Cullooden bringen so richtig frischen Wind aus Schweden mit. Nicht gleich zu wissen, wohin man die Band nun stilistisch stecken soll, tut gut und setzt ein paar Zahnräder in der Musikzentrale des Oberstübchens in Gang. Da oben entwickeln sich schnell zwei Favoriten-Fächlein: Melodic Metal - traditionell geradlinig und, klar: melodielastig - und Progressive Metal - gerne ungerade und empfänglicher für Spannung und Dramatik. Ohne Frage macht die Band Prog - man wechselt hörbar gern und richtig gut die Rhythmen und legt einen gehobenen technischen Anspruch an den Tag. Und dann spielt da noch eine gehörige Portion AOR/Melodic Rock mit rein. Die Chorus Lines überzeugen mit großem Mut zu umfangreichen Melodiebögen. Die Ecken und Kanten werden ausgelagert. Hart und düster, verfrickelt, furios und polyrhythmisch wird es freilich auch, aber vor allem in den Instrumentalparts. Der Refrain aber, der glänzt und glitzert mit positiver Power. Das erinnert klar an die frühen
Circus Maximus - die tieftönigen Riffings an anderer Stelle an die späteren selben.
Auf "Silent Scream" finden sich zwar mit "Our Only Desire" (Melo-Bombast à la
Magnum) und "The Progress" (knifflig vertrackt) durchaus Nummern, die deutlich entweder den AOR- oder Prog Metal-Stempel bekommen. Beim Gros der Stücke kreuzt man aber beides sehr geschickt und nahtlos; und das ist auch die große Stärke von
Cullooden. "Endless Tears" und "Star Of The Night" glänzen mit euphorisierend-melodischen Hooklines, die ganz und gar untypisch für Prog Metal sind. So was erwartet man eher von Melodic Rock-Gruppen wie
H.E.A.T oder
W.E.T. - der klare, hohe und leidenschaftliche Gesang
Fredrik Joakimssons passt prima. Aber drumherum rangiert die Band auf einem großen rhythmischen Verschiebebahnhof mit dunklen Riffs, Double Bass und astreinen Parallelläufen.
Das Atmosphärische sowie die Gitarren-Keyboard-Verquickungen haben auch schon mal was von
Andromeda oder
Threshold, aber meistens kreisen die Gedanken des Hörers dann doch um
Circus Maximus. Die großartigen Wechsel zwischen unterkühltem Heavy-Groove und wunderbar warm-melodischen Endorphin-Infusionen machen "Heaven Feels So Hollow" zu einem Highlight, das oft gehört werden will. Ebenfalls überragend sind die edel-bombastische Mid-Tempo-Nummer "Take Hold Of Your Fear" und das sehr dynamische "Star Of The Night". Wie das glitzert, unwiderstehlich - und dazu noch die punktgenau dosierten Backings ...
Wenn alle Songs so vorzüglich wären, könnte "Silent Scream" Bestnoten abstauben. Weil sich aber auch ein paar Nummern darunter geschlichen haben, die 'nur' sehr gut sind ("Embrace Your Destiny", "Welcome To Wonderland" - richtig stark; berühren aber irgendwie nicht), weil man der Band außerdem zu früh den Schneid abkauft (auch Gutes wird irgendwann zu sehr erwartbar) und weil die stilistische Nähe zu Konsorten wie
Circus Maximus doch sehr klar durchkommt, ist das erste Album von
Cullooden ... nun ja, eben 'nur' sehr gut, aber nicht überragend. Trotzdem zählt "Silent Scream" zu den erfrischendsten Prog Metal/AOR-Hochzeiten seit
The 1st Chapter. Gut gemacht!