Dr. John / Live At Montreux
Live At Montreux
Im Rahmen der Mitschnitte des 'Montreux-Jazz-Festivals' wurde das 1995er Konzert von Dr. John mit dem New Orleans Social and Pleasure Club veröffentlicht. Auf drei Bonus-Tracks von 1986 an gleicher Stätte ist Mac Rebennack (so sein bürgerlicher Name, eigentlich Malcolm Rebennack) solo als Pianist/Sänger zu erleben. Beide Aufnahmen sind soundtechnisch hervorragend. Die Bildregie unterliegt leider über weite Strecken dem für den Musikgenuss völlig unangemessenen 'Zappel-Schnitt' nach 'MTV'- Muster. Sonst wären die Kamerabilder größtenteils eine Augenweide, vom stets wiederkehrenden breiten Rücken des Schlagzeugers mal abgesehen.
Mit Dr. John steht einer der gewichtigsten Protagonisten der einzigartigen Musikszene New Orleans' zum wiederholten Mal auf der Bühne von Montreux. Sein Konzert ist ein repräsentativer Querschnitt der Vielfalt und der damals aktuellen Strömungen in der Südstaaten-Metropole; der Künstler selbst eine schillernde Persönlichkeit und mit seinem typischen NO-Stil auch gern gesehener Gast auf vielen Produktionen diverser Rock-Größen.
Bereits in den 60er Jahren tauchte er in der amerikanischen Szene auf und wurde dadurch auch international bekannt. Behangen mit allerlei seltsamen Voodoo-Accessoires wusste er auch dieses Attribut seiner Stadt medienwirksam einzusetzen. Was Louis Armstrong als Botschafter für den Jazz und Fats Domino für den frühen Swamp Pop aus NO waren, wurde der obskure 'Doktor' für den typischen Rock (der viel von den beiden anderen Musikstilen beinhaltet) der Stadt an der Mississippi-Biegung.
Hierzulande registrierten ihn die Musikfans vorwiegend als seltsamen Rock-Vogel mit markanter, knarziger Stimme. Seine musikalischen Wurzeln reichen jedoch weit zurück. Eine erste Karriere als Gitarrist endete, als er bei einer Kneipenschießerei eine Kugel in die Griffhand abbekam. Das ließ ihn seltsamerweise aber zu einem hervorragenden Keyboarder und Boogie-Pianisten werden, der von den lokalen Größen James Booker und Professor Longhair Unterricht bekam. Er unterstreicht das bei den 86er Bonus-Stücken, die ihn als ebenbürtigen Nachfolger seiner Lehrmeister zeigen. Damals noch mit wallender Mähne unter einer überdimensionalen Leder-'Schiebermütze' und wüstem Bart.
Neun Jahre später, als 55-jähriger, präsentiert sich Dr. John dem Montreux-Publikum als gesetzter Bohemian in eleganter weiß-schwarz-Kombination mit Panama-Hut und getrimmter Haar-Tracht. Lediglich sein dicker Stock und eine wuchtige Halskette erinnern an den Voodoo-Krempel früherer Tage.
Sieben Begleitmusiker sind mit auf der Bühne, drei Bläser, ein Percussionist, Schlagzeug, Bass und Gitarre. Dr. John greift bei "Come on (Let The Good Times Roll)" zur E-Gitarre, ansonsten ist er das musikalische Zentrum an dem mit einem Mardi Gras-Banner - geschmückten Steinway.
Mit "Iko Iko", dem alten New Orleans-Klassiker, geleitet ihn die Band ins Spotlight. "Renegade" ist ein typisches Stück Dr. Johns, die Band spielt einen tollen Groove, der den Zuhörer in die verwunschene Welt der Louisiana-Sümpfe und ihrer oft lichtscheuen Bewohner mitreißt. Auch "Come On" drückt er seinen eigenen Stempel auf, allerdings ist sein Spiel auf der Gibson SG keine Offenbarung.
Bei den nächsten drei Stücken und "Makin' Whoopee" zeigt er sich als schmelzender Jazz-Crooner, was Rockfans schnell weiterzappen lässt. "Right Place, Wrong Time" dazwischen ist sein 'Markenzeichen', mit kräftigem Bläser-Satz. Dieser Block ist wohl für das traditionelle Festival-Publikum zugeschnitten gewesen. Mit "Goin' Back To New Orleans" lösen sich Maestro und Band wieder davon, das Stück ist eine Reise durch die gesamte lateinamerikanische Musikwelt und bringt das Publikum dann zurück nach Big Easy.
Zentrales Ereignis dort ist natürlich der 'Mardi Gras', die Band groovt und swingt sich ansteckend durch die bekannten Stücke "The Big Bass Drum" und "I Shall Not Be Moved", als wär sie mitten in einem der prächtigen Umzüge. Die hervorragenden Musiker, die auch komplett Background singen, haben dabei einen Riesenspaß und präsentieren sich solistisch auf Top-Niveau.
Immer wieder bringt Percussionist Smiley Ricks besondere Noten ins Bandspiel, bei "Mess Around" zeigen er und Drummer Hermann V Ernest III, welch tollen Drive zwei Weltklasse-Akteure allein mit Congas und TomToms zustande bringen.
"Iko Iko" ist dann auch der Ausstand für den 'Doktor', der im Tanzschritt von der Bühne verschwindet und mit 'Standing Ovations' verabschiedet wird. (Warum der Titel allerdings im Booklet als 'instumental' bezeichnet wird, ist mir nicht ganz einleuchtend, wenn die ganze Band singt.) Der Mitschnitt zeigt Dr. John und seine Kollegen in Höchstform und fängt die besondere Live-'Magie' des Night Trippers bestens ein. Für Fans der New Orleans-Musik und Jazz-Affionados eine klare Empfehlung!
Technik:
DVD 9, Dual Layer
4:3 Screen Format, PAL, English
DTS Digital Surround Sound, Dolby Surround 5.1, PC; Stereo
kein Ländercode, freigegeben ohne Altersbeschränkung


Spielzeit 93 Min, Medium DVD, Eagle Vision, 2005/1995
1:Iko Iko 2:Renegade 3:Come On (Let The Good Times Roll) 4:Tell Me You'll Wait For Me 5:Blue Skies 6:Gee Baby Ain't I Good To You 7:Right Place, Wrong Time 8:Makin' Whoopee 9:Goin' Back To New Orleans 10:The Big Bass Drum (On A Mardi Gras Day) 11:I Shall Not Be Moved 12:Mess Around 13:Iko Iko (instrumental/reprise)
Bonus Tracks 1986: 1:Mac's Boogie 2:Tipitina 3:Junko Partner
Norbert Neugebauer, 22.02.2006