'Rock & Roll Forever' ist die Devise für den heutigen Abend und Tattoo-Träger James Kottak posiert während seines Gigs oben ohne, mit dem Rücken zum Publikum, um auch bis in die letzte Reihe des ausverkauften Columbia-Club den Fans die Gelegenheit zu geben, seine eintätowierte Leidenschaft zu teilen. In diesem Fall handelt es sich nicht um eine Abwertung für mangelnden Applaus, sondern jeder soll sehen, dass Kottak dieses Motto an die oberste Stelle in seinem bewegten Leben gestellt hat. Ein wenig durchgeknallt muss man aber schon sein, um sich so etwas stechen zu lassen. Und da James K. extrem hyperaktiv ist, wundert es die Fans auch nicht, dass er auf der Brust in ebenso übergroßen Lettern seinen Namen trägt. Mag ja helfen, wenn man nach durchzechter Nacht in ominösen Hotelzimmern aufwacht und erst beim Blick in den Spiegel lesen kann, wer man eigentlich ist. Würde James seine Leidenschaft regelmäßiger auf seiner Webseite oder bei Facebook teilen und diese Seiten aktualisieren, wäre mir ein großes Fettnäpfchen erspart geblieben.
Aber alles der Reihe nach.
Seit die Scorpions Anfang 2010 ihren Rücktritt aus dem Musikgeschäft angekündigt haben, und ich das Glück hatte damals einen Interviewtermin mit Schenker, Meine und Jabs zu bekommen, treffe ich die Band doch tatsächlich öfter in Berlin. Im vergangenen Jahr gleich drei Mal, unter anderem im Hard Rock Cafe bei einem geselligen Abend mit persönlich geladenen Gästen, und dieses Jahr während des Classic Open Air, bei dem ich erneut die Gelegenheit hatte, mit Rudolf Schenker zu plaudern. Da sich mein Wiedererkennungswert durch die Begegnungen deutlich gesteigert hat, dachte ich mir, dass ich der Band mal eine kleine Freude mache und habe diverse CDs mit Bildern von den jeweiligen Treffen und Veranstaltungen vorbereitet. Diese kleinen Präsente habe ich James Kottak im Anschluss an das Interview überreicht und er hat sich sichtlich gefreut. Prompt wurde ich von ihm mit Geschenken überhäuft und kann nun die komplette CD Kollektion, ein Paar signierte Sticks, ein T-Shirt und diverse Plektren mein Eigen nennen.
Um 16.30 Uhr bin ich im C-Club aufgeschlagen, da 30 Minuten später der Interviewtermin mit James Kottak und Stephanie Smith angesetzt ist. Kottak ist nicht da, trödelt in der Stadt auf Erkundungstour herum und hat dabei völlig die Zeit vergessen. Also sitze ich gemütlich in der Kantine und nutze die Chance mit den Musikern der Bands des heutigen Abends einen kleinen Smalltalk zu halten und mir währenddessen den Bauch mit den Köstlichkeiten des Buffets zu füllen.
Neben SAOL's Kottak sind noch Full Force aus Skandinavien und natürlich der Headliner Edguy am Start. In erster Linie bin ich wegen genau dieser Band in der Konzerthalle. Angestachelt durch den klasse Support während der Deutschlandtermine der Scorpions, wollte ich Edguy unbedingt einmal in voller Länge sehen. Leider war Mastermind Tobias Sammet nicht zu einem Gespräch zu bewegen, er zog es vor, sich in den Katakomben des C-Club zu verstecken.
Umso redefreudiger war James Kottak, als er endlich gegen 19.00 Uhr eintrudelte. Nach einem Teller Gemischtes im Stehen von der üppigen Theke, bittet mich James, ihn in seinen Tourbus zu folgen, um gemütlich auf der Ledersitzgruppe zu Relaxen und uns über aktuelle Themen zu unterhalten. Natürlich darf dabei die Promotion den aktuellen CD Attack und die Vorstellung seiner neuen Sängerin und Gitarristin Stephanie Smith nicht fehlen und ich habe mit Freude festgestellt, dass die Dame eine sehr angenehme Gesprächspartnerin ist.
RockTimes: Hallo James, hallo Stephanie. James du bist innerhalb von zwei Monaten zum zweiten Mal in Berlin.
