Ry Cooder / I, Flathead
I, Flathead Spielzeit: 53:08
Medium: CD
Label: Nonesuch Records/Warner, 2008
Stil: Americana


Review vom 15.08.2008


Norbert Neugebauer
Die neue Veröffentlichung des besten Sideman aller Zeiten, der kaum mehr zählbare Produktionen vor allem als Slide-Gitarrist veredelt, vier Grammies für hochqualitative Zusammenarbeiten mit diversen Top-Musikern, einen Grammy für ein Kinderalbum sowie einen als Produzent, aber nie für ein 'richtiges eigenes' Album erhalten hat.
Ry Cooder bleibt auch diesmal der musikalische Chronist Kaliforniens des letzten Jahrhunderts. Mit "I, Flathead" hat er nun seine Trilogie abgeschlossen, die mit "Chavez Ravine" begann und
My Name Is Buddy seine Fortsetzung hatte. Und wieder ist es eine durchgehende (Short-)Story, diesmal sogar in einer limitierten Exklusiv-Version, mit 100-seitiger Text-Auflage versehen, erhältlich (die mir aber leider nicht vergönnt war).
Der Nachkriegs-Titelheld, Kash Buk, ist Rennfahrer auf einem Salzsee, Leader der Country-Band The Klowns und auch sonst ein Haudegen vom Schlage eines John Wayne, Steve McQueen oder Humphrey Bogart. Er erzählt seine Geschichte und Geschichten jedoch auch in der akustischen Version wiederum so anschaulich, dass der Staub, der Zigarettenqualm, der Sprit und der Schmalz nur so aus den Boxen quellen. Ein atmosphärisches Hörbuch mit 14 Genre-Songs, die an Cooders ganz frühe (hochklassige) Alben anschließen. Er pendelt irgendwo zwischen Hank Williams-Schmachtfetzen, Fünfzigerjahre-Rock'n'Roll und Borderline-Honky Tonk. Und das kann er wie kein anderer, diese Leinwandschinken-Stimmung zu zelebrieren und trotzdem nie richtig kitschig zu tönen.
Mit "I, Flathead" hat er das Rad der Zeit ein Stück weitergedreht und das Album ist auch, anders als der Vorgänger, 'elektrisch'. Und abwechslungsreicher. Aber es ist wiederum nicht das vor allem von Slide-Fans sehnsüchtig erwartete, die noch immer auf einen adäquaten Nachfolger von "Bop 'Til You Drop" hoffen. Es geht bunt durch die diversen Musikstile des ländlichen Amerikas und Cooder stellt sein Können auf diversen Saiten-Instrumenten einmal mehr unaufdringlich unter Beweis. Das wildbewegte Leben des Großmauls, der aber irgendwie immer auf der Loser-Seite steht, die falschen Girls anbaggert und dazu noch Besuch von einem Alien bekommt, bietet dazu reichlich Stoff.
Die erste Überraschung ist Cooders Stimme, die gar nicht mehr dünn, sondern, ganz im Gegenteil zum Vorgänger-Album, tief, kratzig und versoffen klingt. Und die zweite, welche Dynamik uns da schon beim ersten Song entgegendröhnt. Das ist der lang vermisste Sound des ersten Digital-Albums der Rockgeschichte (das damals überhaupt nicht 'digital' klang). Beim Opener wird Ry von Sohn Joachim (und auch sonst überwiegend) an den Drums und den Mariachi Los Camperos begleitet und das klingt dann auch schwer nach dem Grenzland. "Waitin' For Some Girl" könnte gut vom alten Little Village-Kumpel John Hiatt stammen, diesmal ist Cooder auch an der Mandoline zu hören. Satter, schön-schräger Rockabilly-Twang bei "Johnny Cash" und dann der ultimative Bar-Anmacher-Track "Can I Smoke In Here?", wieder mit dieser absoluten Macho-Stimme.
Nach dem Low Budget-Krimi-Blues entführt Cooder in den swingin' "Steel Guitar Heaven", niedergekommen im nächsten Tanzschuppen. Satter 'Flathead'-(so wurden die selbstgebauten Dragster der Nachkriegszeit genannt) Sound röhrt "Ridin' With The Blues" ein und hier ist erstmals die Slide des Meisters zu hören. Fortsetzung gleich auf "Pink-O Boogie", ein krachendes Schmählied auf FBI-Hoover und die Republikaner. Bei "Fernando Sez" kommt wieder die Bläser-Fraktion zum Zug, ein mit holprigem Latino-Rhyhtmus unterlegter Verkaufs-Dialog mit einem mexikanischen Autohändler - klasse Szene!
Mit "Spayed Kolley" singt Cooder ein Skiffle-Loblied auf seinen Hund. Und mit "Filipino Dance Hall Girl" geht's gleich weiter mit der Gefühlsmasche und einer Reminiszenz an den Buena Vista Social Club. Flaco Jimenez, der Tex-Mex-Compagnero früherer Tage, darf auch wieder einmal auf einem Cooder-Album mit seinem Akkordeon mitmischen. "My Dwarf Is Getting Tired" ist eine echte Sentimental-Nummer im Bossa-Sound, dann kleidet der Kalifornier seinen nächtlichen Motoren-Traum in eine jazzig-coole Vision mit Sprechgesang. Der verkrachte Country Man darf kurz vor Schluss noch mal ran und dann überlässt der Maestro Juliette Commangere das Mikro zum sphärisch-verträumten Finale.
Für meinen Geschmack hätte es gegen Ende noch einmal deftiger zugehen können, aber das war wohl die 'typisch amerikanische' Linie, die sich Ry Cooder vorgenommen hatte. Trotzdem - ein durch und durch hervorragend gemachtes, bestens produziertes Konzept-Album mit voluminösem Sound, besser gesagt, ein genialer Soundtrack ohne Film. Die Bilder entstehen beim Hören und die Musik selbst ist der Road-Trip. Keine neues "Bop 'Til You Drop", aber das rundeste Ry Cooder-Album seit ewigen Zeiten. Schön schräge Songs für Fans des Kerouac-Amerika, die gern Kopfkino fahren.
Tracklist
01:Drive Like I Never Been Hurt
02:Waitin' For Some Girl
03:Johnny Cash
04:Can I Smoke In Here?
05:Steel Guitar Heaven
06:Ridin' With The Blues
07:Pink-O Boogie
08:Fernando Sez
09:Spayed Kooley
10:Filipino Dance Hall Girl
11:My Dwarf Is Getting Tired
12:Flathead One More Time
13:5000 Country Music Songs
14:Little Trona Girl
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