Fred Chapellier / Electric Fingers
Electric Fingers Spielzeit: 51:52)
Medium: Do-CD
Label: DixieFrog, 2012
Stil: Blues Rock

Review vom 18.04.2013


Jürgen Hauß
Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich an dieser Stelle die im Mai 2012 erschienene CD des Projekts BoToC Blues Revue besprochen habe. An diesem Projekt sind Nico Wayne Toussaint,
Neal Black sowie Fred Chapellier als Namensgeber beteiligt. Während die beiden Erstgenannten zu jenem Zeitpunkt gerade auf RockTimes erstmalig vorgestellt worden waren, fehlt zum Letztgenannten bislang ein eigenständiger Beitrag. Diese Lücke im Künstlerindex gilt es jetzt endlich zu schließen; die vorliegende, im Oktober vergangenen Jahres erschienene CD "Electric Fingers" ist dafür sicherlich eine passende Gelegenheit.
Gleich zum Titel dieser CD: Er gibt sofort einen direkten Hinweis, was den geneigten Hörer erwartet: Elektrisch verstärkte Gitarrenmusik bildet jedenfalls den Vordergrund. Noch eindeutiger wäre der Hinweis gewesen, den der möglicherweise ursprünglich geplante Titel für die CD "Electric Blues" gegeben hätte. Schaut man nämlich auf der Homepage des Künstlers nach, entdeckt man unter der Rubrik 'Discography' einen Sampler mit Hörbeispielen, der mit »Electric Blues (extraits)« überschrieben ist. Und genau das bekommt man hier! Und zwar in durchaus variantenreicher Mischung.
Das Fehlen jeglicher Informationen über Fred Chapellier auf RockTimes erlaubt es, bzw. macht es gar notwendig, ein wenig weiter auszuholen: »1966 in Metz/Frankreich geboren, fand er dank seiner älteren Brüder schon früh Gefallen an Rock und Blues. 1978 lernte er zwar zunächst Schlagzeug spielen, doch als er sich drei Jahre später an der Gitarre versuchte, war dies eine Offenbarung: er tauschte das Schlagzeug auf der Stelle gegen eine Gibson-Kopie ein. Und die Gitarre sollte ihn nie wieder loslassen « (so die freie Übersetzung der - leider nur auf Französisch verfügbaren - Einleitung zu seiner auf der Homepage zu findenden Biographie).
Um deren Wiedergabe hier dennoch abzukürzen: Seit etwa 20 Jahren hat Chapellier mehrere Bluesbands gegründet und angabegemäß diverse Erfolge - vornehmlich in Frankreich, aber auch in Amerika - gehabt. Eines seiner Vorbilder ist »The world's greatest unknown guitarist«
Roy Buchanan, dem er - auch vorliegend - mit einem selbstkomponierten "Blues For Roy" sowie einem ganzen Album "Fred Chapellier & Friends - A Tribute To Roy Buchanan" gehuldigt hat. Zudem hat er eine ganze Weile mit dem ehemaligen Roy Buchanan-Sänger Billy Price zusammengearbeitet. Das aber soll's an dieser Stelle mit Vergangenheitsbewältigung gewesen sein.
Eines vorweg: Wer bislang geglaubt hat »Musik ist, wenn man sich mit Freunden zusammensetzt und gemeinsam musiziert«, der muss sich hier eines Besseren belehren lassen. Sämtliche Instrumente und auch der Gesang wurden an verschiedenen Orten bzw. Studios - und gewiss nacheinander - eingespielt, und irgendwann hat sich der Protagonist hingesetzt und alles zusammengemischt. Das nimmt der Produktion m. E. viel von ihrer Seele, die eigentlich in den Songs stecken könnte bzw. sollte. Dass technisch heutzutage eine derartige Form der Produktion möglich ist, rechtfertigt ein derartiges Vorgehen nicht.

