Als 1990 zum ersten Mal in dem kleinen schleswig-holsteinischen Dorf Wacken ein Metal-Festival stattfand, ahnte wohl noch niemand, dass das Wacken Open Air zum größten Metal-Festival der Welt und zum drittgrößten deutschen Festival nach Rheinkultur und Rock am Ring werden würde.
Mittlerweile, 19 Jahre später, ist das Festival selbst Nicht-Metal-Hörern durch zahlreiche Dokumentationen im Fernsehen ein Begriff, jedoch beschäftigen sich diese meistens mit dem Phänomen Wacken, dem Dorf, den Einwohnern und dem Besitzer der Wiesen.
Als Ergänzung zu diesen Dokumentationen gibt es auch jährlich erscheinende DVDs mit W.O.A.-Rückblicken, bei denen die Musik und Bands im Vordergrund stehen, lediglich ergänzt durch etwas Drumherum.
Stellt sich die Frage, wozu und wer braucht das?
Mehrere Antworten sind möglich: Für Neugierige, um einen Einblick zu erhalten, der den Schwerpunkt auf die Live-Auftritte legt. Interessanter ist das jedoch für Metal-Fans, die nicht hin konnten oder für die Besucher, die dort waren, als Erinnerung. Zusätzlich und vielleicht sogar noch wichtiger ist die Möglichkeit, die Bands zu sehen, die man live verpasst hat, denn bei so vielen Bühnen gleichzeitig und das etliche Stunden lang an drei Tagen, ist es unmöglich, alles zu sehen. Wer nicht nur eine schmale Bandbreite hat und sich einen Zeit- und Bühnenplan macht, wer wann wo spielt, sondern ein breites Spektrum sehen möchte, schafft dies gar nicht. Ein Kritikpunkt, der immer wieder geäußert wird.
Nachdem Kollege Moritz letztes Jahr schon beschrieben hat, was auf der Zusammenfassung von 2007 war, will ich mich nun "Live At Wacken 2008: 19 Years Of History" widmen, das pünktlich kurz vor dem 20. W.O.A. dieses Jahr erschien. Hierbei handelt es sich wiederum um eine Doppel-DVD, deren komplette Spielzeit knapp über sechs Stunden liegt. Im Menü befindet sich die Möglichkeit zu entscheiden, ob man nur die Musikmitschnitte sehen will oder alles (Liveaufnahmen, Interviews, Kurzdokus).
Fällt die Wahl auf letzteres, gibt es auch kurze Einblicke in die Logistik (unglaublich, wie früh mit den Vorbereitungen begonnen wird) - kombiniert mit einer Interview-Sequenz mit Holy Moses' Sabina Classen zeigt sich folgender Ablauf: Gras wird gesät, Rinder fressen das Gras, später wird das Gras gemäht und ein Ochse landet am Spieß, sein Fleisch wird in Burgern serviert, was aber der Vegetarierin nicht so zusagt, sie hätte lieber Möhren. Solche Randstories und einige Aussagen von Bands aus aller Welt, die etliche Stunden und Kilometer gereist sind, nur um in Wacken zu sein, sind eine angenehme Auflockerung.
Herzstück und wichtigster Bestandteil der DVD ist natürlich die Musik. Hier zeigt sich, wie vielfältig die Metal-Szene ist. Gleich am ersten Tag stehen Girlschool, die gerade ihr 30-jähriges Bandbestehen feiern auf derselben Bühne wie der Nachwuchs von Sturm & Drang, der gerade mal auf die zwanzig Jahre (Alter wohlgemerkt) zugeht, oder auch Airbourne. Wie sich die reifen Damen wohl dabei fühlen? Sie scheinen sich daran nicht zu stören, sondern freuen sich, noch dabei zu sein und spielen zu dürfen.
Witzig wirkt an Tag eins auch der Gegensatz zwischen Mambo Kurt, der "The Number Of The Beast" auf der Heimorgel spielt und Iron Maiden, die allerdings mit "Two Minutes To Midnight" vertreten sind. Ich hätte gerne deren Gesichter gesehen, als Kurt die Coverversion dargeboten hat.
