Eine Platte, zwei Meinungen. Norbert legt vor und Jogi schiebt nach.
Norberts Meinung:
Deutschrock anno 2006? Juli, Wir sind Helden, Silbermond oder was? Nein, der Geist der 70er lebt! Und der ist in Franken wieder aus seiner Flasche geschlüpft und hat einer Band seinen Namen gegeben, damit sie das Erbe jener Zeit antrete.
»Mit den Prinzen stehst du auf, und Hans Hartz bringt dich gut drauf
mit Nena gehst du zum Frühstück
und bevor es Mittag wird, hast du schon Lindenberg gehört
und BAP und Brings geben dir den Durchblick
Westernhagen und Grönemeyer
nur nich so'n Scheiss wie Bad Brains und Slayer ...
Klaus Lage, Puhdys und George Kranz,
Maffay und Tamara Danz
Deutschrock rules, Deutschrock ist dein Leben!«
Ja, genau das, aber leider weder so gekonnt, noch so locker persifliert, wie Die Ärzte ("Deutschrockgirl") es bringen, sondern mit bierernster Auferstehungsabsicht kommen uns da Djinn aus Nürnberg. Alles qualifizierte Musiker, die sich ihre Sporen bei Fiddlers Green, in Coverbands, als Studiotechniker, Musiklehrer oder Bandtechniker verdient haben und sich nun mit ihrem Erstlingswerk "*gewünscht ... gerockt*" einem größeren Publikum vorstellen wollen. Ich hab keine Ahnung, ob es noch einen Fankreis für Deutschrock dieser Prägung gibt, weil mich die oft recht mühsam zusammen gezimmerten Songs mit ihrer zumeist angestrengten Pubertätslyrik nie wirklich tangiert haben.
Djinn bewegen sich irgendwo zwischen den Deutschrock-Opas und Omas und ihren heutigen Enkeln; soundmäßig eher in den Achtziger und Neunziger Jahren, die Texte, na ja, von NDW-"Ich will Spaß", über ein bisschen Sozialkritelei, dem gequält-obligatorischen Schrei nach Verständnis und Befreiung, "Verdammt ich lieb dich"-Gesülze, "Asche zu Asche"-Pseudo-Düsternis bis zum Schwanengesang von "Alles nur Show"-Klischees über Klischees, tausendmal gehört, tausendmal nur neu gerührt. Sieben Songs auf der CD und drei Bonus-Tracks, die mittels eines mitgelieferten Codes von der Homepage heruntergeladen werden können.
Mit der Musik allein könnte ich mich vielleicht noch arrangieren, aber die quengelige Stimme des Sängers Steffen Adis mit seiner Betroffenheitssingerei ist einfach nur nervig. Mag sein, dass Djinn live gut abgehen und ein jüngeres Publikum ansprechen können (die Homepage ist nicht sonderlich aussagekräftig und erinnert eher an die Teenie-Coverbands der Region). Aber selbst mit einem 'Frankenbonus' kann ich die CD nur Fans mit ausgesprochenem Hang zum Deutschrock empfehlen, wobei die Tendenz eher zu 'Matthias Pein', als zu 'Grölemeier' und 'Marius Müller-Unbehagen' geht.
Jogi sieht das so:
Jetzt ist diese EP mit knapp 27 Minuten bei mir aufgetaucht. Also nicht lange gefackelt und rein in den Player. Sieben Stücke erwarten den Hörer, wenn man sich diesen Silberling von den Franken reinzieht. Ein effektgeladener Bass eröffnet mit dem Song "Was kostet das Leben". Eine mit Crunch angereicherte und leicht funkige Gitarre ergänzt den Sound. Und dann singt Steffen Adis "Was kostet das Leben". Ich muss gestehen, dass das für mich auch etwas ungewohnt ist. Hatte ich mich zuletzt in den 80er Jahren dem Rock mit deutschen Texten hingegeben, muss ich meine Lauscher erst einmal umstellen. Offen für alles, was groovt und Laune macht!
Deutsche Texte sind auch in meinem Repertoire leider nicht mehr allzu präsent. Das liegt schlicht daran, dass die NDW-Epoche vorbei ist, Gruppen wie BAP, die nach dem Abgang von Klaus Heuser einfach viel zu schlechte Alben produziert haben und auch der leicht Diskussionen auslösende Peter Maffay sich auf dem 'Begegnungstrip' befindet. Und sorry, mit dem, was da die Alt-NDWler wie Nena u.a. trällern, kann ich mich beim besten Willen nicht anfreunden. Das schmerzt zu sehr und führt die Musik für meine Begriffe absolut ins Abseits. Formationen wie Wir sind Helden und Silbermond schließe ich da gleich mit ein. Trotz offenkundig enormer Fanschar einfach nicht mein Ding.
Das sage ich, weil ich jetzt gespannt bin, auf was Djinn mit ihrer Musik abzielen. Ganz wichtig, alle Bandmitglieder scheinen eine gewisse musikalische Basis zu besitzen. Da ist Gitarrist Ralf Heidenreich, Musiklehrer. Und Bassistin Tina Pfeiffer, die u.a. Gitarrentechnikerin ist, spielte in einer AC/DC-Coverband. Also kann man getrost annehmen, dass diese Gruppe das vollzieht, was ihr Spaß macht, ohne dabei bereits von vornherein auf jeglichen Kommerz abzuzielen. Und so muss man auf alle Fälle attestieren, dass sich die Gruppe auf einem Terrain bewegt, das zwar derzeit nicht 'in', aber selten ist. Insofern ein Pluspunkt aus meiner Sicht.
