Es ist schon ein Wahnsinn, wie sich der Austausch eines einzigen Instrumentes im Bandsound niederschlagen kann. Am Beispiel der
Delta Saints bedeutet das: Harp-Player
Greg Hommert raus und Keyboarder
Willie Burns rein - macht aus einer souligen Blues'n'Roots-Band eine waschechte Jam-Truppe, die sich mit allen Größen dieses Genres messen kann. Der Mann ist ein echter Glücksfall; sein leicht 'angejazztes' Spiel erinnert deutlich an den großen
Danny Louis und eröffnet den
Delta Saints völlig neue Türen.
Nicht, dass die
Delta Saints bislang durch Probleme mit verschlossenen Türen auffällig geworden wären. 'Zopfabschneider' waren sie bereits von Beginn an. Wer sich
A Bird Called Angola aufgrund des Bandnamens und der damit verbundenen Hoffnung, sich den Silberling einer neuen, traditionell orientierten Blueskapelle zuzulegen, gekauft hatte, konnte sein blaues Wunder erleben. Nööö, die Jungs aus Nashville legten hier alles andere als falsch verstandenen Respekt vor vergilbten Blues-Größen an den Tag. Zudem klangen sie eher wie eine Band aus 'Big Easy' denn aus 'Music City'.
An diesem Umstand hat sich mit dem vorliegenden Live-Album, "Live At Exit/In", nichts geändert - im Gegenteil. Der neue Mann,
Willie Burns verstärkt das 'Nawlinz'-Feeling in exorbitanter Art und Weise. Die
Delta Saints glühen und dampfen noch mehr, als man das ohnehin schon
kannte. (Ab mit Euch auf das nächste Jazz & Heritage, Jungs!!) Ich hätte schwören können, dass dieser 'pöse Pursche' ein uraltes, mit zahllosen Effektgeräten verfremdetes D6 (Hohner-Clavinet) und ein ebenso betagtes Wurlitzer spielt. Pustekuchen - das Foto im Inner Sleeve des Digipaks (auf das ich mich mangels jeglicher Infos auf der Promo-Version berufen muss), zeigt
Bruns an dem Tausendsassa Nord Electro3 und einem mir unbekannten Keyboard - beides aus diesem hyperdigitalisierten Jahrtausend. Herr der Himmel und Höllen, meine Vorurteile gehen mir so langsam flöten...
Doch egal, ob Fisch oder Aal - genau diese Klangfarben haben im Sound der
Delta Saints bis dato gefehlt. Gerade in den Titeln, die an die jammige Zehn-Minuten-Marke 'hochgejazzt' werden, wie dem Jam-Monster "Pray On" oder dem Slow Blues der etwas anderen (nämlich der aufregenden!) Art, "Crazy".
Die Aufnahmen zu "Live At Exit/In" entstanden bei einem Heimspiel der Jungs an zwei Abenden in Nashville. Entsprechend euphorisch sind die Interaktionen zwischen Bühne und Publikum. Die Delta Saints spielen sich einen Wolf - Ben Ringel schnaubt, stöhnt, seufzt und schreit sich die Seele aus dem Manipura Chakra. Einen neuen Song haben sie zwar nicht auf der Pfanne, aber die alten werden in glühendheißen Interpretationen dargeboten. Wie im sensationellen "Drink It Slow", in dem Phaser-verfremdet klingende D6-artige Läufe das charakteristische Harp-Lick vertraut und doch völlig neu intonieren - von Burns' irrem (Orgel-)Solo auf dem Nord mal ganz abgesehen. Hier wird ein bis dato 'lediglich' starker Song in die Gov't Mule-Liga exportiert.
No fillers, only killers - diese griffige Kurzformel lässt sich auch auf "Live At Exit/In" anwenden. Die Saints präsentieren ihre wohlbekannte Mixtur aus (zopflosem) Blues, Soul, Roots- und Country Rock, von Burns' jazzigem Spiel im metaphysische Jam-Sphären transferiert. Am Coolsten wohl - neben dem bereits angesprochenen "Drink It Slow" - im explosiven Medley "Chicago/Boogie", dem Slide-verhexten "Cigarette" und meinem persönlichen Favoriten, dem maßlos guten "Momma".
Aber wie bereits angedeutet: Die gesamten gut siebzig Minuten sind mit prickelnder Atmosphäre geladen und strotzen nur so vor nur unzureichend gezügelter Spielfreude. Man fühlt sich mitten ins Publikum versetzt und ein schöneres Kompliment kann man wohl kaum einem Live-Album andichten.
Wer die gerade gespielten Europatermine verpasst hat, darf sich auf den Herbst freuen. Dann werden die Jungs niemand Geringeren als
Blackberry Smoke supporten - was für eine himmlische Konstellation! Wer sich nicht schnellstens die Karten sichert, ist definitiv nicht mehr zu retten...