Den zweiten Tag beginnen Primordial mit ihrem dramatischen Pagan Metal - ob die ernsten Aussagen von Sänger Alan mit seiner Black Metal-Optik morgens um 11 Uhr schon angenommen werden?
Der Mittag und Nachmittag wird bestritten einerseits von traditionellen Metal-Bands wie Headhunter und Mortal Sin, Bombast- und Epic-Metal wie Sabaton und Sonata Arctica. Dazu im krassen Gegensatz Modern Metal / Metalcore wie Job For A Cowboy oder Unearth und dazwischen frickeln sich Cynic durch ihr Programm, das auch auf einem Jazz-Festival problemlos bestehen könnte. Für die härtere Fraktion gibt es Massacre und Nifleheim. Bunt gemischt also, altersmäßig und spartenmäßig.
Zum Abend hin wird es mittelalterlastig, wobei Saltatio Mortis hinter Corvus Corax eine schlechte Figur machen. Kein Wunder, haben letztere extra ein Orchester, Chor und Opernsängerin mitgebracht und zelebrieren einen gigantischen Auftritt. Den toppt dann auch Tobi Sammet nicht mehr, der sich überreden ließ, endlich einmal mit Avantasia live zu spielen, auch wenn dies gut gelungen ist. Damit sind wir am Ende von DVD 1.
Die zweite DVD beginnt mit einem Interview. Gorgoroth, bzw. Gaahl und King, die sich jetzt God Seed nennen müssen, wobei Gaahl irgend etwas erzählt, was aber nicht zu den Fragen gehört. Sie bringen noch einmal die Bühnendekoration wie bei dem umstrittenen Auftritt in Krakau, also mehrere Nackte an Kreuzen und Regale mit Schafsköpfen (was wohl Sabina dazu dachte?). Musikalisch sind sie deutlich besser als damals. Es stellt sich dennoch die Frage, wieso es ausgerechnet von ihnen zwei Songs gibt (gleiches gilt später für Lordi und Nightwish), während Iron Maiden und Avantasia mit nur einem vertreten sind. Haben da die DVD-Macher ihre Lieblinge pushen wollen?
Zwei Songs hingegen wären bei Excrementory Grindfuckers angebracht gewesen, da einer davon grindcoretypisch extrem kurz war und eigentlich nur aus Wiederholung des Bandnamens bestand, was immerhin mal etwas anderes ist. Damit endet Tag zwei.
Der dritte Tag bietet einige alte Thrash- und Death Metal-Haudegen, z.B. Holy Moses, Kreator, Exodus, Obituary und Carcass, die nach längerer Pause wieder zusammengefunden haben. Eine Besonderheit bei deren Auftritt ist die Tatsache, dass Ken Owen, der nach Hirnblutungen monatelang im Koma gelegen hatte und daher gesundheitlich stark angeschlagen ist, ein kleines Drumsolo hinlegen darf.
Aber auch die jüngere Generation kommt nicht zu kurz, hier reicht das Spektrum von der Visual Kei-Band Girugämesh über die Metalcoreler As I Lay Dying und Killswitch Engage (sorry Jungs, aber von Euch gefällt mir nur das "Holy Diver"-Cover, sonst nichts) bis zu den Jungthrashern Warbringer, die wirken, als hätte man sie in den 80ern für 20 Jahre eingefroren und kürzlich wieder aufgetaut.
Dazwischen gibt es immer wieder Interviews (z.B. Sabina Classen und Gary Holt /Exodus im trockenen Whirlpool, irgendwie knuffig) und Dokumentationen über Randerscheinungen wie die Metalympics (wer am meisten Bier trinken kann, wer am besten "Wacken" brüllt, auf einer Bank bangt, sich im Schlamm wälzt und ähnlich sinnige Sachen, typische Randerscheinungen vom Festivals, insbesondere aber des W.O.A.).
Zum Ende der DVD gibt es einen finnischen Doppelschlag, unterbrochen von den deutschen Epic-Metallern Axxis, dem man das Motto "Die Schöne und das Biest" (bzw. Biester) verpassen könnte: Nightwish mit neuer Sängerin Anette Olzon (die mir persönlich deutlich besser gefällt als Tarja Turunen), deren Auftritt fast schon wie eine Operninszenierung wirkt, und als Gegensatz dazu die Monsterrocker von Lordi, die für den Song "They Only Come Out At Night" Gastsänger Udo Dirkschneider, angekündigt als »The German Tank«, auf die Bühne bitten.
