Wieso klingen Credo so richtig schön authentisch zeitlos-rockig, analog, organisch, unmodern? Vielleicht ja, weil die Jungs selbst musikalisch schon einiges hinter sich haben? Denn Credo sind, auch wenn der Name eher Insidern bekannt sein dürfte, keine Jungspunde mehr. Die Briten haben teilweise schon Mitte der 70er erste aktive Banderfahrungen gesammelt und somit auch so manche musikalische Erfahrungen miterlebt und durchgemacht, von denen sie heute hörbar profitieren. Credo machen Neo Prog, stark im Stile früher Marillion. Aber sie klingen eben nicht, wie eine von Marillion beeinflusste Gruppe, sondern wie eine Art 'Parallel-Marillion' - wie eine Band, die es schon ewig gibt, die aber irgendwie nie den Durchbruch geschafft hat ...
... und tatsächlich existiert die Band schon seit rund zwei Jahrzehnten. Aber gesundheitliche Probleme und Besetzungswechsel haben dazu geführt, dass "Against Reason" erst das dritte Studioalbum der Band ist. Und ganz offensichtlich haben die Jungs Nachholbedarf: Die Scheibe klingt 'urig' - wenn schon wie Marillion, dann wie Marillion mit einem Front- Fish! Die Songs sind sehr komplex, die meisten länger als zehn Minuten, gern etwas vertrackt und mit mehrminütigen Instrumentalpassagen ausgestattet. Man geizt nicht mit eindringlichen, sehr emotionalen Melodien in der Lead Gitarre und erst recht nicht mit nicht minder prägenden Synthesizern, die teils ganz schön bombastische Atmosphären zusammenzimmern.
Hier gibt es immer wieder ausgedehnte, angespannte bis dramatische Stimmungen, die dann aber natürlich von butterweichen, verträumten Breaks unterbrochen werden. Marc Coltons sehr eindringlicher, typisch 'britischer' Gesang ist ein wesentlicher Bestandteil im Gesamtmix. Da steckt automatisch immer ein bisschen Theatralik drin. Damit bringt er die Botschaften der nachdenklichen bis mahnenden Lyrics perfekt rüber. Die handeln - teils mit konkreten und sehr heutigen Bezügen - von Umweltzerstörung, Krieg, demagogischer Massenverblendung und Sinnsuche des Menschen in einer Welt, die er selbst gerade mit aller Gier und Rücksichtslosigkeit an den Rand des Untergangs treibt.
"Against Reason" ist feinste Unterhaltung für Prog-Freunde im Dunstkreis von Bands wie IQ, Pendragon oder besagten Marillion. Dabei sind sie aber auch schon mal so bombastisch unterwegs wie Galahad, und so heavy und Prog Metal-like wie Arena auf ihrem Pepper's Ghost-Album. Schwachpunkte gibt es keine, aber ein paar Highlights. Erstens "Intimate Strangers", das einen etwas an Enchant erinnert: leichtfüßig, verspielt, hochmelodiös, äußerst emotional und mit einem mehrminütigen Outro-Solo der Gitarre gekrönt, das man ohne zu übertreiben 'sensationell' nennen kann. Zweitens "Insane": Inhaltlich schwere Kriegs-Thematik von Belfast bis Kabul, musikalisch sehr anspruchsvoll umgesetzt mit zahlreichen Wechseln, getrieben von einem markanten 5er-Rhythmus, der sich zwischenzeitlich derart unterschwellig ins 'Gerade' dreht, dass man es, tief versunken, gerne erst verspätet realisiert und dann staunt ... klasse!
Und dann ist da natürlich drittens noch das große Finale namens "Ghosts Of Yesterday": Textlich nochmal ein großer Nachklapp - ein Abgesang auf die 'schöne neue Welt' - und instrumental die epischste Nummer des ganzen Albums mit einfühlsamem, akustischem Aufbau, einer getragenen, mehrstimmigen Hymne als Chorus und der ein oder anderen Überraschung wie Ragtime-Einschüben von Keyboarder Mike Varty. Die packen irgendwie nochmal einen genialen Tupfer Surrealität oben drauf, wenn Mark Colton von den 'Geistern von gestern' singt. Ein starker Abschluss für ein starkes Album, das mit tiefsinnigen Texten und packenden Atmosphären ein Garant für besonders zahlreiche Hördurchgänge ist - was bei einem 70-Minüter viel heißen will - und 8,5 von 10 RockTimes-Uhren verdient.
Line-up:
Mark Colton (vocals, percussion)
Mike Varty (keyboards, backing vocals)
Tim Birrell (electric & acoustic guitars)
Martin Meads (drums)
Jim Murdoch (bass, backing vocals)
Tracklist |
01:Staring At The Sun (10:02)
02:Cardinal Sin (12:02)
03:Intimate Strangers (8:39)
04:Against Reason (3:26)
05:Insane (8:01)
06:Reason To Live (3:10)
07:Conspiracy (10:51)
08:Ghosts Of Yesterday (13:34)
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