Eine Platte, zwei Meinungen. Norbert legt vor und Steve schiebt nach.
Norberts Meinung:
Southern Rock ist auch so ein Überbleibsel aus der Evolutionskiste der Rockmusik, das hinter der Südstaatenflagge vor allem in Germanien noch ein Häuflein unerschütterlicher, aber umso treuerer Fans versammelt. Die freuen sich über jede Veröffentlichung, die dem Dino noch mal ein Schübchen Leben einhaucht.
Crobar Cane aus Roanoke, Virginia ist eine Band der jüngeren Generation, die das Genre weiter nährt und uns im letzten Jahr mit ihrem selbstproduzierten Zweitwerk "For What It's Worth" beglückte. Das Album stieß auf positive Kritiken auch in unseren Breiten und die fünfköpfige Truppe tourte mit den wiedervereinigten Outlaws, was für weitere Reputation sorgte. Die Jungs um Mastermind Adam Rutledge haben's auch drauf und wissen sehr gut, wie sie die Fans mit allen gängigen Klischees auf ihre Seite bringen. Das fängt beim Bandnamen an, wird beim Retro-Cover fortgesetzt und spiegelt sich natürlich in jeder Note ihrer Musik wider. Die frühen Allman Bros., unvermeidbar Gov't Mule und die anderen hubraumstarken Klassiker des Südens begründen den Sound von Crobar Cane.
Daran ist nichts auszusetzen, das ist es ja auch, was die 'Rednecks' (hier mal völlig wertfrei gemeint!) immer und immer wieder hören wollen. Bluesgetränkte, soulful-le, von der Hitze des Südens gebleichte und gitarrenorientierte Stücke in Jam-Länge, die von Whiskey, Diesel, endlosen Landstraßen, beinharten Typen und heißen Miezen handeln. Von der schweren Arbeit, von unglücklichen Affären, vom Glauben an Gott und die Knarrensammlung sowie der bedingungslosen Liebe zu Vaterland und Heimatscholle.
Crobar Cane legen auch wirklich gut los, das schwermütige Herz des weltweit verbreiteten Southern Man öffnet sich spontan, wenn das Riff der beiden Gitarren "Angel In My Arms" intoniert, die Drums aus der Dorfschmiede einsetzen und Adam Rutledges Stimme gleich mit den ersten Tönen alle Leidenschaft des schwülen Südens aus den Membranen drückt. Der Bass pumpt und die Orgel sorgt für die Sonnenauf- und -untergangs-Harmonien. Well done, boys! "She Don't Need Anything" - es rockt weiter schwerblütig, "Peace Of Mind" - die fällige, mit großen Gefühlen vorgetragene 'Ballade' mit Zeug zum Klassiker (und schönen Gitarrensoli). "I Can't" - doch sie können's (fast) auch wie das geliebte Maultier!
Der Titelsong ist 'Ballade # 2'; damit fangen die Herren aus Virginia leider an, sich selber zu kopieren und das ist weniger spannend. Die Zutaten variieren zwar noch, aber im Großen und Ganzen ist's 'all the same fuckin' thing' … Bei "Shake It Loose" gibt's mal ein Aerosmith-Schmeckerchen zur Abwechslung, und bei "So High" kann man sich eine Variation vom I Shot the Sheriff-Riff anhören. Das rockt aber dann wirklich noch mal amtlich, zumal hier Basser Jay Gladden und Orgler Roger Rutledge (im Stil von Johnny Neel) richtig ran dürfen.
"For What It's Worth" ist beileibe keine schlechte Platte und Crobar Cane stehen in der guten Tradition der Southern Rock-Bands ihren Mann. Das Ganze fängt stark an, ist handwerklich sehr ordentlich, aber nudelt sich dann doch mit zunehmender Spielzeit ziemlich ab. Adam Rutledges Stimme knödelt sich auf immer gleiche Weise leidgeprüft durch die Songs und nervt irgendwann mit ihrem Pathos. Die Stücke sind insgesamt zu lang, die guten Ideen werden zu sehr ausgewalzt und wiederholen sich. Auch am Sound gibt's Abstriche - zu dumpf und undifferenziert, zuviel Polterschlagzeug, zu wenig Bass. Futter für die SR-Fraktion, die schon dankbar ist, dass es überhaupt noch Nachwuchs unter der Rebel Flag gibt. Crobar Cane haben das Zeug 'richtig Gute' zu werden, wenn da mal jemand mit mehr Erfahrung auf dem durchgesessenen Fahrersitz des Pick-ups hockt. Vielleicht schaffen sie es mit ihrem Eigenwerk, dass ein reguläres Label sich ihrer annimmt und künftige Produktionen optimiert.
