Das ist mal ein Thema für ein Konzeptalbum, das nicht gerade auf der Hand liegt! Dorian Opera erzählen auf ihrer zweiten CD die Geschichte des ominösen 'Kinderkreuzzugs', bei dem im Jahr 1212 Tausende, womöglich Zehntausende junger Menschen in zwei Zügen aus Deutschland und aus Frankreich in Richtung Jerusalem aufgebrochen sind, um das 'Heilige Land' zu befreien. Im historischen Stoff platziert die Band zwei fiktionale Protagonisten: Jan und Constance, deren Wege sich zwischenzeitlich trennen, als er sich dem Zug auf deutscher und sie sich dem Zug auf französischer Seite anschließt.
Die Stimmen der beiden, das sind 'Gastsängerin' Alexandra Goess, die sehr oft auftaucht und weit mehr als nur ein Gast ist, und der neue Lead Sänger Sven The Axe, außerhalb von Dorian Opera Frontmann der selbst ernannten 'Horror-Metaller' Solemnity. Mit diesen Personalien hat man sich einiges Gutes getan! Zum einen kann sich Joe Eisenburger, der beim Debütalbum No Secrets auch den Gesang beisteuerte, nun auf seine Arbeit am Tieftöner konzentrieren. Und zum anderen hat Sven The Axe die richtige Stimme - mit einer satten Portion schauspielerischer Theatralik (hat manchmal was von Charlie Dominici, beispielsweise in "Hope") - für die zahlreichen Duette mit Alexandra Goess.
Das macht "Crusade 1212" nicht nur zu einer Power Metal-, einer Prog Metal-, einer Speed Metal-, einer epischen und neoklassischen Metal-, sondern auch zu einer Rockoper-Platte. Ziemlich viel Style-Dropping; und das Verdienst der Band ist es, das alles so miteinander zu verschmelzen, dass es nie aufgesetzt wirkt. Bei den bombastischen Up-Tempo-Krachern "Soldier Of Fortune" und "Harbour Of Marseilles" taucht Alexandra Goess auf, indem sie die ohnehin schon prächtige Hymne im Chorus des ersteren am Ende nochmal mit einem irre hohen 'Echo' vergoldet, und in letzterem, indem beide den Chorus im Tandem shouten. Bei "Sermon In Saint-Denis" treiben sie dann mit abwechselnden Einsätzen über dramatischen Prog Power-Riffs die Spannung von Höhepunkt zu Höhepunkt. Der Track dürfte auch dank der Orgel-Parts Fans von Star One und Ayreon ansprechen!
Bei "Follow Your Heart" schrillen plötzlich die Kitsch-Glocken Alarm: ein balladenhaftes Klavier-Intro, zarter weiblicher Gesang in lieblich-elegischer Melodie ... Aber dann wird schnell klar: Fehlalarm! Es folgt nämlich eine Magnum-mäßig pumpende Heavy Rock-Passage, dann der männliche Gesangs-Gegenpart zum Intro. Und dann wird sich amtlich angeschnallt zu einem dreieinhalbminütigen instrumentalen Allerlei, bevor der Chorus dann, mit Spezial-Effekt durch Tonartwechsel, von beiden nochmal im Duett rausgehauen wird. Am Ende dieses mehr als neunminütigen Stücks glaubt man auf keinen Fall, dass mehr als neun Minuten vergangen sind! Sehr spannend und kurzweilig. Und sogar die kurzen Kitsch-Stellen sind dank Alexandra Goess' Stimme wunderschön.
Mehr davon gibt es im folkig angehauchten "Two Hearts". Ein weiteres ihrer vokalen Highlights ist "Carthago", wo sie diese leichten orientalischen Anleihen in ihre Gesangsmelodien einbaut. So viel Lob für Vokales ... doch dieser Punkt sticht nun mal gegenüber dem Debütalbum stark heraus. Aber auch auf der instrumentalen Seite gibt es massig Positives. In den Instrumentals "Ouverture 1212" und "Crusade" sowie in zahlreichen teils ausgiebigen stimmlosen Passagen in den übrigen Songs liefern sich Gitarre und Keyboard atemberaubende Wettstreitereien, während die Rhythmussektion groovend und vielseitig verproggt das Fundament legt. Und das ist teils very heavy - in "Carthago" findet ein ausuferndes Saiten-Tasten-Duell mal komplett über Double Bass statt!
Bombastisch, aber nicht overplayed - verfrickelt, aber nicht exhibitionistisch. So könnte man die Anmutung der meisten instrumentalen Zurschaustellungen bezeichnen. Sie erinnern an Bands wie Andromeda, Tomorrow's Eve oder Shadow Gallery; und das mit der 'klassischen' Metal-Ausrichtung von Kollegen wie Rough Silk oder Ivanhoe. Zudem fallen neoklassische und neobarocke Einflüsse auf - mal diskret versteckt in der harmonischen Dimension, mal sehr explizit wie in Symphony X-lastigen Frickel-Parts in "Soldier Of Fortune". Das wirkt bei Dorian Opera weitaus weniger aufgesetzt als bei vielen Kollegen, zumal beide Songwriter der Band, Oli Weislogel und Andrew Roussak, klassische Musikerausbildungen vorzuweisen haben - eben so wie Basser Joe Eisenburgers, der allerdings nach den Aufnahmen zur CD ausstieg und durch Wolfgang Fetzer ersetzt wurde.
"Crusade 1212" ist für Dorian Opera ein gelungener Schritt nach vorn - nicht nur, was den Gesang betrifft, sondern auch in Sachen Songwriting. Das Album wirkt als eine noch stärkere Einheit als das beim ohnehin schon starken Vorgänger der Fall war. Vor allem in Sachen Dramatik & Dramaturgie gab es eine Weiterentwicklung. Fans von Vanden Plas dürften das ein oder andere Mal mit der Zunge schnalzen. Und nirgendwo verzettelt man sich - die knappe Stunde vergeht wie im Flug und lässt einige packende Hooklines im Kopf nachwirken. Auffällig ist zu guter Letzt noch der opulente, nicht all zu 'perfekt' und steril geschliffene Sound, der diese Scheibe beinahe wie ein Live-Album aus dem Studio klingen lässt - 'lebendig' eben.
So landet sie ganz natürlich noch oft im CD-Spieler und man kann sich die Zeit nehmen, auch die Geschichte hinter dem Konzeptalbum etwas genauer auf sich wirken zu lassen. Das ist nämlich eine tragische: Die, die dem 'Kinderkreuzzug' gefolgt sind, kamen nie an. Viele starben auf ihrem Weg über die Alpen, andere wurden schließlich in Nordafrika als Sklaven verkauft ...
Line-up:
Sven The Axe (vocals)
Oli Weislogel (guitars)
Joe Eisenburger (bass)
Andrew Roussak (keyboards)
Harry Reischmann (drums)
With:
Alexandra Goess (guest vocals)
Tracklist |
01:Ouverture 1212 (Instr.) [5:13]
02:Soldier Of Fortune (5:37)
03:Sermon In Saint-Denis (5:43)
04:Follow Your Heart (9:12)
05:Crusade (Instr.) [6:08]
06:Two Hearts (4:13)
07:Harbour Of Marseilles (5:15)
08:Carthago (5:25)
09:So Long (4:09)
10:Hope (6:18)
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