»A dazzling haze of criminal minds / Riddles, traps and horrible crimes,
The Civil - The Lie - The Nation! / A deadly race to the other side ...
Upon a stage / Raped from a thousand lies,
A bunch of clowns / Perform a monstrous crime!« ("The Charlatans")
Normal gibt's ohnehin schon. Extravagant mittlerweile auch schon ein Weilchen - und deswegen brauchen Dakrya nicht gerade mit dem sprichwörtlichen Rad unterm Arm zum nächsten Patentamt zu rennen. Aber was Besonderes ist der Grusel- und Fantasy-Metal schon. Die Griechen legen nach "Monumento" (2008) ihr zweites Album vor und reihen sich stilistisch in die Regionen von Bands wie Diablo Swing Orchestra oder Stolen Babies ein, sind in diesem Dunstkreis aber wesentlich 'ohrenfreundlicher' als zum Beispiel Madder Mortem.
Dennoch ist "Crime Scene" ganz schön abgefahren - theatralischer Heavy Metal mit avantgardistischen Anflügen; eine fantasievolle Szenerie für die Ohren. Unter dem Kopfhörer betritt man eine verwunschene Parallelwelt. Ein Jahrmarkt mit zombiehaften Gauklern; Schauspieler mit Spinnweben in den Haaren, denen der Wahnsinn aus den Augen schaut; Fledermäuse flattern umher; und ... hat sich eben die Fuchs-Stola um den Hals der Dame bewegt und mich angeglotzt?! Eine gruselig-gewitzte Grundstimmung, irgendwo zwischen den Munsters, der Addams Family und Harry Potter!
Ein wahrlich theatralisches Wechselspiel aus zwei Sängerinnen und einem Sänger mit pointiertem Gesang, opernhaften Einschüben und unheimlichen Sprech-, Growl- und Flüsterparts kreiert tausende Bilder vor dem inneren Auge. Die Songs sind sprunghaft arrangiert. Aber sie gehen trotzdem super ins Ohr, wegen der Spannung. Chorusse wären für Dakrya zu ... normal. Wiederkehrende Parts gibt es natürlich trotzdem viele. Man ahnt nur nicht, wann sie wieder kommen. Die Songs folgen einer Art Pulsschlag. Es ist der Puls, den jemand hat, der allein um Mitternacht im Gewitter umherirrt, ab und zu stehen bleibt und hinter sich guckt, weil er fühlt, dass jemand folgt ...
Bombastischer, sehr fett produzierter Power Metal bestimmt den Sound, verproggt bis anarchisch. Das Speed-Geschreddere mit Salven-artigem Double Bass, die Bombast-Gitarrenwände, die düsteren und von Breaks durchsetzten Riffs und die unheimlichen Kribbel-Atmosphären mit surrealen Orgel- und Spieluhr-Klängen - alles muss sich nach einer Art Skript richten. Und das könnte von einem Tim Burton stammen. Bei der Verfilmung von "Crime Scene" würde die Hauptrolle dann Johnny Depp zufallen.
Eine fantastische Welt mit guten und bösen Zauberern in alten Schlössern; an der Wand hängen Ahnen-Porträts, auf denen sich die Augen bewegen, wenn man vorbeigeht; schwarze Katzen laufen durch die Gänge, und halbdurchsichtige Geister verstecken sich in Mauerritzen ... eine Welt, die man nur im Traum betritt, durch den Bau eines weißen Kaninchens, das immer spät dran ist, oder mit dem Zug von Gleis Neundreiviertel? Könnte passen. Aber Dakrya beschreiben mit ihrer akustischen Schauder-Show tatsächlich etwas ganz anderes - nämlich unsere ganz reale Welt!
»This is the show called 'World'! / Where colored papers buy God,
Where ego reigns above all / And madness serves the Greater Cause!
Human! Welcome ... to the World! / Enter this majestic Fraud« ("Scaremongering")
"Crime Scene" ist, so sagt es die Band selbst, eine Metapher für die Welt, in der wir leben: »so simple and so complicated at the same time. A person has to change so many faces in order to obtain a 'socialised' and 'normal' image, that if you think about it a little bit ... we all look psychotic. In "Crime Scene" we improvise against reality!« In Dakryas Version der Realität kommen böse Clowns vor, Waisenkinder, die auf der Straße Blumen verkaufen, besessene Menschen in Massenhysterie. Von leeren Seelen ist die Rede; und dann betritt auch noch ein gewisser 'Großer Architekt' das Theater, dessen Vorhang sich niemals schließt ... kurzum: Dakrya gucken auf die Welt und sehen eine Freak Show. Und "Crime Scene" ist der Soundtrack zum globalen Gruselkabinett zum Selbstinterpretieren, mit viel Ironie, charmantem Witz, skurriler Bannkraft, und - viel Qualität.
Was sie da instrumental abziehen ist kein Rumgegaukle, sondern hinter dem tiefgründigen Gimmick steckt Power Prog zum Zungeschnalzen. Wer Jon Olivas Maniacal Renderings liebt, für wen "Alison Hell" von Annihilator Kultstatus hat, oder wer proggigen Düster-Melodic Metal à la Kamelot gern in der Geisterbahn hört, für den ist dieses Teil Gold wert. Schön schräg, bis hin zum instrumentalen Ausklang "A Dreadful Side Scene". Hier spielt noch einmal die Jahrmarkt-Orgel, nur von einer Bassfigur begleitet, ihr Lied, während ab und zu eine fremde Melodie von rechts nach links kommend dazwischenfunkt und dann wieder verschwindet ... die Orgel spielt wahrscheinlich ohnehin ganz von alleine. Große Unterhaltung, ganz großes Theater!
»Upon the stage of a theatre
That is called 'Life',
We wear the masks of humanity
And we pronounce our names!« ("Dramatis Personae")
Line-up:
Christina Kalantzi (vocals)
Thomais Chatzigianni (vocals)
Alex Drake (bass)
SophiaX (keyboards)
Angelos Charogiannis (guitars)
George Droulias (guitars, vocals)
Stavros Vorissis (drums)
Tracklist |
01:The Charlatans (4:32)
02:Blind Man's Bluff (5:05)
03:Scaremongering (4:35)
04:The Urban Tribe (3:59)
05:Camouflage (4:34)
06:Phantasmagoria (4:51)
07:Inertia (4:24)
08:Dramatis Personae (6:07)
09:A Dreadful Side Scene (2:27)
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