»Lesen bildet« - wie oft ist wohl jeder von uns im Laufe seines Lebens mit diesem Satz konfrontiert worden. Für uns RockTimer könnte man dieses geflügelte Wort etwas umwandeln, etwa in: 'Korrekturlesen bringt Dich auf neue Ideen'. Und genau das passierte mir, nachdem ich dieses Review meines geschätzten Kollegen Steve gelesen hatte. Nach diesen so ziemlich begeisterten Aussagen stand für mich fest: Mit Stacie Collins würde ich mich mal intensiver beschäftigen, obwohl ich bis zu dem Zeitpunkt noch keinen einzigen Ton dieser Band aus Nashville/Tennessee gehört hatte. Gesagt, getan - kurze Zeit später war die CD/DVD "Shinin' Live" in meinem Besitz, und schon nach dem ersten Hördurchgang stand fest: Diese Dame musst du unbedingt live erleben, denn sowohl akustisch als auch optisch verbreitete die Band selbst auf Tonträger eine Energie, die schon in den eigenen vier Wänden fast ansteckend wirkte.
Und an diesem Freitagabend war es nun soweit. Bereits zum vierten Mal lief die amerikanische Sängerin in Isernhagen auf. Ein sicheres Zeichen für gute Live-Arbeit, denn sonst würden so viele Wiederholungen in der Bluesgarage nicht stattfinden. Da ist Henry ganz eigen. So war ich bei unserer Ankunft auch ziemlich gespannt, wie viele Leute Stacie Collins ziehen würde, denn immerhin herrscht in der Bluesgarage zurzeit absolute Hochsaison (17 Konzerte allein im Monat November), sodass die Besucher schon etwas abwägen müssen, welche Gigs sie sich denn nun antun sollen. Doch in Sachen Stacie Collins schien die Rechnung aufzugehen, denn bei Konzertbeginn war der Saal doch sehr gut gefüllt. Die Mundpropaganda schien gewirkt zu haben, denn es tummelten sich jede Menge 'Wiederholungstäter' vor der Bühne.
Als die Band pünktlich um 21.00 Uhr loslegte, war vom ersten Ton an klar, dass an diesem Abend eine der schweißtreibendsten Shows ablaufen würde, die ich bisher erlebt habe. Ohne jede Schrecksekunde knallte die Band mit "Baby Sister" so richtig los. Frontfrau Stacie maß zum ersten Mal die Bühne aus und begann damit ihr ganz persönliches Konditionstraining, bei dem sie kaum eine Sekunde lang auf einem Fleck stehen blieb und dabei ein Tempo vorlegte, dass bei mir so einige Fotos im wahrsten Sinne des Wortes ins Leere gingen. So etwas ist mir auch schon lange nicht mehr passiert. Gleich von Anfang an war klar, dass Stacies wilde Harp-Einsätze zu den Höhepunkten der Show werden würden. Herrlich, wie sie das kleine Instrument unter vollem Körpereinsatz traktierte. Dabei musste nicht unbedingt jeder Ton hundertprozentig passen. Die Band wollte Party machen und nur darauf kam es ihnen an, obwohl natürlich völlig außer Frage stand, dass alle vier Musiker hervorragend spielten.
So wunderte es nicht, dass schon nach ziemlich kurzer Zeit der Schweiß bei dem Quartett in Strömen floss. Offenbar war aber 'Mund abputzen und weiter machen' das Motto der Vier, denn trotz der sichtbaren Anstrengung stand ihnen fast ständig ein breites Grinsen ins Gesicht geschrieben. Spielfreude pur, und das mit einer Frontfrau, die zwischen den Songs den Kontakt mit dem Publikum sichtlich genoss, sodass sich sehr schnell eine richtige Partystimmung einstellte, wie sie nur äußerst selten erreicht wird. Niemand im Saal stand still, sondern jeder ließ sich von der Energie anstecken, wobei natürlich immer noch genügend Zeit war, um jede Soloeinlage mit donnerndem Zwischenapplaus zu honorieren. So viel Zeit muss eben sein. Gar keine Frage.
Die Setlist bewegte sich eng an der des aktuellen Live-Longplayers, der so gut wie komplett abgearbeitet wurde. Es gab lediglich ein paar kleine Veränderungen in der Reihenfolge der Songs. Dazu gab es noch einige neue Titel auf die Ohren, wobei sich der Country-Einfluss aber in engen Grenzen hielt, was dem Auftritt sehr gut tat, denn so wurde das Tempo nicht unnötig aus der Show gezogen. Außerdem überraschte Stacie Collins noch mit einer sehr gut gelungenen Coverversion des Stones-Songs "Happy", bei dem Gitarrist Jon Sudbury den Keith am Gesangmikrofon geben durfte. Echt stark gemacht, obwohl die Leadgitarre für meinen Geschmack etwas zu leise eingepegelt war. Da hätte etwas mehr Saft durchaus gut getan. Aber das war nur ein ganz kleiner Makel, der dem eigentlichen Gig nicht schadete.
Nachdem der offizielle Teil des Konzertes beendet war, gab es dann erstmal eine Torte für Stacie, die an diesem Tag ihren sechsundreißigsten Geburtstag feierte. Nach dem obligatorischen Kerzenausblasen nahm eine sichtlich gerührte Stacie Collins die Glückwünsche des Publikums entgegen, das ihr ein herzliches und aus dem tiefsten Inneren kommendes "Happy Birthday" entgegen schmetterte. Nicht schön aber selten, aber genau das hatte die immer freundliche und gut aufgelegte Rocklady auch vollkommen verdient. Doch noch war nicht Schluss mit der Veranstaltung. Es waren ja auch erst neunzig Minuten vergangen und es fehlte noch der komplette Zugabenteil, der auch sehr lautstark eingefordert wurde. Klar, dass die Band diesem Wunsch sehr gerne nachkam.
Die Zusatzschicht erstreckte sich dann über schlappe dreißig Minuten und bestand aus einem sehr starken "Baby Please Don't Go", einem Titel, der ja geradezu prädestiniert dafür ist, mit ausgiebigen Improvisationen zu glänzen, was der Vierer auch gründlichst tat. Nacheinander wurden im Zwischenteil der Golden Earring-Klassiker "Radar Love" und das unverwüstliche "Jumping Jack Flash" eingebaut und, um dem Ganzen dann auch noch die Krone aufzusetzen, machte sich Stacie Collins zu einem Ausflug durch alle Regionen der Bluesgarage auf den Weg, bei dem sie schließlich fast auf der Brüstung des Obergeschosses hing und ihre Harp mit voller Inbrunst blies. Ganz starker Auftritt.
Mit dem alten AC/DC-Gassenhauer "It's A Long Way To The Top", der natürlich ebenfalls stürmisch gefordert wurde, endete diese überragende Konzertfete, die alle meine Erwartungen mehr als erfüllt hat. So hat mir der Tipp von Steve ein saustarkes Konzert beschert, wofür ich mich nur ganz herzlich bedanken kann. Und für mich ist nun auch bewiesen: »Lesen bildet!«
Line-up:
Stacie Collins (vocals, harmonica)
Al Collins (bass, vocals)
Jon Sudbury (guitar, vocals)
Ryan McGormick (drums)
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