Die Produktion klingt in meinen vier Wänden sehr sauber und druckvoll. Die Gitarren braten und haben im zweiten Song "Al Arabia" schon einen wesentlich knackigeren Sound als beim Eröffnungstrack. Die Gitarrenarbeit gefällt mir persönlich sehr gut. So garniert man die Klampfe mit diversen Effekten und baut bei "Breite Deine Arme Aus" einen geilen Groove auf, für den Bass und Schlagzeug das Fundament legen.
Bei "Lass Mich" wird die Power rausgenommen und ich nehme mal an, dass das Duett zwischen Sänger Steffen und Bassistin Tina stattfindet. Ich kann der Nummer nicht viel abgewinnen. Die Chorgesänge sind klasse, aber dieses Beziehungsgedöns im wechselseitigen Gesang braucht kein Mensch mehr. Das ist noch nicht mal unbedingt eine ernsthafte Kritik, die sich alleine an Djinn richtet, denn auch die Schmuserocker von PUR sind immer noch der Meinung, dass man solche Stücke auf die Menschheit loslassen müsste. Ja ja, wer deutsche Texte schreibt, muss damit leben, dass die deutschen Medien sich das Zeug auch inhaltlich geben, dabei wissen wir nur zu gut, dass unsere Freunde aus dem Ausland manchmal einen noch viel größeren Quatsch verzapfen, wir selbst aber dazu neigen, genau diesen in den Himmel zu loben.
Apropos loben: Ein Lob gibt es von mir ganz klar für "Kellercore". Da würde ich mir viel mehr von wünschen, denn das rockt, drückt, groovt und macht Spaß. Hier beweist die Formation Innovation, die wieder von den Gitarren angetrieben wird. Da gibt es wunderbare 'Fill Ins', die über den Rhythmus gelegt werden.
Spätestens mit "Asche Zu Asche" wird klar, dass sich Djinn tatsächlich einem festen Stil verschrieben haben und diesen auch durchziehen. Das spricht für das gemeinsame Ansinnen. Im Grunde genommen ist man dem Hard Rock wesentlich näher, als dem, was der Deutsch Rock für gewöhnlich bietet. Ich hoffe, dass sich die Gesangslinien zukünftig etwas kreativer gestalten, denn auch wenn es zumeist passt, so gibt es das einfach schon viel zu oft. Das Problem liegt darin, dass die wirklich saubere und gute instrumentale Vorleistung einfach ein ums andere Mal kaputt gemacht wird. Das wird vor allen Dingen auch bei der Ballade "Blender" deutlich, denn die Band spielt einen dermaßen sauberen Rhythmus ein... da können sich andere eine Scheibe von abschneiden.
Noch mal zurück zum Anfang mit der Feststellung, dass es sich um eine EP handelt. Djinn haben das sehr geschickt gemacht. Wer diese CD erwirbt, bekommt einen Freischalt-Code, um sich die letzten drei Songs von der Homepage zu laden. Das würde dann in der Tat ein ganzes Album ergeben. Ich kann aus dem Waschzettel nicht entnehmen, warum und wieso der Zeitschuh so drückte, denn mir wäre es lieber gewesen, ich hätte gleich alles zusammen und müsste nicht der Vollständigkeit halber einen neuen Rohling verfeuern. Wer macht sich schon die Mühe und da muss man aufpassen, dass dies nicht kontraproduktiv wirkt. Im bandeigenen Shop sind diese als Bonus-Tracks deklariert. Das kann ich nicht nachvollziehen. Egal, vielleicht betreibe ich nur Wortklauberei.
Freundlicherweise möchte ich auch noch gerne auf die Präsenz bei MySpace verweisen. Dort kann man sich die Mucke anhören. Ich war schon immer der Meinung, dass man deutsche Bands unterstützen sollte. Die Voraussetzungen bringt die Band ganz sicher mit, den Erfolg kann eigentlich nur eine nicht vorhandene Kreativität verhindern. Das Debüt gefällt mir unterm Strich gut, wobei ich noch genügend Spielraum für wirkliche Steigerungen erkenne. Im Ergebnis alles offenkundig gute Musiker, die das Risiko eingehen, eine derzeit nicht allzu angesagte Musik zu spielen. Das ist grundsätzlich positiv zu sehen, aber ich persönlich würde mir einfach ganz andere Gesangslinien wünschen, die trotz angenehmer Stimme wirklich vollkommen destruktiv wirken. Und man muss dringend aufpassen, dass man so nicht in die Sparte 'unbedeutende deutsche Bands' gesteckt wird. Denn das hätten Djinn nicht verdient. Aber ansonsten ist das für mich mehr als okay!
Line-up:
Steffen Adis (Gesang)
Ralf Heidenreich (Gitarren, Gesang)
Tina Pfeiffer (Bass, Gesang)
Eric Obst (Schlagzeug, Gesang)
Stefan Debast (Gitarren, Gesang)
Tracklist |
01:Was Kostet Das Leben
02:Al Arabia
03:Breite Deine Arme Aus
04:Lass Mich
05:Kellercore
06:Asche Zu Asche
07:Blender
|
|
Externe Links:
|