Wenn es Künstler gibt, die für zwei Reviews gut sind, dann gehört His Bobness unzweifelhaft dazu. Daher neben Daniels Worten nun Grits Sicht des neuen Albums.
"Together Through Life" - ein Titel wie man ihn ohne Schwierigkeiten in die Soft-Pop-Charts beliebiger Jahrzehnte einordnen würde... Steckte da nicht ein tricksmarter, eifrig produzierender Jack Frost im teuflischen Detail. Jeder dieser Frost-Outputs hat - immer noch - die unvergleichliche Begabung, eingeweihte Ohren in gespannter Erwartung vulkanisch hoch zu spitzen. Besagte Spannung und Neugier weichen der Verblüffung, wenn Bob Dylan mit seiner schlüssig simplifizierten und nicht zuletzt romantischen Lebensphilosophie zu überraschen vermag. Ist das die finale Erkenntnis seines zähen, endlosen World-Turnarounds? Beruhigend jedenfalls zu wissen, dass ER endlich global überprüft hat, was wir in all unseren kleinen Lebenskosmen schon lange ahnten.
Beleuchtet der Pop-Star unter den Humanwissenschaftlern vor drei Jahren noch in seiner temporal reflektierenden Doktorarbeit die Zusammenhänge 'moderner Zeiten', so besinnt sich der liebenswert unspektakuläre Zwischenruf neuesten Datums aus der undurchschaubar abgedunkelten Dylan-Cabin auf die instinktive, wohl einzige Stratégie de Survie des menschlichen Individuums: 'Zusammen durchs Leben' lädt der Poet of the Century in seine cinematographischen, staubig asphaltierten Referate über die ersehnte Rettung aus der Einsamkeit im Allgemeinen und der seinen im Besonderen ein.
Den Hintergrund des atmosphärisch feinst ausgearbeiteten Bühnenbilds dieses Longplayers malt Dylan in seiner aktuellen Lieblingsfarbe. Und die heißt - der Kenner weiß es - blau. Für die geschmackvollen Blue Notes im rustikalen Ambiente sorgen, wie auch schon bei Modern Times, die bewährten Banjo-Strings, ein albumweit stimmungsvoll präsentes Akkordeon, überflogen von fingerfedernder Leichtigkeit, ein paar dezente Bläser. Der Besen streicht den Swing im Blues glatt, und stil-rahmende Coffeehouse-Violins lokalisieren Dylans tiefe, ungebrochene Sehnsucht nach Süden.
Mit an die mexikanische Grenze gereist ist Tom Pettys 1. Offizier aus dem renommierten Heartbreaker-Ensemble, Mike Campbell, um bei seinem vorübergehenden, glanzblendend emblemierten Auftraggeber nicht nur anhand zarter Mandolinenklänge Fähigkeiten im Fach vornehmster und zugleich wirkungsvollster saitlicher Zurückhaltung zu demonstrieren. Für die geografisch korrekte Verortung des Aufnahmegeschehens kartografiert Los Lobos' David Hidalgo einen eleganten Schleier latinesken Flairs über das kühl-professionelle Studio-Arrangement.
Lethargisch entspannte Resignation in der Totalen, gibt der Regisseur die audiovisuelle Grundeinstellung in seinem szenisch starken, schwarz-weiß-dramaturgischen Roadmovie vor. Lyrisch unterstützen lässt er sich bei dieser Arbeit vom bekanntermaßen Genre-sensibilisierten Regieassistenten Robert Hunter, was in selbsternannten Fach-Kreisen für staunend anerkennende nach unten gerichtete Mundwinkel gesorgt haben dürfte und dem schlichten Ausdruck vergleichsweise leicht enträtselbarer Metaphern in den neuen Dylan-Stücken eine sehr direkte Präsenz verleiht.
"Beyond Here Lies Nothin'" diagnostiziert Dr. Zimmerman gleich zu Anfang die topografische Lage des depressiven Kernsymptoms und warnt nach der vorbildlich ökonomisch zusammengefassten Negativ-Prognose des irdischen Daseins von "Life Is Hard" darauffolgend im dennoch beschwingt eingängigen "If You Ever Go To Houston" vor den weiblichen Gefahren schmerzhafter Reminiszenzen dieses, nach texanischen Städten wie sich gar herausstellt, beliebig austauschbaren Trips.
Mit trübsinnigem Blick starrt der brillante Hauptdarsteller seines eigenen Worst-Case-Szenarios auf das leere Whiskey-Glas in der linken Hand. Und Dylans aus der unheimlichen Tiefe sagenhafter Gesteinsschluchten herausgebrochene Stimme erinnert sich, dass sie doch 'noch einen' wollte. Die rechte Hand stützt den Tresen. Wahrscheinlich ist es eher umgekehrt. Aber Whiskey ist aus, die Flaschen randvoll gefüllt mit Tränen, und 'verschließ' sie gut!' gemahnt der letzte Gast des Abends...
Dylan skiffelt durch die Straßen von "My Wife's Hometown" - Er weiß, dass er das nicht tun sollte. Zu spät... Big brown eyed "Jolene" rettet den Verlorenen in ausgelassen vergnüglicher Manier, doch es wird zurückkehren, eines dieser achtlos vergessenden Herzen. Es herrscht in der düsteren Twilightzone zwischen gestern und morgen, während das gedankliche Gehör untrüglich dem Klang des Schmerzes in erbarmungsloser nächtlicher Stille folgt... "Forgetful Heart" ist der kleine funkelnde Bruder des großen mystischen Soundspirits von "Ain't Talking" und schimmert als samtschwarzer Diamant im Song-Collier dieses runden, silbernen Schmucketuis seiner Majestät.
Die groteske Ironie von "I Feel A Change Comin' On" führt His Bobness als melodiöses, herausragend arrangiertes Highlight hin zu fast vermisster, scharfzüngiger Angriffslust am Schlusspunkt des Albums, wenn der promovierte Langzeitbeobachter zivilisatorischen Wahnwitzes mit "It's All Good" die sarkastische Bestandsaufnahme der Gegenwart als Denk-Hausaufgabe bis zur nächsten geschätzten Gastvorlesung - in spätestens drei Jahren? - aufgibt. Bis dahin... kein Grund zur Sorge! Alles wird gut.
»Music hall, not poetry, is a criticism of life« unterschied einst James Joyce, der Dylan in seiner 'gefühlt nahenden Veränderung' inspiriert...
Hinter dem hübsch dekorierten Appetitanreger "Together Through Life" verbirgt sich in Wahrheit doch einmal mehr ein allzu philosophisches Hauptgericht. Wer also in alles beherrschenden Fastfood-Zeiten weiterhin auf vollwertige Ernährung setzt, kommt an diesem 33. Rezept für Geist-Feinkost aus dem Bob-Bistro wieder nicht vorbei. Mehr noch, Dylan gehört zum Frühstück.
Schließlich: Weiß man, ob man heute noch was Anständiges zu essen kriegt?
Tracklist |
01:Beyond Here Lies Nothin'
02:Life Is Hard
03:My Wife's Hometown
04:If You Ever Go To Houston
05:Forgetful Heart
06:Jolene
07:This Dream Of You
08:Shake Shake Mama
09:I Feel A Change Comin' On
10:It's All Good
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