Kottak: Ja, ich freue mich immer hier zu sein und heute Abend endlich mit meiner eigenen Band SAOL's Kottak, um unsere neue CD "Attack" zu promoten.
RockTimes: Was bedeutet das Wort SAOL? Niemand in Deutschland kann etwas damit anfangen.
Kottak: Es ist eine Vereinigung in den USA und bedeutet 'Unterstützung für Künstler mit eigenem Label' und ich habe den Namen dieser Vereinigung in meinen Bandnamen eingefügt, um neuen Bands und Musikern in den USA zu zeigen, dass es diese Möglichkeit gibt. Dadurch können Talente mit niedrigem Budget gefördert werden und ich spende sehr oft Geld um zu helfen, den Nachwuchs zu unterstützen.
RockTimes: An deiner Seite sitzt Stephanie Smith, Sängerin der Band Kleveland. Stephanie, bitte stell dich vor, denn ich denke, dass du in Deutschland noch recht unbekannt bist.
Smith: Hallo an Alle, mein Name ist Stephanie Smith von Kleveland und ich bin auf der Tour von James als Gitarristin und zusätzliche Sängerin dabei. Mit meiner Band spielen wir kraftvolle, schnelle Heavy Metal-Musik und einige Classic-Hard Rock-Stücke. Wir haben immer mächtig viel Spaß auf der Bühne und wollen das Publikum richtig rocken. Parallel zu "Attack" haben wir ebenfalls eine neue CD mit dem Titel Harder veröffentlicht und wir werden im Rahmen der Kottak-Show zwei Stücke daraus spielen: "You're Not Sorry" und "Do It Big". Bisher waren wir hauptsächlich in Belgien und Holland unterwegs, sind aber nun dabei, stetig Richtung Osten vorzudringen. Die beiden CDs "Attack" und "Harder" sind zufällig zur gleichen Zeit, Anfang Mai, erschienen, und wir waren gemeinsam in Europa auf einer kleinen Akustik-Tour mit dem Titel 'Akustik Attack' unterwegs. Die Leute waren sehr begeistert und wir haben uns nun entschlossen, die Tour weiter auszudehnen und alles mit elektrischen Gitarren zu spielen. Und nun sind wir hier in Deutschland. Jeder in den USA hatte uns vor Deutschland gewarnt. Das Publikum wäre sehr anspruchsvoll und blickt sehr kritisch auf die Bühne und es wäre schwer, die Leute zum Mitmachen zu animieren. Wir haben uns nicht davon abbringen lassen und sind total überrascht, wie positiv wir überall aufgenommen werden und wie sensationell die Leute auf unsere Musik reagieren. James hat dazu das Talent, die Leute zu mobilisieren. Zum Anfang der Show stehen alle nur mit verschränkten Armen da und fragen sich wohl, 'was macht der Drummer der Scorpions mit einer Gitarre um den Hals?' Doch dann fängt er an auf der Bühne herumzulaufen und eine gute Show zu machen und alle sind sofort begeistert.
RockTimes: James, deine Frau Athena spielt normalerweise Schlagzeug in deiner Band. Ich vermisse sie heute, sie ist doch nicht krank?
Kottak: Oh, das scheint noch niemand zu wissen, Athena und ich haben uns getrennt und jeder geht seinen eigenen Weg. So ist das manchmal im Leben, wenn man sich nicht mehr versteht oder unterschiedliche Interessen bestehen. Durch die Trennung war dann auch keine gemeinsame Arbeit mehr möglich. Die Band wurde etwas umgestellt und jetzt ist ein neuer Drummer an Bord und auch ein neuer, sehr junger Bassist aus Deutschland, Bremerhaven. Dinge ändern sich, das ist das Leben, das ist Rock & Roll. Wie es die Franzosen sagen: C'est la vie.
RockTimes: James, du hast eine neue CD im Gepäck. Ihr spielt auf dieser etwas melodiöser als auf den Vorangegangenen.
