»... Aber Campbell nur daran und an seinen Country-Ausflügen fest zu machen, käme seiner Bedeutung nicht zurecht, obwohl er 2005 in die 'Country Music Hall of Fame' aufgenommen wurde«. Das schrieb Kollege Wolfgang in seinem Review zu Ghost On The Canvas. Ich möchte noch einen Schritt weitergehen. Glen Campbell hat eine Bandbreite, die an der Country-Grenze nicht halt macht. Gottlob, denn der Mann ist ein zu begnadeter Musiker, um sich alleine dem Country zu verschreiben. Natürlich werden ihn die meisten als "Rhinestone Cowboy" kennen. Ebenso dürfte "Gentle On My Mind" in vielen Köpfen zu Hause sein. Eine Facette seines Schaffens ist das. Glen hat den Bezug zu Countrymusik nie verloren, sich aber immer auch ein Stück weit davon entfernt. Er hat die Grenzen zum Pop hin ausgelotet, hat vielen Kollegen auf die Beine geholfen, war schon da, als den jungen (wenn auch etwas älter als Glen) Johnny Cash kaum jemand kannte. Glen stellte ihn seinem Publikum vor. Auch Willie Nelson durchlief Glens Fernsehshow. Und viele andere ebenso.
Seinen Anteil an Phil Spectors 'Wall Of Sound' hat Wolfgang bereits erwähnt. Er spielte auf dem berühmten Pet Sounds-Album die Gitarre, er spielt sie auch auf Sinatras "Strangers In The Night", auf "You've Lost That Lovin' Feeling" der Righteous Brothers oder auf The Monkees' "I'm A Believer". Unmöglich aufzuzählen, wo Campbell in seiner mehr als ein halbes Jahrhundert zählenden Schaffensphase überall mitwirkte.
»The final Studio Album heißt es auf seiner Website, das macht mich ein wenig betroffen, denn dann halte ich hier wirklich etwas ganz Besonderes in der Hand - etwas, das wie ein Vermächtnis daher kommt, wie eine Zusammenfassung, ein Schlussstrich«. Auch das ist ein Zitat aus Wolfgangs Review. Ja, es wird wohl kein Studioalbum mehr geben. Seine Alzheimererkrankung lässt das nicht zu. Bei den Aufnahmesessions zu "Ghost On The Canvas" war aber auch altes Material von ihm im Spiel. Viele seiner alten Hits wurden von ihm neu aufgenommen. Er wollte einige große Stationen seiner Karriere noch einmal aufnehmen. Die beiden Produzenten Dave Kaplan und Dave Darling haben mit diesen Gesangsparts die Stücke später »re-interpretiert«. Es handelt sich dabei um die ersten zwölf Songs dieser Platte. Es wurde ihnen »eine neue Intimität verliehen«, es wurde »der Zauber seiner Stimme eingefangen«. Ja, ja und nochmals ja. Man merkt der Stimme das Alter an. Sie ist gereift und unheimlich stark. Ich kenne "Ghost On The Canvas" nicht, aber vielleicht hat mein Kollege diese 'neue' Stimme auch vernommen. Wenn ich zwei meiner Lieblingsstücke dieses Musikers mit den alten Versionen vergleiche, dann gibt es keinen Zweifel: die beiden neuen Versionen gehen extrem unter die Haut. Der alte Mann - und das ist jetzt mit höchstem Respekt gemeint - hat anscheinend das ganze Leben (und das war beileibe nicht immer einfach) nun in seiner Stimme und bringt dies zum Ausdruck. "Hey Little One" und "Wichita Lineman" sind besagte Nummern und die kommen hier so intensiv und dicht, dass man das fast körperlich fühlen kann. Bei der Gelegenheit: Sollte es jemanden geben, der Glen Campbell unter der File Country abgelegt hat, bitte mal anhören.
Neben den beiden offiziellen Bonustracks (produziert von Julian Raymond) gibt es mit "Waiting On The Comin' Of My Lord" (Nummer 12 mit feat. Jose Hernandez & Mariachi Del Sol De Mexico) quasi noch einen. Diese Version war als Bonus für "Ghost On The Canvas" gedacht, wurde aber nicht veröffentlicht. Diese 'Mariachi-Version' ist der normalen Version unbedingt vorzuziehen.
Der Albumname "See You There" soll eine Redensart, ja ein Markenzeichen Glens sein. Er hat den Satz als Gruß benutzt. Und ich zitiere noch einmal aus Wolfgangs Artikel: »Ich bin traurig, wenn das letzte Stück erreicht ist...«, »Mir wird ganz schummrig und nachdenklich, wenn ich daran denke, dass dies wirklich Glens letzte Platte sein soll...«. Auch ich bin betroffen ob folgender Zeile aus dem Infoblatt: »Auch wenn die Details der Albumaufnahmen für Campbell selbst wohl bereits in Vergessenheit geraten sein dürften, die Musik ist es nicht«. Es macht traurig, dass der große 'alte Mann' diese starke Platte wohl hören, aber wahrscheinlich nicht mehr zuordnen kann. Wir können es und wie gesagt, nie klang seine Stimme besser. Sie klingt wie das Leben.
Line-up:
Glen Campbell (vocals, guitar)
Stephen Hodges, Rodger Carter (drums)
Carl Sealove (bass)
Arlan Oscar (piano, B3, accordion)
Dave Darling (guitar)
Dough Livingston (pedal steel, Dobro)
Jeff Turmes (slide guitar, banjo)
Ted Andreadis (accordion, harmonica)
Paul Cartwright (viola)
Brie Darling (percussion)
Dominique Pritt, Gary Pinto, Katie Cole, Janiva Magness (backing vocals)
Tracklist |
01:Hey Little One
02:Wichita Lineman
03:Gentle On My Mind
04:Postcard From Paris
05:Waiting On The Comin' Of My Lord
06:What I Wouldn't Give
07:Galveston
08:By The Time I Get To Phoenix
09:There's No Me...Without You
10:True Grit
11:Rhinestone Cowboy
12:Waiting On The Comin' Of My Lord
feat. Jose Hernandez & Mariachi Del Sol De Mexico
Bonus Tracks:
13:Postcard From Paris (Alternative Mix)
14:What I Wouldn't Give (Alternative Mix)
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