Jude Davison / Outskirts Of Eden
Outskirts Of Eden Spielzeit: 52:45 (CD1), 50:46 (CD2)
Medium: Do-CD
Label: Pigeon Mood Productions, 2011
Stil: Rock & More

Review vom 21.03.2011


Boris Theobald
Jude Davison war schon dabei, ein Konzeptalbum über die berühmte Sache mit dem Garten Eden zu schreiben ... "New Fruit For Eve" war der Arbeitstitel seiner neuen Doppelscheibe. Aber dann dachte er sich: 'Mensch, viel interessanter als Eden ist doch eigentlich das, was draußen passiert!' Ziemlich anrüchige Dinge, meint er, »lots of sex, drugs and rock & roll. I guess when you think about it we all are just really living on 'the outskirts of Eden'.«
Und so ist das Album mit eben jenem Titel anders als sein Vorgänger Circo De Teatro auch kein 'echtes' Konzeptalbum geworden, sondern eher ein loses. Es geht um Schicksale von Menschen und Familien, um Sehnsüchte und harte Realitäten ... Davison besingt strapazierte Seelen, um sie im nächsten süßen Song wieder zu streicheln. Und immer wieder taucht dann doch diese eine Geschichte auf, die Anfang und Ende für jedes Glück und allen Trübsals zu sein scheint: die Vertreibung aus dem Paradies ...
So viele Dinge, über die sich zu texten lohnt, aber eine große Vorstellung, die all die Geschichten miteinander verbindet - irgendwie passt das auch perfekt zu den musikalischen Wegen, die Jude Davison geht. Er spielt Country, Bluegrass, Folk, Latin, Dixieland, Blues und was nicht noch alles ... aber was das Ganze wiederum zusammenhält, das ist der Faktor Rock. Und wenn Jude Davison Rockmusik macht, dann benutzt er Gitarre, Mandoline, Lap Steel, Ukulele, Klavier und mehr, bestellt sich zudem Streicher und Bläser und Mundharmonika und Akkordeon - es schillert und es zaubert!
Auffällig ist Jude Davisons Vorliebe für Banjo-betriebene Country-Drives, sei es flott und ungeduldig wie in "Red Dirt Heart" oder "Halfway To Heaven" oder lässig und lazy, staubtrocken und sengend in der heißen Wüstensonne, wie bei "Medicine Show" oder "Gypsy Wind". Immer wieder singt Davison nicht allein, sondern da taucht plötzlich noch die Stimme von Sydney Galbraith auf, die von Bessie Wapp oder die von Sarah McGlynn. Wer sich jeweils in den Vordergrund singt und wer nicht, die Frage beantwortet die Musik anscheinend intuitiv, und immer richtig, das passt. Auch beim einzigen Stück mit weiblichen Lead Vocals, dem hinreißenden "Sad & Sweet", wo Sydney Galbraith einfach nur magisch und bezaubernd klingt.
Härter rockend, mit breit verzerrten, urig organischen Gitarren scheint Davison bei seinen rockigeren Stücken wie "Hateful", "Strange Desire", "Never Enough" und "Can't Say" Namen wie
The Yardbirds, Buffalo Springfield oder Cream zu huldigen. Beschwipst und beschwingt spielen Saxofon und Posaune beim Dixie-durchtränkten "Dry Bones" gekonnt schräg zusammen und geradeaus aneinander vorbei. Beim "Redemption Blues" wollen sowohl E-Gitarre und Mundharmonika ihre Geschichte erzählen. Und "Paraiso Perdido" und "Magdelina Y Mi Corazon" sind so lateinmexikanisch, dass sogar die Worte (teils) spanisch sind.
Magdelina, das ist die Frau im Paradies; das ist Jude Davisons Eva. Eine ziemlich scharfe Braut, offensichtlich ... aber es hilft alles nichts, das Unglück der Menschheit nimmt seinen Lauf! Obwohl ... im Titeltrack "Outskirts Of Eden", da gibt es im verlorenen Paradies eine Riesenparty! Ein souliger, R'n'B-lastiger Rock'n'Roller mit viel Gebläse - Mann, geht das ab!
»The DJ was spinning the groove / Everyone was keeping it loose [...]