Kottak: Ja, hier ist unser neues Werk "Attack" (hält die CD dicht an die Kamera) und es ist bereits die vierte CD. Wir sind sehr stolz darauf, weil es etwas gefühlvoller gespielt ist und die neuen Bandmitglieder einen guten Teil dazu beigetragen haben. Wir haben wieder mit Tommy Henriksen zusammengearbeitet, der auch an den Projekten von Alice Cooper beteiligt ist. Er ist Produzent und Textschreiber und von der Band kam dazu die Musik und natürlich meine Wünsche, die ich beigetragen habe. Wir sehen alles als Gesamtwerk aller und nicht, dass es nur auf mich bezogen ist. Die Musik, die Tommy für Alice Cooper schreibt, trifft auch meinen Geschmack. Ich liebe sie und wollte, dass wir uns dem etwas annähern. Der Mann hat so viele lustige und gute Ideen und die Welt ist so schlecht, und er versucht immer noch das beste daraus zu machen. Es gibt enorme Probleme auf der Welt und mit unserer Musik soll jeder diese Probleme vergessen können und sich an einem schönen Tag daran erfreuen.
RockTimes: Auf deiner neuen CD sind zwei Songs, die mich etwas nachdenklich gestimmt haben. Zum einen ist es "Sexy Motherfucker" und zum anderen ist es "Time To Say Goodbye". Hast Du mit "Sexy Motherfucker" Probleme, den Song spielen zu dürfen oder sogar Radio-Boykotte?
Kottak: Nein, jeder scheint den Song zu mögen. Wir spielen ihn zwar zur Zeit nicht live, aber während der Akustik Attack-Show haben wir ihn vorgestellt und hatten nie Probleme damit.
In den USA ist es für viele Menschen ein Kompliment, wenn so etwas gesagt wird, mehr eine Redewendung. In anderen Ländern wird es erst einmal etwas komisch aufgenommen. Viele fragen sich‚ ist es etwas Gemeines, oder ist es etwas Positives?' Es ist was Gutes.
RockTimes: Gibt es Radiostationen, die diesen Song nicht spielen wollen?
Kottak: Ich habe den Song leider noch nicht im Radio gehört, vielleicht liegt es ja doch daran. Aber zum Glück gibt es ja das Internet, und da wird der Song schon überall gezeigt und jeder kann ihn sich herunterladen.
RockTimes: Das andere Stück, "Time To Say Goodbye", ist das das angekündigte Ende deiner Laufbahn?
Kottak: Der Track wurde ursprünglich für das Ende der Scorpions geschrieben. Du musst verstehen, es sind die besten Freunde für mich in meinem Leben und für den Rest meines Lebens. Auch wenn die Ära Scorpions bald zu Ende ist, wir werden immer enge Freunde bleiben und uns nie aus den Augen verlieren. Aber der Song kann auch für alles andere verwendet werden. Wenn jemand seinen geliebten Hund verliert, oder etwas verliert was ihm sehr am Herzen liegt, eben für alles, wodurch Menschen traurig werden können.
RockTimes: Du hast aber nicht die Absicht Goodbye zu sagen?
Kottak: Nein, auf keinen Fall. Ich bin noch etwas zu jung, um aufzuhören. Wir werden sehen was sich nach den Scorpions ergibt. Ich plane nicht so weit und lasse alles auf mich zukommen.
RockTimes: Du hast vor sehr vielen Jahren in vielen anderen bekannten Bands wie Kingdom Come gespielt und für viele Künstler gearbeitet. Kannst Du Dir vorstellen, wieder in einer 'Supergroup' zu spielen?
Kottak: Kingdom Come war damals für mich die größte Erfahrung und ich habe diese Musik sehr geliebt und die Band gehört immer noch zu meinen Favoriten. Es gibt so viele gute Bands auf dem Markt und ich könnte mich spontan nicht entscheiden. Die Musik-Genres wandeln sich auch im Laufe der Jahre, und wer weiß, was als nächstes kommt und was mich daran reizen wird. Stephanie und ich werden erst einmal weiter an unserem gemeinsamen Projekt arbeiten. Sie hat noch ihre Band Kleveland, aber ich denke, dass wir diese Gemeinsamkeiten weiter ausbauen werden. Wir werden noch einmal die Akustik Attack-Tour machen. Stephanie ist außerdem Filmregisseurin und hat dort viele Projekte. In den USA ist sie sehr beliebt mit ihren Filmen und hat überall auf der ganzen Welt bei Filmfestivals schon diverse Preise eingeheimst. Es gibt also so viel zu tun und ich liebe Rock & Roll und werde noch lange auf der Bühne stehen. Ich liebe den direkten Kontakt zu den Menschen im Publikum und kann davon nicht genug bekommen.
