Jakob Dylan / Women + Country
Women + Country Spielzeit: 42:53
Medium: CD
Label: Columbia Records, 2010
Stil: Americana, Singer/Songwriter

Review vom 13.05.2010


Norbert Neugebauer
Offiziell aufgelöst sind die Wallflowers nicht, im letzten Jahr waren sie auch noch auf Tour. Allerdings richtig kreativ zusammen gearbeitet haben sie wohl schon länger nicht mehr, nach fünf regulären Alben von 1992 bis 2005 kam dann nur noch "Collected 1996 - 2005" auf dem bisherigen Label Universal, die übliche Resteverwertung einer vertraglichen Bindung mit »Hits und unreleased Songs«. Dafür legt Frontman Jakob Dylan nun sein zweites Soloalbum, den Nachfolger für "Seeing Things" (2008) vor, das damals Rick Rubin produzierte. Mit T-Bone Burnett hat er sich jetzt das nächste Ass geholt, das ihm "Women + Country" auf den zarten Leib geschneidert hat. Mit
Neco Case und deren 'Zweitstimme' Kelly Hogan sind zwei respektable Kolleginnen an den weiteren Gesangsmikros zu hören.
Egal wann, unter welchen Umständen und wie oft ich mir dieses Werk anhöre, bis jetzt komm ich einfach zu keinem klaren Resultat. Ein gut gemachtes, mainstreamiges New Country Album mit reichlich Pop-Appeal - oder doch ein Americana-Album voller guter bis sehr guter Songs, die reichlich Ohrwurmcharakter und Evergreen-Potential haben?
Fangen wir mal beim Sound an. Burnett wandelt hier eindeutig auf den Spuren von Daniel Lanois, das Ganze klingt wie unter einem Schleier, wie aus vergangenen Zeiten.
Auch die hallgeschwängerten Arrangements mit semiakustischer Instrumentierung, mehr süß als bitter, dazu die melancholischen Stimmen - das erinnert mich sehr an "Wrecking Ball" der verehrten
Emmy Harris.
Die Begleitmannschaft (herausragend Jay Bellerose am Schlagzeug, Dennis Crouch am Kontrabass, Marc Ribot an den Gitarren, Greg Leisz an der Pedal Steel und David Mansfield an der Geige) ist natürlich exquisit und zaubert reichlich surreale Stimmungen um die charismatische Stimme des Songwriters. Teilweise tönt das auch sehr nach den legendären Aufnahmen aus dem Keller von 'Big Pink'. Und wie der Albumtitel schon ankündigt, drehen sich die Songs inhaltlich um die Freuden des Landlebens und der Begegnungen mit dem schöneren Geschlecht. Welch tieferen Sinne sich möglicherweise hinter den poetischen Versen verbergen, darüber mögen sich weisere Köpfe freundlicherweise dieselben zerbrechen.
Die ersten beiden Songs führen mich immer noch auf diesen Schlingerpfad der Gefühle. Beide tröpfeln so dahin, sanfte Stimmen, weiche Instrumentierung, schleppender Rhythmus, nicht unbedingt das, was man erwartet, um das Interesse an der Scheibe zu wecken. Mit "Lend A Hand" ändert sich das, New Orleans-Begräbnisstimmung, eine erstklassige Ballade, mit der richtigen Dramatik vorgetragen. Im gleichen Stil hält "We Don't Live Here Anymore" die Gänsehaut-Stimmung aufrecht. Danach der Titel, der, wenn die Rockgötter noch nicht völlig taub sind, in ihr immerwährendes Buch der Lobgesänge aufgenommen werden muss: "Everybody's Hurting". Eine wunderschöne Countrynummer mit genau der richtigen Dosis Schmelz. Allein wegen diesem Triple lohnt die Anschaffung der CD!
"Yonder Come The Blues", "Holy Rollers For Love" und "They've Trapped Us Boys" sind dann eher wieder von der etwas schnulzigeren Sorte, was in diesem Kontext und mit den gekonnten Arrangements aber auch noch akzeptabel ist. Beim heutigen Hördurchlauf fallen am ehesten "Truth For A Truth" und "Smile When You Call Me That" wegen zu hohem Schmalzanteil aus der Wertung. Dafür bietet "Standing Eight Count" noch einmal erstklassige Songwriter- und Produzentenkunst mit Posaunenchor und Rumpeldrums zum Abschluss.
"Country + Women" oszilliert. Sicher noch kein Meilenstein, aber ein wichtiger Schritt auf der musikalischen Karriereleiter von Jakob Dylan mit einer Handvoll Songs, die eben den Unterschied zwischen dem Gros der guten Singer/Songwriter und einem außergewöhnlichen ausmachen. Der sich halt auch die besten Musiker und die derzeit erfolgreichsten Produzenten leisten kann.
Als Testplatte für die High End-Anlage taugt die CD allerdings nicht. Der verwaschene Sound wird wohl jeden Fan audiophiler Klänge zur Verzweiflung bringen.
Tracklist
01:Nothing But The Whole Wide World
02:Down On Our Own Shield
03:Lend A Hand
04:We Don't Live Here Anymore
05:Everybody's Hurting
06:Yonder Come The Blues
07:Holy Rollers For Love
08:Truth For A Truth
09:They've Trapped Us Boys
10:Smile When You Call Me That
11:Standing Eight Count
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