Lucifer was singing the blues / In his zoot-suit and gold-lame shoes
Everyone looked strange divine / On the outskirts of Eden«
Der fetzig rockende und rollende "Brain Street Boogie" ist so was wie die ganz und gar unbiblische Gegenveranstaltung. Evolution in drei Minuten 48 ...
»A longtime ago / From the sea and the sand
A fish crawled out / And said I got me a plan
He bought a sharp silk suit / And some alligator shoes
He said I'll take me a wife / To keep away those blues
He looked all around / And said just call me the man
The brain street boogie / All over the land ...«
Nein, bierernst meint es Jude Davison nicht immer. Sonst gäbe es keine Stücke wie "Baby Doll", das soft swingende Loblied auf die aufblasbare Gummipuppe. Oder den schrägen, tanzbaren Anderthalbminüter "Justin Bieber's Dad" (kompletter Text: »Who could be mad - Justin Bieber's Dad«), der tatsächlich eine Begegnung Davisons mit ... nun ja, Justin Bieber's Dad revue passieren lässt. Kanada ist klein. Der Herr war im Publikum und offenkundig nicht begeistert von einer Bemerkung über seinen Sprössling aus dem Munde von Herrn Davison. Nicht jeder nimmt's mit Humor, aber manche eben schon.
Mit Humor und Zynismus entflieht Jude Davison auch dem Alltagsstress und schickt sich bei "Roman Holiday" gedanklich in den Urlaub, und zwar in Form von karibischer Calypso-Musik. Und selbst, als sie ihn im Sarg ins Grab herablassen werden - das weiß er schon - stellt er sich einfach vor, er würde verträumt davonsegeln ... Er spielt mit der Vergänglichkeit, auch in "Tattoo Town", wo die in hastiger Liebe gestochenen Tattoos leider nicht so vergänglich sind wie die Zuneigung der Frau, dessen Namen sie ihm für immer in den Rücken ritzen.
Aber am Ende ist es doch ein ernstes Sinnieren über Vergänglichkeit, welches das Doppelalbum beschließt und schier unauslöschlich im Ohr bleibt. "Last Of The Summer Wine" ... dieser wehmütige und doch bestätigende Rückblick auf ein ganzes Leben - eines der Beispiele für eine Hand voll herzzerreißender, wunderschöner Balladen. Banjo, Mandoline, etwas Percussion und dazu ein Akkordeon, das irgendwie traurig und feierlich zugleich wirkt. Zerbrechlich und vergänglich, aber schön. Oft ernst, aber nicht immer. So ist das Leben draußen, um dieses längst verlorene Paradies herum, das Jude Davison besingt.
Line-up:
Jude Davison (vocals, guitars, bass, double bass, banjo, mandolin, dobro, lap-steel, bariton ukulele, keyboards, piano, percussion, drums)
Sydney Galbraith (vocals)
Bessie Wapp (vocals, accordion)
Sarah McGlynn (vocals)
Craig Korth (banjo)
Rob Johnson (double bass)
Jeff Faragher (cello)
Caleb Morton (harmonica)
Bob Johnson (pedal steel)
Lee Worden (guitar solo - CD 1, #3)
The Burlesco Bros. (horns)
Rick Lingard (saxophones, flute, piano)
Keith Todd (trombone)
Tim Bullen (trumpet)
Tracklist
CD 1:
01:Paraiso Perdido (3:32)
02:Medicine Show (5:28)
03:Red Dirt Heart (3:10)
04:Hateful (3:50)
05:Borderline (2:56)
06:Smoking Gun (3:20)
07:Bittersweet (3:46)
08:Dry Bones (2:28)
09:Blood In The Aftermath (4:12)
10:Dandelion (5:07)
11:Justin Bieber's Dad (1:33)
12:Halfway To Heaven (4:48)
13:Outskirts Of Eden (4:46)
14:Best If We Don't Say Goodbye (3:41)
CD 2:
01:Magdelina Y Mi Corazon (3:44)
02:Baby Doll (3:41)
03:Sad & Sweet (3:55)
04:Strange Desire (4:20)
05:Brain Street Boogie (3:48)
06:Gypsy Wind (4:17)
07:Tattoo Town (2:39)
08:Paradise Lost II (3:22)
09:Never Enough (3:53)
10:Can't Stay (3:37)
11:Redemption Blues (3:39)
12:Roman Holiday (5:05)
13:Last Of The Summer Wine (4:37)
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