RockTimes: Du hast schon vor riesigen Menschenmassen gespielt und nun bist du auf Club-Tour. Was gefällt dir davon besser?
Kottak: Sicher liebe ich es größer, Frauen lieben es ja auch größer (kuckt dabei mit verschmitztem Lächeln zu Stephanie). Im Moment habe ich ja beides. In zwei Tagen bin ich mit den Scorpions zusammen und wir spielen vor Massen, und hier bin ich mitten unter ihnen. Ich liebe beides sehr. Ich gebe immer 110%, egal ob wir mit den Scorpions vor 100.000, oder vor 10 Leuten spielen. Ebenfalls hier im Club. Ich gebe immer alles und liebe was ich mache, das ist für mich Rock & Roll.
RockTimes: Wie bist du von den Drums an die Gitarre gekommen?
Kottak: Ich spiele auf jeden Fall besser Drums als Gitarre, aber ich liebe es, am Bühnenrand zu stehen, voll in die Saiten zu hauen und zu sehen, wie mir die Fans zujubeln. Es ist für mich ein außergewöhnliches Gefühl. Ich liebe es zu singen und am Bühnenrand mit den Leuten zu kommunizieren. Zum Glück ist Stephanie Lead-Gitarristin und hilft mir auf der Bühne sehr. Wir komponieren in Zukunft die meisten Songs gemeinsam und haben dabei so viele Ideen.
RockTimes: James, du spielst in deiner Band unter einem anderen Namen, nennst Dich Jimmi Ratchitt …
Kottak: Oh ja, die Kottak-Band hatte ursprünglich den Namen Crunk. Darunter haben wir aber keinen Erfolg gehabt, weil niemand wusste, dass ich mitspielte. Allerdings möchte ich klar trennen, dass ich zum einen der Drummer der Scorpions bin und zum anderen Sänger und Gitarrist bei Kottak. Ich möchte nicht, dass die Leute mit der Erwartungshaltung zu unseren Konzerten kommen, dass sie nur Scorpions-Titel hören oder dass ich mit meinem großen Schlagzeug Kapriolen mache. Ich wollte das ebenso umsetzen wie Alice Cooper mit seinem Künstlernamen. Wie es funktioniert werden wir in den Jahren erleben.
RockTimes: James und Stephanie, ich möchte mich bei euch beiden bedanken und wünsche euch für heute Abend und für die Zukunft alles Gute. Vielen Dank, dass ihr euch für RockTimes die Zeit genommen habt.
Kottak / Smith: Vielen dank an RockTimes, dass ihr unsere CDs promotet und für das schöne Gespräch und viele Grüße an unsere Fans in Deutschland.
Nun aber schnell, die beiden müssen sich umziehen und auf die Show vorbereiten und ich beeile mich, in die Halle zu kommen um wenigstens noch zwanzig Minuten des laufenden Gigs von Full Force zu erhaschen. Die Musik der vier Skandinavier beeindruckt mich auf der Stelle. Richtig schöner Hard Rock mit gepflegten Gitarrenriffs im typischen 80er-Jahre-Sound. Ohne die Band zu kennen, gefällt mir das, was ich sehe und höre spontan und ich nehme mir vor, gleich am nächsten Tag zu recherchieren. Leider wird meine Suche erfolglos bleiben. Weder in den bekannten Suchmaschinen, noch bei Facebook oder MySpace taucht die Band auf. So müsst ihr euch auf mein geschultes Ohr verlassen, und ich kann garantieren das es ein gelungener Auftritt war mit richtig fettem Hard Rock.
[Wir haben dir die Bandlinks besorgt. Die Red.]
Pünktlich um 21 Uhr beginnt die Selbstdarstellung des James Kottak, alias Jimmi Ratchitt. Kam er beim Klassik Open Air vor zwei Monaten auf dem Berliner Gendarmenmarkt nicht so recht zur Geltung, gehört dieser Abend fast ihm alleine. Ja nur fast, denn einen großen Anteil am Gelingen der Show hat Kleveland-Frontfrau Stephanie Smith. Optisch ist sie eine Augenweide und musikalisch an der Gitarre ein Highlight. Dabei unterstützt sie James bei manchen Songs noch am Mikrofon und hebt dadurch das Niveau deutlich an. Jimmi Ratchitts Künste am saitenbespannten Brett sind doch eher bescheiden, bis schlecht. Vermutlich braucht er das Teil nur, um sich daran festzuhalten, damit er beim Weintrinken auf der Bühne nicht umfällt. Die Buddel wandert ständig zwischen James und Stephanie hin und her und vermittelt nicht unbedingt einen seriösen Eindruck. 'That's Rock & Roll', wie es Jimmi auf den Leib tätowiert hat.
