Spielzeit: 77:46 Medium: CD Label: Sireena Records, 2014 Stil: Psychedelic, Space Rock & More Review vom 02.04.2014 Ulli Heiser

Zu viel gute Musik und zu wenig Geld, das alles zu kaufen? Dann kann Hilfe in Form von Sireena Records in Anspruch genommen werden. Krautrock und psychedelische Musik gehörten in den Siebzigern quasi zum Inventar jedes Haushalts, der über Plattenspieler und/oder Kassettenrecorder verfügte und Bewohner mit langen Haaren hatte.
Nach der Hochphase dieser Musik kam eine Durststrecke. Erst in den neunziger Jahren besannen sich wieder Musiker auf die alten Weisen und begannen 'unsere geliebte Musik' zu spielen. Nur - wer bekam das mit? Das Internet war noch kein Thema. Und auf dem flachen Land war die Info spärlich. Wir, die wir die Siebziger gerade auch musikalisch durchlebt hatten, schlossen uns mit der 'altem Musik' ein und verweigerten uns dem vermeintlichen Schrott der Neuzeit. Wer kannte z. B. Bands wie The Perc Meets The Hidden Gentleman, Fantasyy Factoryy, Electric Orange, oder RPWL?

Klar, Leser der Frankfurter Rundschau bekamen folgende Meldung über The Perc Meets The Hidden Gentleman mit: »... dieser Band gereicht der Verdienst, den Krautrock in die Neunzigerjahre gerettet zu haben«. Aber in der ländlichen Wüste war man auf Tipps seines Plattendealers angewiesen, oder blieb ganz einfach bei seinen alten Scheiben. Der erwähnte Artikel der FR erschien 1991 und dieses Jahr markiert auch den zeitlichen Beginn vorliegender Kompilation.

Nach JazzKraut und "LiveKraut" nun also Musik der 'Krautsöhne'. Wobei mit Dieter Serfas auch einer der Krautväter mit an Bord ist. Dieter war 1969 bei Amon Düül II und ist aktuell bei Embryo. Die 'Jungen' auf vorliegendem Sampler sind also in Begleitung 'Erwachsener'. Die Väter können durchaus stolz auf den Nachwuchs sein, denn was sich auf diesem Sampler musikalisch verewigt hat, muss sich in keinster Weise vor den Altvorderen verstecken.

Ear Transport eröffnen die Scheibe mit einer genialen Mischung aus Trance und Psychedelic. Bereits erwähnter Dieter Serfas gründete die Band Mitte der Neunziger. Mit im Line-up ist auch
Harry Payuta, der übrigens demnächst zusammen mit Mr. Sireena, The Perc sowie Peter Apel als Sun Temple Circus tourt. Schön, wenn sich Kreise schließen.

Die Auswahl und Reihenfolge der Tracks sind perfekt gewählt. Mit den in unserem Magazin hochverehrten Space Debris, den Osnabrücker Sankt Otten mit ihrer spacigen Trancemusik, den ebenfalls in dieser Richtung beheimateten Electric Moon (ein Projekt von Sula Bassana), Level Pi (die 'Band' besteht lediglich aus Uwe Cremer, der alle Instrumente selbst spielt und seine psychedelische Droge mit Hammerattacken bereichert), The Perc Meets The Hidden Gentleman sind die ersten sechs Stücke bereits ausreichend, um sich schwelgend auf eine Reise durch Raum und Zeit zu begeben.

Aber es geht weiter. Tarwater, die zurzeit im Filmmusikgeschäft eine gute Figur machen, sind mit dem etwas an die musikalische Stimmung eines Lou Reed erinnernden "I Can't Walk My Floor" ebenfalls lohnenswert, entdeckt zu werden. RPWL, Electric Orange, Fantasyy Factoryy und
Le Mur sind immer wieder gerne besprochene Bands in RockTimes und passen mit den vorgestellten Songs zum Tenor dieser Sammlung.

Etwas aus dem Rahmen fällt das Panzerballet. Kollege Wolfgang war bei seiner Besprechung ihres Albums Tank Goodness von der Band angetan. Mir geht es da nicht anders. Bereits der Name des Titels, "Vulgar Display Of Sauerkraut", sagt aus, was es auf die Lauscher gibt: Eine etwas härtere Variante aus Krautland mit metallischem Gesäge sowie leicht an jazzige Zappa-Tunes angelehnte Strukturen - kurzum, eine Band, die sehr neugierig macht.

Sireena hat mit "Son Of Kraut" einen sehr empfehlenswerten Appetitanreger aufgelegt. Zum einen um zu zeigen, dass diese Musik-Spezies noch lange nicht tot ist, dass der Krautsamen so gut aufgegangen ist, dass die Pflanze immer wieder gute Erträge liefert und zum anderen, um aufzufordern, sich tiefer mit diesen Bands zu beschäftigen. Quasi den alten Werbespruch »aus deutschen Landen, frisch auf den Tisch« zu beherzigen und die Söhne adäquat den Vätern zu behandeln. Mir ist nicht Bange um die gute 'alte' Musik, solange es Musiker gibt, die mit Herzblut und fernab modischen Firlefanzes so bei der Sache sind. Wenn sich das auch auf die Enkel überträgt, können wir einer rosigen Zukunft entgegenblicken. Bis dahin haben wir im Jetzt die Gelegenheit, mehr von den hier vorgestellten Bands zu genießen. Sowohl auf Platte, als auch live.