Recht flott startet die Scheibe mit dem "Hot Rod Cadillac Automobile"; das hat Drive und bringt die Laune gleich auf Hochtouren. Welch ein Stimmungs- und Tempoumschwung zu "He's Walking", aber wenn die Art der Fortbewegung halt langsamer ist, dann ist das schon richtig! Ein bisschen klingt Fred Chapellier hier wie auch später noch mehrfach nach Slowman, aber das ist ja auch nicht gerade der schlechteste Vergleich.
Noch langsamer kommt die Ballade "Something About You" daher; Hammondorgel im Hintergrund, und im Vordergrund bringen immer wieder die elektrischen Finger solistische Einsprengsel, man gerät unweigerlich ins Träumen! Doch daraus wird man mit dem shuffeligen und zugleich recht flotten "Yield Not To Temptation" schnell wieder geweckt.
"Cold As Ice" hat nichts mit dem gleichnamigen Foreigner-Song gemein. Abgesehen davon, dass es sich um ein reines Instrumentalstück handelt, verleihen funkige Gitarrenriffs dem Stück ein ebensolches Feeling, das durch den allzu plötzlichen Schluss abrupt zu Ende geht. Mit "Marie Laveaux" besingt Chapellier die 'Voodoo-Queen' Marie Laveau, die im 19. Jahrhundert in New Orleans gelebt und gewirkt hat. Entsprechend düster ist die musikalische Untermalung, immer wieder durchbrochen durch eine hell klingende Sologitarre. Auch das folgende "Sweet Soul Music" verdeutlicht bereits mit der Titelgebung, was einen erwartet. Erfrischend kommt hier besuchsweise die Bluesharp von Nico Wayne Toussaint zu Gehör.
Beim nächsten Track hätte es weder der Titelgebung noch der ausdrücklichen Widmung (des gesamten Albums) im Booklet bedurft, um bereits bei den ersten Klängen von "Gary's Gone" zu erkennen, welcher Art von Trauerbewältigung sich Fred Chapellier hier bedient: Der Song ist in seiner Art der Zitatensammlung eine einzige Hommage an den leider viel zu früh verstorbenen
Gary Moore. Die Nummer hinterlässt einen sehr intensiven Eindruck.
Anschließend wieder diese deutliche Nähe zu Slowman! "Livin In A Dream" hat zudem einen kleinen Latin-Touch. Gleiches gilt für "I Found You", wo die Sologitarre stellenweise an Carlos Santana erinnert.
"Memphis Connection Part 2" kommt mir sofort bekannt vor, war doch "Part 1" bereits auf "Live And More" der BoToC Blues Revue und dort auf der Studio-Scheibe drauf. Hatte ich damals nicht geschrieben: »nur zu gerne hätte ich noch "Part 2" gehört«? Hier ist er also. Aber wieso "Part 2", scheint der Song doch - jedenfalls zunächst - total identisch mit "Part 1" zu klingen. Doch bei genauerem Hinhören kann man schon Unterschiede feststellen, insbesondere in der zweiten Hälfte des Stückes, wo bei "Part 1" auch andere Instrumente wie eine 'Schweineorgel' oder die Bluesharp von Nico Wayne Toussaint solistisch zum Einsatz kommen. Und auch die Sologitarre von Neal Black klingt dort besser, weil etwas härter gespielt als vorliegend diejenige von Fred Chapellier, die hier den zweiten Teil alleine dominiert. Schade, es ist hier wohl wie bei Tee: der zweite Aufguss schmeckt in der Regel nicht mehr so gut wie der erste!
Melancholie ist schließlich angesagt bei der Klage des Mannes, der sich von seiner Partnerin schlechter behandelt fühlt, als er es einem Hund antun würde. Die klagenden Töne der Sologitarre unterstreichen sehr schön das Thema, bleiben aber in der ruhigen Stimmung des ganzen Liedes. In dieser Stimmung geht es hinüber in den Bonustrack "Blues For Roy", einem Chapellier-Klassiker. Warum auf der Tracklist ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass diese Nummer in den Sun Studios in Memphis (TN) aufgenommen wurde, ist nicht klar; jedenfalls eine Beziehung zu dem darin besungenen Roy Buchanan habe ich nicht herausgefunden.
Fred Chapellier hat mit "Electric Fingers" ein ordentliches Album abgeliefert, das schwerpunktmäßig die Anhänger des etwas ruhigeren Blues ansprechen dürfte. Abstecher in Funk und Soul machen die Platte zudem etwas abwechslungsreich. Eine solide, teilweise aufgrund der eingangs beschriebenen Art ihres Entstehens allerdings auch sterile Produktion - nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Line-up:
Fred Chapellier (vocals, lead & rhythm guitar, bass)
Charlie Fabert (rhythm guitar)
Denis Palatin (drums)
Pierre-Alain Delaundoy (drums)
Abder Benachour (bass)
Philippe Dandrimont (bass)
Nico Wayne Toussaint (harmonica)
Vic Martin (Hammond B3)
Renaud Cugny (Hammond B3)
Vincent Bidal (Wurlitzer)
Tracklist
01:Hot Rod Cadillac Automobile (2:05)
02:He's Walking (3:33)
03:Something About You (3:56)
04:Yield Not To Temptation (3:07)
05:Cold As Ice (3:11)
06:Marie Laveaux (5:39)
07:Sweet Soul Music (4:04)
08:Gary's Goine (4:13)
09:Living In A Dream (3:41)
10:I Found You (3:49)
11:Memphis Connection Part 2 (3:24)
12:I Wouldn't Treat A Dog (4:27)
13:Bonus Track: Blues For Roy (6:40)
Externe Links: