|
Marc Carroll / Dust Of Rumour
|
|||
|
Sollte das Unmögliche wahr geworden sein? Roger McGuinn hatte eine Byrds-Reunion in unserem letzten Interview ja wiederholt kategorisch ausgeschlossen.
Aber was kommt denn da auf mich zugerast?! "Now Or Never" titelt die ultimative Killerwelle, spült mir das Surfbrett direkt unter den Füßen weg, um mich dann gefühlte, kraftgetriebene 30 Meter hoch in die Luft zu schleudern. Heaven! ...diese perfekt arrangierte, vielstimmige Sound-Fontäne rauscht mit der energetischen Wucht von Niagarafällen durch die Gehörgänge... Marc Carroll ist gebürtiger Ire, in Dublin aufgewachsen, umweht vom rauhen Wind des britischen Punk'n'Roll der Spätsiebziger. Seine tiefere Inspiration jedoch fand der Mann von der grünen Insel mit der stattlichen Anzahl markanter Konsonanten im Namen in der traditionsreichen englischen und amerikanischen Folkmusic. Maßgeblich prägten ihn Einflüsse des glamourösen Lehrwerks
Richard & Linda Thompsons, Fairport Conventions, aber unverkennbar auch die transkontinentale Institution Bob Dylan nebst dessen einst stil- wie weltübergreifend beauftragten und ebenso erfolgreich operierenden Folkelektrikern The Byrds. Carroll ist leidenschaftlich-subtiler Feinmechaniker, der diesen seinen exquisiten Bausatz mit unglaublichem Fingerspitzengefühl zusammenfügt - und zwar songschreibend, singend und sämtliche Instrumente selbst spielend - um damit seit Jahren ein apartes Klangstück nach dem anderen ins audiovisuelle Schaufenster zu stellen. Hinter diesen Scheiben inszenieren sich perfekte Sonnenwege vom strahlend hellen Morgen zur malerisch ausklingenden Abenddämmerung. Warm und erdig durchwirkt die Stimme des momentanen Wahlkaliforniers seidige Westcoastfasern im Golden-Years-Charme seines glanzvoll verwobenen twangy Jingle-Jangle-Soundmusters.
"Dust Of Rumour" ist der seit Juli erhältliche vierte Streich dieser Spezial-Serie. Ein Staub, der sich ganz und gar nicht aus lauter unscheinbaren Körnchen zusammensetzt. Gleich der erste Brocken - "Love Will Rule Our Hearts" - imposantes chorales, rhythmisch druckvoll untermauertes Machtwort für die Liebe, wirbelt die magische Substanz gewaltig auf. "Always" - infektiöser, melodiöser Magnet an Nr. 3, begleitet Carroll beim Video-Dreh durch sein kleines kalifornisches Roadmovie und visualisiert die allzu 'unschöne Welt' in Nevadas wüstengrauer Tristesse. Ob "Against My Will", "The Boy Who Dreamed" oder "Illusion And I" - man kann grenzenlos weiterträumen in den luxuriösen, präzise ausgearbeiteten Folk-Rock-Fantasien des Marc Carroll.
Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, wie sich die Vielfalt der Arten ihren erstaunlichen Weg zwischen überdimensionierten Bollwerken marktbestimmender Gebrauchscharts und kurzlebiger Massenunterhaltung bahnt. So hat sich die Zähigkeit unseres irischen Naturbeispiels schon in durchaus bemerkenswerter Weise bezahlt gemacht, denn "Dust Of Rumour" erhält seit seiner Veröffentlichung vor zwei Monaten ausnahmslos exzellente Kritiken in einschlägigen Gradmessern der Musikpresse des richtungsweisenden United Kingdom.
Den Ritterschlag aber bekam der sympathisch zurückhaltend erscheinende Dubliner mit der verblüffenden fachlichen und seriösen Erhabenheit eines Best Agers der ausgewiesenen Musikhistorie bereits für seine Version von "Gates Of Eden" (erschienen 2006 auf "All Wrongs Reversed") in Form einer ausdrücklichen Empfehlung durch keinen Geringeren als Sir Bob Dylan persönlich. Sie müssten also weit geöffnet sein, jene Tore...
Doch leise Befürchtungen bewahrheiten sich ernüchternd, wenn Marc Carroll erklärt: »The reviews for the new album have in general been positive but that of course rarely translates into record sales.«, schließlich unumwunden feststellt: »Most of the best music rarely gets heard by a public so intent and comfortable with being fed what to listen to by a media that lacks imagination and any sense of truth.« und auf meine Deutschland-Tour-Nachfrage hin kaum glaubbar einräumt: »There are no touring plans at all. It can be very costly to tour. A few years ago whilst promoting the previous album, I toured acoustically. It is also very hard to get shows booked but who knows, sometime in the future maybe I will get to Germany to play.«
Statements, die außer einem unbegreiflichen Kopfschütteln keines weiteren Kommentars bedürfen.
Marc Carroll - der Harmony-Fantast, Linkshänder-Gitarrist, Self-Made Man und Überzeugungstäter schwimmt seit einer Dekade beharrlich solide Runden im berüchtigten Haifisch-Becken der Musikindustrie und ist dennoch DIE Entdeckung des Jahres für mich. Grandioser, fundamentaler Singer/Songwriter-Folk-Rock, traditionell und stilsicher verortet, in routiniert zeitgemäßem, unerhörtem, superb detailliertem Design.
Way to go, Marc!
Externe Links:
|