Steve sieht das so:
Wer benutzt schon ein Brecheisen (Crowbar) als Stock? Der schrullige, leicht senile Opa Rutledge aus Roanoke/Virginia war so ein Unikum. Enkel Adam verschlug es seinerzeit beim Anblick 'ol' Fuzzies' den Atem und beschloss, seine Band so zu nennen: Crobar Cane. Das war 2002 und seitdem erspielte man sich fleißig zumindest regional einen guten Ruf als Live-Act. 'Was es wert ist' (For What It's Worth) sieht man an diesem Zweitling, nach einer ersten, selbst produzierten EP, der Band.
Kein Geringerer als Hughie Thomasson entdeckte den Virginia-Fünfer und holte sie als Support-Act für die 30th Anniversary-Tour der Outlaws im Jahr 2005. Nun ist Hughie tot und Crobar Cane müssen und werden es alleine schaffen. Viel mehr war über die Jungs beim besten Willen nicht im Web zu finden und es wird Zeit, dass sich das schnellstmöglich ändert. Denn "For What It's Worth" ist ein Hammer - eine echte Entdeckung!
Nimm die musikalischen Essenzen von Gov't Mule, den Black Crowes, Jupiter Coyote, Dave Matthews und der ABB, fülle sie in ein Whiskey-Fass aus feinster Kentucky-Eiche und lass' dieses Gebräu mindestens zehn Jahre gut ablagern. Ob Du den Crobar Cane-Stoff dann pur oder 'on the rocks' genießen magst, bleibt Deinem Gusto überlassen - nur mische ihn bitte niemals mit irgendwelchem dünnflüssigem Coke ... oder ähnlich nivellierender Mainstream-Plörre. Crobar Cane klingt uramerikanisch-progressiv, ganz im Sinn bester Jam-Band-Traditionen. Eine Musik also, die sich - Dank der Neo-Hippies von der Ostküste - gerade wieder größter Beliebtheit erfreut. Nicht so flippig wie die Fiddleworms aber dafür erheblich rockiger. Es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sie die neue Hippie-Hochburg, das Bonnaroo-Festival in Manchester/Tennessee, stürmen werden.
"For What It's Worth" ist typisch amerikanisch-gitarrenlastig angelegt. Gleich mit dem druckvollen Opener "Angel In My Arms", der - dem Himmel sei Dank - überhaupt nicht hält, was der Titel 'androht', wird richtig schön schwerblütig mit der Power eines 250 PS Pick-up's losgerockt. Ein bärenstarker Einstieg für Crobar Cane! Das Groove-Monster "She Don't Need Anything" scheint zwischen Gov't Mule und Jupiter Coyote verortet und hält das Niveau locker. Die Songs sind zumeist deutlich jenseits der magischen fünf Minuten angesiedelt und glänzen allesamt mit charismatischen Arrangements - wie "Peace Of Mind", das balladeske, country-inspirierte Strukturen hat, beweist. Kurz und knackig dagegen "I Can't", das den Southern Rock der Greg Billings Band perfekt inszeniert. Der Titelsong "For What It's Worth" hätte dagegen eins zu eins auf einer Warren Haynes-Scheibe erscheinen können. Dessen sensationelles "Patchwork Quilt" diente möglicherweise als Vorlage.
Als Skynyrd-typischer 'Stop-and-go'-Rocker springt "Walk The Line" sofort in die Blutbahn über - ein Gute-Laune-Rocker mit gurgelnder Hammond und perfektem Highway-Feeling. "This Time" ist eine schwerblütige, fast depressive Ballade, herrlich! Die Krähen der Black Crowes starten bei "Shake It Loose" durch, bevor mit "That's Why I'm Here" wieder so eine sensationelle Midtempo-Ballade unter die sprichwörtliche Haut krabbelt. "So High" erinnert frappierend an einen Mix aus Van Morrison Klassiker "I've Been Working" und Gov't Mules Paradestück "Mule", wie man es auf der The Deepest End hören konnte. Ein wahnwitziges Arrangement mit irren Bassläufen, flirrender Hammond und funky Guitars ist Crobar Cane hier gelungen. Die längste Nummer, "The Plateau Of Rip Hawk", beendet "For What It's Worth", irgendwo zwischen Santana und erneut Jupiter Coyote angesiedelt, ausgedehnt jammig.
Crobar Canes "For What It's Worth" hat nach meinem Empfinden das Potenzial für unsere Höchstwertung. Damit aber nach dem ersten 'richtigen' Album noch etwas 'Luft nach oben' bleibt, vergebe ich hier 'nur' 9 von 10 RockTimes-Uhren - die allerdings aus vollem Herzen ... und eine ganz DICKE Kaufempfehlung gibt's gratis obendrein.
Line-up:
Adam Rutledge (lead vocals, guitar)
Jason Weeks (guitar)
Brett Fulghum (drums, vocals)
Roger Rutledge (keyboards, vocals)
Jay Gladden (bass)
Tracklist |
01:Angel In My Arms
02:She Don't Need Anything
03:Peace Of Mind
04:I Can't
05:For What It's Worth
06:Walk Your Line
07:This Time
08:Shake It Loose
09:That's Why I'm Here
10:So High
11:The Plateau Of Hawk
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