Die Songauswahl ist sehr gut und gibt über die 45 Minuten Spielzeit einen eindrucksvollen Querschnitt durch seine vorangegangenen Alben. Vom neuesten Werk "Attack" werden zwei Auszüge zum Besten gegeben, aber dennoch kann es Mr. Kottak nicht lassen, in die Trickkiste der Scorpions zu fassen. Hat er sich schon auf der CD "Rock & Roll Forever" an "Holiday" vergriffen, deutet er an, dass es nach wie vor sein Lieblingssong im Scorpions-Programm ist. Und natürlich haut er ihn volle Kanne raus. Das Publikum dankt es ihm mit tosenden Applaus und Zugabe-Gebrüll. Wahrscheinlich wird er in diesem Moment etwas wehmütig an das nahende Ende der Scorpions gedacht haben.
Bevor seine Tränen aber die kostbare Bühnenkleidung benetzen, entledigt er sich dieser Schritt für Schritt. Nach dem ersten Song fällt die Jacke, dann wechselt er zu jedem Stück die T-Shirts, um am Ende mit freiem Oberkörper in die vordersten Fanreihen abzutauchen. Gut gemacht, kann ich dazu nur sagen. Er versteht es, die Herzen aller Anwesenden zu beglücken.
Leider wird SAOL's Kottak wie Full Force mangels Zeit keine Zugabe gegönnt und mit dem Versprechen im nächsten Jahr wieder auf den Brettern der Hauptstadtbühnen zu erscheinen, verabschiedet sich James Kottak alias Jimmi Ratchitt.
Auf den Paukenschlag genau, zeitgleich mit dem Start der Edguy-Show, kämpfen sich James K. und Stephanie S. an mir vorbei durch die Menge der ca. 1.000 Besucher zum Merch-Stand, um für die Autogrammjäger und Fotoshooter zu posieren. Leider der schlechteste Zeitpunkt, denn jetzt sind nur noch alle Augen auf Tobias Sammet und seine Band gerichtet.
Voller Spielfreude und bester Laune stehen Edguy um 22.15 auf der Bühne und legen sofort gewaltig los. Da steckt Routine und Qualität hinter, wenn Jens Ludwig und Dirk Sauer in die Saiten greifen. Hard Rock feinster Güte ist jetzt bis Mitternacht angesagt und Tobias dirigiert vom ersten Moment an die Fans nach Lust und Laune. Und diese gute Laune wendet sich im zweiten Song jäh auf den Tiefpunkt des Abends. Plötzlich ist das Mic von Tobias aus. Nichts kommt mehr rüber, außer dem Chorgesang der Kollegen. Kein Problem, Mic tauschen und profihaft weitersingen. Mikrofon Nummer zwei ist ebenfalls tot und jetzt bekommt das arme Teil durch Tobias den Rest seines elektronischen Lebens. Wutentbrannt wird es auf
dem Bühnenboden zerschmettert und Tobias verschwindet erst einmal nach hinten, um sich abzukühlen. Helfen wird es ihm nichts, denn auch das dritte im Bunde verweigert seinen Dienst. Dieses Mal muss Drummer Felix Bohnke dran glauben. Erst taucht er hinter seiner Schießbude ab, um nicht vom vorbeifliegenden Mic erschlagen zu werden, welches an der Wand hinter den Drums zerschellt. Zu guter Letzt wird der arme Kerl auch noch von Tobias niedergemacht, weil er ihm zu Laut ins Ohr gehämmert hat. Oje, denke ich mir, hat sich der Typ denn gar nicht im Griff? Anzumerken ist, dass währenddessen die Band immer weiter spielt und sich nicht aus der Ruhe bringen lässt. Dann singen eben die Gitarristen, was soll's. Endlich sorgt der sich völlig außer sich befindende Tobias dafür, dass die Show abgebrochen wird. Die Techniker bekommen natürlich auch noch ihr Fett weg, können das Problem aber schnellstens beheben.