Danach folgt noch ein kurzer Ausblick auf 2009 und die DVD über das "W.O.A. 2008" ist zu Ende.
Tracklist |
DVD 1
Intro Trailer - W.O.A. 2008
Harry Metal - Making of W.O.A. 2008
W.O.A. 2008 Day One:
01:Girlschool - Hit And Run
*Interview Girlschool
02:Mustasch - Monday Warrior
03:Sturm & Drang - Rising Son
04:Alestorm - Captain Morgan's Revenge
05:Airbourne - Girls In Black
*Interview: Airbourne
*Interview: Leaves Eyes
06:Leaves Eyes - New Found Land
07:Mambo Kurt - The Number Of The Beast
08:Iron Maiden - Two Minutes To Midnight
W.O.A. 2008 Day Two:
*Armageddon Over Wacken
09:Primordial - Gallows Hymn
*Interview Mortal Sin
10:Mortal Sin - Out Of The Darkness
11:Cynic - How Could I
12:Job For A Cowboy - Entombment Of A Machine
13:Unearth - The Great Dividers
*Interview Unearth
14:Headhunter - Born In The Woods
15:The Rotted - A Return To Insolence
16:Kamelot - Rule The World
*Interview Kamelot
17:Destructor - Destructor
18:Soilwork - As The Sleeper Awakes
*Fashion Week
19:Autumn - Closest Friends Conspire
20:Sabaton - Attero Dominatus
*Interview Sabaton
21:Sonata Arctica - Don't Say A Word
22:Massacre - Defeat Remains
23:Stam1na - Merestä Maalle
24:Psychopunch - Another Statement
25:Nifelheim - Storm Of The Reaper
26:The Haunted - Moronic Colossus
*Interview The Haunted
27:Van Canto - The Mission
28:Opeth - Heir Apparent
*Interview Corvus Corax
29:Corvus Corax - Fortuna
30:Saltatio Mortis - Uns Gehört Die Welt
*Interview Avantasia
31:Avantasia - Twisted Mind
[* Bonus]
|
DVD 2:
W.O.A. 2008 Day Two:
*Interview God Seed
01:God Seed (Ex Gorgoroth) - Carving A Giant
02:God Seed (Ex Gorgoroth) - Teeth Grinding
03:Crematory - Tears Of Time
04:Excrementory Grindfuckers - Excrementory Grindfuckers
*Metal Battle
W.O.A. 2008 Day Three:
05:The Fading - Destination Life
06:3 Inches of Blood - The Goatriders Horde
07:Machine Men - Ghost Of The Seasons
08:Evocation - The Dead
*Metalympics Part 1
09:Holy Moses - Through Shattered Minds
10:Merencary - Black And Hollow
11:Before The Dawn - Faithless
12:Enemy Of The Sun - Burning Bridges
*Interview Enemy Of The Sun
13:Exodus - Piranha
*Interview Exodus
14:Obituary - Slow Death
*Metalympics Part 2
15:Powerwolf - Saturday Satan
16:Warbringer - Total War
*Interview As I Lay Dying
17:As I Lay Dying - Within Destruction
18:Torture Squad - Living For The Kill
19:Krypteria - Somebody Save Me
*Interview Carcass
20:Carcass - Heartwork / Drumsolo K. Owen
*Interview Killswitch Engage
21:Killswitch Engage - Rose Of Sharyn
22:Girugämesh - Dance Rock Night
23:Dream Of An Opium Eater - Audition
*Interview Watain
24:Watain - Sworn To The Dark
*Interview Kreator
25:Kreator - Phobia
*Interview Nightwish
26:Nightwish - Nemo
27:Nightwish - Poet And The Pendulum
28:Axxis - Blood Angel
*Interview Lordi
29:Lordi - They Only Come Out At Night
30:Lordi - Hardrock Hallelujah
*Trailer W.O.A. 2009
[* Bonus]
|
|
Externe Links:
|