donnernder Dominanz dunkelster Gitarren. Nicht, dass Clandestine unentschlossen, sprunghaft oder diffus wären... nein, diese Songs durchlaufen, ehe das Metronom zwei, drei Mal nach links und rechts gependelt ist, immer wieder neue Metamorphosen, intelligent und intuitiv. Passt alles prima: Das atmosphärische Gesamterlebnis ist genau so kreativ chamäleonös wie der Gesang June Parks, die mal zart und lieblich singt, mal mit Technik und Power die Gitarrenwände in die zweite Reihe shoutet, und zwischendurch sogar ein paar Growls von sich gibt. Boah, was für eine Frau!
Die Art und Weise, wie Clandestine alle paar Takte an Details tüfteln, Drives variieren und weiterentwickeln, mit raffinierten Rhythmus-Tricks taktieren, erinnert mich hier und da an Top-Gruppen wie Andromeda oder Circus Maximus. Bestes Beispiel ist "Disappear In You", eine gerade mal viereinhalb Minuten lange progressive Trickkiste und für mich ein Top-Kandidat für den Prog-Song des Jahres. Ein nervös aufgewühlter Synthie-Drive unter einem erbarmungslos harten, tiefschwarz gestrichenen Gitarrenriff, ein furchteinflößender Growl, dann eine fast neo-proggige, schwebend-melodische, ballastbefreite Strophe mit einem nahezu frei stehenden Bass, der einem durch Mark und Bein geht, ein expressiver Power-Refrain, der von dramatischen, unterkühlten Keyboards aufgefangen wird - ich staune, bin verwirrt, beeindruckt... geplättet.
Sie bewegen sich irgendwo zwischen Dream Theaters Schwerlastscheiblette "Train Of Thought" und dem progressiven Ideen-Frühfeuerwerk "Awake". An die High Tech-Bulldozer-Gangart von "Train Of Thought" erinnern auch Teile von "Fracture", "Dead To The World" und des Titelsongs "The Invalid". Und überhaupt durchaus Dream Theater-like ist auch der Gesang. June Parks Stimmlage ist der James LaBries - sagen wir in der Zeit VOR Black Clouds & Silver Linings - gar nicht unähnlich. Klingt komisch, ist aber so, ganz Geschlechts-unabhängig.
Und was zaubert sie dem Hörer da an Edel-Exemplaren von Gesangslinien in den Langzeitspeicher... Zum Beispiel beim pulsierend-lebendigen, extravanten "Comatose" mit 1000 raffinierten Prog-Ideen - treffen sich hier Transatlantic, IQ, Sieges Even, Dream Theater und Rush zum Jam?? Getoppt wird dieses, ganz abseits der kreativen Traumland-Tour eben auch melodisch hinreißende Stück nur noch von "Pretend". Dessen Refrain ist von betörender Schönheit - eine lang gestreckte Melodie mit großer Eigendynamik, die am Ende, gerade bevor sie ihren eigenen harmonischen Kreis abrunden könnte, doch nochmal einen anderen Schlenker nimmt, als erwartet. DAS sind die Momente...!
Clandestine sind mutig und kreativ. Sie sind alternativ und teils auch 'alternative'. Sie sind progressiv (= 'proggig') und progressiv (= experimentierfreudig, neu kombinierend, individuell). Und wenn's auf diesem Level weitergeht, eine markante Stimme im Prog Metal-Konzert der ganz Großen! "The Invalid" hat sich schon mal 9 von 10 RockTimes-Chronometern verdient.
Line-up:
June Park (vocals, programming)
Dan Durakovich (guitar, programming)
Mark Valencia (bass)
Sammy J. Watson (drums)
Tracklist |
01:Fearless (4:48)
02:Disappear In You (4:30)
03:Silent Sin (4:38)
04:Philistine (3:52)
05:Pretend (4:27)
06:Fracture (3:48)
07:Dead To The World (4:02)
08:Phantom Pain (5:01)
09:The Invalid (5:35)
10:Comatose (4:55)
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