The Electric Family: Familengründung war vor 10 Jahren, und so gesehen ist es eigentlich eine noch junge Familie. Aber in der Musiklandschaft der 90er, noch dazu in Deutschland, ein solches Projekt zu gründen und mit Erfolg am Laufen zu halten, lässt auf eine starke Familie schließen. Wie auch im richtigen Leben, kann es passieren, dass die Gründung einer Familie ungeplant vonstatten geht und so war es auch bei Tom Redeckers Electric Family.
Denn Tom 'The Perc', bzw. The Perc Meets The Hidden Gentleman sollte 1996 auf dem Burg Herzberg Festival auftreten, aber der 'Hidden Gentleman' hatte kein Zeit, so dass Tom im Freundeskreis suchte und auch fünfig wurde. Volker Kahrs (Ex- Grobschnitt), Dieter Serfas (Amon Düül II), Torsten Glade, Jochen Schobert ( Artwork) und Harry Payuta ( Mojo Club) waren die ersten 'Kinder' und das Projekt kam im Land Of Milk And Honey so gut an, dass Tom dabei blieb, eine lose Familienbande mit deutschen Musikern unterschiedlichster musikalischer Couleur zu pflegen.
Volker Kahrs ist auch auf "Royal Hunt" wieder auf Familenbesuch und sorgt an den Tasten für Stimmung. Eine Stimmung, die düsterer kaum sein könnte - passend zu Toms Stimmbändern, die auf diesem Werk besonders zeigen, wie abgrundtief sie The Perc in den Tonleiterkeller hinabsteigen lassen können.
Bereits das schleppende, schwer daherkommende "Flag" läßt aufhorchen. Eine sich frei spielende Gitarre lenkt die Aufmerksamkeit des Hörers auf sich, der im Prinzip darauf wartet, dass sich die Band aus dem schleppenden Track-Rhythmus löst. Das gelingt aber erst in der Folgenummer "Close To The Dustheap". Und wie!
Wie von schweren Ketten befreit, groovt der Song unbändig nach vorne. Die Gitarre scheint in andere Sphären zu wollen, während Bass und Schlagzeug eine rhythmische Ohrwurmkeule auspacken und die Nummer immer weiter Richtung "Königliche Jagd" 'prügeln'.
Im Titeltrack leiten Gitarre und Vocals hin zu einem psychedelisch-instrumentalen Jam, der viel zu früh endet, aber hinführt zu 'meinem Tune' auf diesem Album: "Souls & Coins". Diese Stimme... Musculus vocalis und Musculus cricothyreoideus lassen Toms Stimmlippen diese wohlklingenden, tiefen Frequenzen erzeugen, die fast gruselig schön aus den Lautsprechern rollen. Dazu werden dem Sechssaiter außerirdische Klänge entlockt; herrje, die Nummer ist irre.
Die Kurzversion von "Operation Stardust" begeisterte mich bereits auf dem Sampler 45 Years Perry Rhodan / Operation Stardust, wird aber, dank der fast sieben Minuten-Version auf "Royal Hunt", schwerlich wieder zum Einsatz kommen. Auch die sieben Minuten sind zu schnell vorbei, denn diesen relaxten Groove kriegt man kaum wieder aus Fuß und Nacken. Akustische und elektrische Gitarren hypnotisieren fast und verbreiten positive, spacige Vibes.
"Long Way Back Home" intoniert Tom einige Stockwerke oberhalb des Basskellers und Peter Apel begleitet ihn dabei per Banjo, was der Nummer stellenweise gar einen Hauch 'Delta' verpasst. "Misty Moon Rider", der letzte 'offizielle' Track lebt von veträumten Piano- und Keyboardläufen, die von sanften akustischen Gitarrenakkorden begleitet werden. Man wartet förmlich darauf, dass Tom Redecker sein Organ in dem von der Band perfekt vorbereiteten Gerüst erklingen lässt - aber das Stück bleibt instrumental.
Eine herrliche Scheibe, die man von vorne bis hinten und umgekehrt immer wieder spielen kann, ohne dass einem langweilig wird. Die Messlatte für die nächste Platte wurde von der Electric Family sehr hoch gelegt.
Was sag ich nun zum Bonustrack "Bitch"? Die Stones-Nummer wirkt nach dem bisher Gehörten, auf mich etwas deplaziert. Scheint, als ist es einer Fun-Idee entsprungen. Dafür spricht auch die Sitar-Begleitung - oder kommen die indischen Klänge aus der Keyboard-Elektronik, da im Line-up keine Sitar aufgeführt ist?
Wenn schon Stones-Cover, fielen mir spontan ein paar adäquate ein: "Wild Horses" oder "Sister Morphine" zum Beispiel. Vielleicht auf Album Nummer sechs...
Nach mehrmaligem Hören finde ich aber immer mehr Gefallen an der Spaßnummer - trotzdem würde ich die "Sister Morphine" gerne mal in Toms Version hören.
Bis es soweit ist, steht mit "Royal Hunt" jedoch ein Stück Familiengold im Regal, und man muss dem Sippenoberhaupt attestieren, die Seinen wohl erzogen zu haben.
Quasi die musikalische Vorzeigefamilie.
Line-up:
Burghard Rausch (drums)
Hanno Janssen (drums)
Peter Apel (guitars, banjo)
Rolf Kirschbaum (guitars, keyboards, bass)
Volker Kahrs (keyboards, piano)
Theo von Thyssen (bass, vocals)
Tom 'The Perc' Redecker (vocals, electric & acoustic guitars, keyboards)
The Space Cookies (backing vocals)
Tracklist |
01:Flag (7:40)
02:Close To The Dustheap (4:06)
03:Royal Hunt (5:52)
04:Souls & Coins (6:56)
05:Operation Stardust (6:46)
06:Long Way Back Home (4:18)
07:Misty Moon Ride (3:45)
Special Bonus
08:Bitch (2:47)
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