Alles auf Start zurück und weiterhin zu neuem Glück. Nachdem sich der Gesang nun endlich auf dem richtigen Level befindet, kommen auch tausend Entschuldigungen an das geduldige Publikum und das Konzert läuft wieder auf vollen Touren. Kurzweil ist angesagt, ich kann mich nicht erinnern, dass ein Konzert vom Gefühl her so schnell vorbei war. Nicht weil es so kurz gehalten wurde, sondern weil es so abwechslungsreich und einfach mega-geil ist. Aus jeder CD werden die besten und bekanntesten Stücke gespielt und natürlich kommt die Neuerscheinung "Age Of The Joker" auch nicht zu kurz. Das nach der Hälfte gespielte Drumsolo ist ein regelrechtes Lehrstück für Mr. Kottak, denn wie jeder weiß, kommen seine Schlagzeugkünste gleich nach seinen Gitarren-Riffs. Während "Behind The Gates TO Midnight World" kommt es auch mal zu etwas sanfteren Klängen. Die Zeit nutzt Frontmann Tobias Sammet aus, um sich heimlich in die Menge zu mogeln, unbemerkt in ein ominöses, spaciges Gefährt zu steigen, um dann einem Raketenstart ähnlich auf einer qualmenden, funken- und konfettisprühenden Bühne aus dem Nichts unter die Hallendecke geliftet zu werden, damit er dort oben das Stück aus luftigen Höhen singen kann. Coole Einlage mit großem Überraschungseffekt.
Zu "Robin Hood" tummeln sich einige, als Bruder Tuck und Maid Maryan verkleidetet, dem Mittelalter entsprungene Komparsen in der Menge, allerdings wenig vom Publikum beachtet oder gar erkannt, um dem Ablauf des Songs zugeordnet zu werden. Stattdessen beschäftigt sich der Saal mit kollektivem Headbanging und Luftgitarrenspiel. Die Songs toppen sich mittlerweile gegenseitig und die Band läuft zur Höchstform auf. "Ministry Of Saints" und "Vain Glory Opera" schließen den Hauptteil ab und nach kurzer Erholungspause werden "Land Of The Miracle" und "King Of Fool" nachgeschoben. Wie im Rausch nehme ich die Musik in mich auf. Es hat mich voll getroffen. Der Abend ist ein Highlight in der Liste meine besten Konzertereignisse.
Bei mir hat sich noch nicht die geringste Müdigkeit eingestellt und ich beschließe, noch ein wenig zu verweilen, um weitere Eindrücke zu sammeln. Weise Entscheidung, wie sich sofort herausstellt. Die Kottak Band präsentiert sich noch einmal den letzten Besuchern zur Autogrammstunde und ich komme noch mit James und Stephanie ins Gespräch. Er ist der total lustige, leicht abgedrehte Typ, der immer zu Späßen bereit ist, aber auch sehr ernste Gespräche führen kann. Sie hingegen ist die Denkerin und behält stets alles im Griff und überlässt nichts dem Zufall. Eine gute Ergänzung zu seiner hyperaktiven Art. Wir sind uns gegenseitig sehr sympathisch und reden über private Dinge und ein wenig über die Planungen des kommenden Jahres. Beide möchten noch mehr Zeit haben, um sich Berlin intensiver anzusehen und ich habe mich spontan als Guide angeboten. Bin ja mal gespannt was das nächste Jahr bringen wird …
Line-up SAOL's Kottak:
James Kottak [Jimmi Ratchitt] (vocals, guitar)
Stephanie Smith (guitar, vocals)
Name Unbekannt (bass)
Francis Ruiz (drums)
Line-up Edguy:
Tobias Sammet (vocals)
Jens Ludwig (guitar)
Dirk Sauer (guitar)
Tobias Exxel (bass)
Felix Bohnke (drums)
Setlist: SAOL's Kottak
Do You Wanna Play?
Let's Do It Tonite
So Disconnected
Scream
Drum Solo
You're Not Sorry
Do It Big
Holiday
Time To Say Goodbye
Rock & Roll Forever
Setlist: Edguy
Nobody's Hero
The Arcane Guild
Tears Of A Mandrake
Pandora's Box
Rock Of Cashel
Lavatory Love Mashine
Behind The Gates To Midnight World
Superheroes
Robin Hood
Drumsolo
Ministry Of Saints
Vain Glory Opera
Land Of The Miracle
King Of Fool
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