Wie praktisch. Wenn Lincoln Durham auf Konzertreise ist, packt er seinen Krimskrams in einen Koffer. Den braucht er dann nur zu leeren, auf der Bühne zu positionieren und schon hat er das Rhythmusinstrument »(Vintage Samsonite Siutcase)« für den Opener des beeindruckenden Albums "Exodus Of The Deemed Unrighteous". Wie heißt es so schön im Digipak: »Recorded using only the cheapest "instruments" and most percussive household items we could find...« Na, da hätten wir noch so einiges aus unserem Keller anzubieten.
Scherz beiseite, Lincoln Durham alleine ist (fast) eine Band. Okay, vier Leute sind hier noch aktiv, aber den Löwenanteil an Klangkörpern bedient der amerikanische Querdenker in Sachen auffälliger Musik mit ihren Wurzeln im Blues selber. The Shovel vs The Howling Bones war schon etwas Spezielles und anders ist es auch nicht mit vorliegender Platte, die in fast zweiunddreißig Minuten durchgelaufen ist. Aber was sich in dieser relativ knappen Zeit abspielt, ist beachtenswert.
Voodoo-Blues, dem nichts heilig ist? Vielleicht doch, denn zumindest der knapp gehaltene Opener "Ballad Of A Prodigal Son" kommt gesanglich direkt aus der Gospel-Kirche. Dennoch, die beiden Lincoln Durham-Fotos im, der Thematik entsprechendem Design gestalteten, Digipak flößen ein wenig Furcht ein. Die Abbildungen des Künstlers sind in diabolisches Rot getunkt worden. Lincoln Durham bedankt sich bei Mark Breeding und Brian Wright »for guiding me into the dark corners of music which has ultimately changed EVERYTHING [...]«.
Muss man vor dem Einlegen der Platte dann ein Päckchen Taschentücher bereit legen?
Meiner Meinung nach nicht, denn Lincoln Durham bringt es fertig, bei einem Teil seiner zehn Kompositionen die musikalische Taschenlampe anzuschalten. Im Protest der Tracks gibt es auch hell leuchtende Punkte, die den Hörer zur Freude treiben. Der Blues aus dem heißen Untergrund entwickelt markante Wandlungen, bei denen der 12-Takter in einem ganz anderen Licht erscheint. Definitiv ist die innovative Auslegung des Genres nichts für Puristen.
Allerdings gibt einem der eindringlich unter die Haut gehend singende Künstler hier und da auch die Gelegenheit, durchzuatmen. Verträumt bringt er in "Stupid Man" die akustische Gitarre in Rotation. Dann groovt es bis vor zum Altar und der innbrünstige Musiker kann auch in den höheren Region der Tonskala singen.
Die zwei Minuten "Strike Us Down" mit stoischer Bassdrum, einem intensiv, effektvoll verfremdet predigen Lincoln Durham und einer simpel, aber effektiv eingesetzten Bluesharp sind das psychedelische Über-Ich-Gebet der Scheibe.
"Keep On Allie": Da ist sie wieder ... die akustische Gitarre. Mit wärmendem Gesang hüllt der Künstler einen auf seine Art in weiche Tücher. Man wartet förmlich darauf, dass es zum eruptiven Ausbruch eines klanglichen Vulkans kommt. Aber den Gefallen tut er uns hier nicht. Dieses Stück sind die Streicheleinheiten für des Hörers Seele.
Da ziehen sie hin, die mit beschwörender Musik besungenen "Sinner", die sich im "Exodus Waltz" vom Country-Acker machen:
»So I'll flee to the cold dark corners of this world
And I'll flaunt my scars and lost blood
And I'll pray for thee and those of like kind
"Judge not, lest ye own self be judges" [...]«
Lincoln Durham ... dunkel, diabolisch, querdenkend, den Blues als Vehikel nutzend, um die Ketten vielleicht festgefahrener Hörgewohnheiten zu sprengen. Diesem "Exodus Of The Deemed Unrighteous"-Prediger folgt man gerne. Hats off und Danke!
Line-up:
Lincoln Durham (vocals, guitar, cigar box guitar, lap steel, banjo, fiddle, piano, harmonica, suitcase, wind chimes)
Rick Richards (drums, oil pan, claps)
Allissa Durham (backup vocals, claps)
Andrew Hernandez (backup vocals)
George Reiff (kalimba, claps)
Tracklist |
01:Ballad Of A Prodigal Son (2:20)
02:Rise In The River (2:54)
03:Annie Departee (4:13)
04:Beautifully Sewn, Violently Torn (3:06)
05:Stupid Man (2:59)
06:Strike Us Down (1:59)
07:Keep On Allie (4:00)
08:Sinner (4:19)
09:Exodus Waltz (2:36)
10:Mama (3:26)
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