Man würde es so gerne... so Manchem DEN aufgereckten Mittelfinger zeigen.
Johnny Cash ( † 12.09.2003) tat es. Und zwar den verlogenen, seichten und verkrusteten Nashville-Marionetten. Geschadet hat es ihm nicht. Eher das Gegenteil war der Fall, denn diesem großartigen Musiker und ehrlichen 'Man in Black' nahm man ab, was er tat und sagte - weil er das Leben mit all seinen Schattenseiten kannte. Wenn unser damaliger Nachruf mit den Worten »Thanks Johnny, for sharing some great time with us all!« endete, dann ist dem auch mehr als zehn Jahre später uneingeschränkt zuzustimmen.
Mehr noch, diesen Monat wird ein gehobener Schatz veröffentlicht, der dreißig Jahre in den Archiven lag. "Out Among The Stars" ist das vierte posthume Album Johnny Cashs und erblickt nun, zehn Jahre nach seinem Tod, das Licht der Welt. Sein damaliges Label Columbia Records weigerte sich, die von Billy Sherill produzierte Platte zu veröffentlichen und irgendwann galt sie als verschollen. Mittelfinger! Hier ist sie nun - mit zwölf bis dato unveröffentlichten Songs sowie "She Used To Love Me A Lot" als Bonus Track in der Elvis Costello-Version.
John Carter Cash entdeckte die Aufnahmen, als er den Nachlass seiner Eltern, die nichts wegwerfen konnten, durchforstete. Schnell waren Leute wie z. B. der auch an den Originalaufnahmen beteiligte Marty Stuart sowie Carlene Carter und Buddy Miller gewonnen, um die alten Einspielungen leicht aufzupolieren. John Carter Cash und Archivar Steve Berkowitz produzierten die Platte. John Carter Cash schrieb die Liner Notes und wenn da u. a. Folgendes steht: »When I heard this recordings for the first time ... what I immediatley noticed was the joy in his voice - the spirit was soaring ... When these recordings were made he was as full of passion and love as any other time in his life - at a true prime«, dann muss man zustimmen. Es ist gut, 'Neues' von Johnny Cash zu hören und man merkt seiner Stimme in der Tat an, dass er gut drauf ist.
Cashs Texte bedienten die komplette Bandbreite. Ob nun eher Lustiges - teils im Erzählmodus fürs entspannte und grinsende Zuhören geeignet, vorgetragen - oder zornige, anklagende Botschaften ... seine Stücke waren und sind für mich immer eine untrennbare Einheit aus Instrumenten und Stimme. So auch auf vorliegender CD.
Der Mischung aus scheinbar leichter Gitarrenarbeit bei Lagerfeuerromantik steht sie gut, diese kräftige Stimme. Und was dann wie ein gemütlicher Countrysong beim Steakabend der Nashville-Cowboys anstimmt, wird schnell zur brutalen Lagebeschreibung einer oft verlogenen Gesellschaft, die die Schwachen links liegen lässt. So geht es auch gleich mit Adam Mitchells "Out Among The Stars" zur Sache:
»It's midnight at a liquor store in Texas
Beneath the neon, close up's just begun
When a boy walks in the door and points a pistol
He can't find a job but man, he's found a gun
[...]«
Die Nummern auf "Out Among The Stars" wechseln stilistisch zwischen 'rockabillywild' und 'americanrecordingsernst'. Wer Mandoline, Dobro und Steel Guitar mag, wird auf seine Kosten kommen. Die Duette mit seiner Frau June Carter († 15.05.2013) und dem 'Outlaw'-Kollegen Waylon Jennings († 13.02.2002) machen einem mal wieder bewusst, wie großartig diese Art von Musik sein kann und wie sehr man einige Protagonisten vermissen kann. Herrlich und ergreifend auch der Chor bestehend aus The Cash Cabin Vocal Group und den Studenten der Sumner Academy aus Gallatin, Tennessee. Die Bonusversion von "She Used To Love Me A Lot" wurde von Elvis Costello produziert und von Steven Mandel gemixt. Sie ist elektronisch modernisiert und vielleicht würde der dann heute über achtzigjährige Cash ähnlich klingen. Vielleicht aber auch nicht.
Man möchte sich in den Flieger setzen, in die Staaten fliegen, einen Big Block mieten und durch die Landschaften cruisen. Ab und an den Mittelfinger recken und diese Platte hören.
Ja, Johnny Cash ist tot und wenn Kollege Manni damals »Mit Bestürzung und Traurigkeit nimmt die Welt Abschied von einem der ganz großen, ehrlichen und standhaften Figuren der amerikanischen Musikgeschichte« schrieb, dann ist das unumkehrbar. Aber durch "Out Among The Stars" können wir zwölf bisher unveröffentlichte Lieder dieses großen Mannes entdecken. Dafür ein Danke an seinen Sohn und fast eines an Columbia Records, denn hätte man das Album nicht verstauben lassen, wäre es uns heute so bekannt, wie all die anderen.
So freuen wir uns über Neues und werden daran erinnert, mal wieder öfter den Finger zu präsentieren.
Line-up:
Johnny Cash (guitar, vocals)
Jerry Kennedy (guitar)
Billy Sanford (guitar)
Dale Sellers (guitar)
Marty Stuart (guitar, mandolin)
Robert Wray (guitar)
Jerry Carrigan (guitar)
Pete Bordonali (guitar - 1981 session)
Peter Drake (steel guitar)
Weldon Myrick (steel guitar - 1981 session)
Hargus 'Pig' Robbins (piano)
Bobby Wood (piano)
Terry McMillan (harmonica)
John C. Williams (bass)
Henry Strzelecki (bass)
Kenny Malone (drums)
Special Guest Apperance:
Minnie Pearl (vocals - #6)
Additional Musicians:
Marty Stuart (guitar, mandolin)
Buddy Miller (guitar)
Pat McLaughlin (guitar)
Jerry Douglas (Dobro)
Laura Cash (fiddle)
Tony Harrell (keyboards)
Rick Lonow (percussion)
Niko Bolas (percussion)
T. Blade (percussion)
Bryan Sutton (acoustic guitar - #11)
Sam Bush (mandolin - #11)
Mark Fain (upright bass- #11)
Carlene Carter (harmony vocals - #2)
The Cash Cabin Vocal Group And The Full Student Body Of Sumner Academy, K8, Gallatin, TN - #9)
Tracklist |
01:Out Among The Stars (Recorded April 11, 1984)
02:Baby Ride Easy [Duet with June Carter Cash] (Recorded May 18, 1984)
03:She Used To Love Me A Lot (Recorded June 14, 1984)
04:After All (Recorded April 11, 1984)
05:I'm Movin' On [Duet with Waylon Jennings] (Recorded May 17, 1984)
06:If I Told You Who I Was (Recorded May 17, 1984)
07:Call Your Mother (Recorded June 14, 1984)
08:I Drove Her Out Of My Mind (Recorded April 12, 1984)
09:Tennessee (Recorded March 18, 1981)
10:Rock And Roll Shoes (Recorded Aprl 12, 1984)
11:Don't You Think It's Come Our Time [Duet with June Carter Cash] (Recorded March 18, 1981)
12:I Came To Believe (Recorded April 12, 1984)
Bonus Track:
13:She Used To Love Me A Lot (Nov. 2013)
|
|
Externe Links:
|