Spielzeit: 70:36 (CD 1), 77:34 (CD 2), 77:56 (CD 3), 68:38 (CD 4), 79:07 (CD 5) Medium: CD-Box Label: Sony Music, 2012 Stil: Prog Rock Review vom 09.04.2012 Norbert Neugebauer

"From The Beginning" - von Beginn an - oder (nochmal) von vorne? Klar, wenn ein karriereumspannendes 5-CD-Set einer Band auf den Markt gebracht wird, dann ist von Haus aus Ersteres gemeint. Aber bei den kaum mehr überschaubaren Veröffentlichungsflashbacks gerade einer Band wie Emerson, Lake & Palmer, die im Prinzip von der Gründung weg in nur wenigen Jahren ihr Potential ausgespielt hat, darf das auch doppeldeutig interpretiert werden. Aber ebenso mit Blick auf den 'Wiederverwertungs-Primus' Sony, der sich immer neue Recycling-Formate einfallen lässt, ist das mehr als angebracht. Die vorläufig jüngste Idee ist das 'Bookset', in dem ein jeweiliges Thema episch, aber durchaus mit reizvoll günstigem Preis, für eine Käuferschicht X aufbereitet wird.

Hier ist das nicht mehr oder weniger als die Cremé von ELP auf fünf Scheiben in einem sehr attraktiv aufgemachten Buch-ähnlichem Set in DVD-Größe. Im darin enthaltenen 60-seitigen und ausgiebig bebilderten Leseteil geben die drei Protagonisten jeweils nacheinander interviewartig Statements zu den jeweiligen Karriereschritten. Obwohl das Ganze natürlich entsprechend choreografisch abgestimmt und harmonisiert ist (kein Wort über die ewigen Streitereien zwischen Emerson und Lake), ist das doch sehr informativ. Zumindest für den, der nicht so vertraut mit der ELP-Historie ist. Aber für die Urzeit-Fans ist das wohl auch nicht gedacht, denn die dürften die entsprechenden Outputs in den unterschiedlichsten Variationen längst haben. Es gibt durchaus auch Unveröffentlichtes auf den Scheiben, wie "Oh, My Father" von 1971 oder Alternativversionen. Ein weiterer Anreiz ist die ausgesprochen hohe Klangqualität, bei den bisherigen ELP-Produktionen oftmals der Negativ-Knackpunkt. Allerdings gibt es auch dieses 'Bookset' in nahezu identischer Form schon zumindest auf dem Importmarkt, als 5-CD+DVD-Set.

Alle Tracks sind remastert und das mit deutlich hörbarem Erfolg. So sind auch die ersten, bislang meines Wissens nur in rumpeligen Versionen bekannten Titel vom Debüt hier in einer sehr guten Qualität enthalten. Nie tönten beispielsweise "Lucky Man" und das wunderbare "Take A Pebble" so jungfräulich wie hier. Das Rauschen ist weg, dass damit aber auch die Dynamik reduziert wurde, nimmt man gern in Kauf. Dies gilt jedoch nur für die ersten Aufnahmen, der Rest demonstriert umso mehr das orchestrale Lautstärken- und Klangspektrum, das dieses Trio entfaltete. Ein echter Leistungstest für die heimische Anlage, sei es bei den filigranen Passagen der Lake-schen Kompositionen oder beim Bombast des komplexen ELP-Gesamtsounds. Allein aufgrund der Klangdefizite war es mir früher unmöglich, dieses Prog-Gewitter durchgehend auszuhalten, was jetzt rein gehörtechnisch kein Problem mehr darstellt. Allerdings zucken bestimmte Nervenbündel bei den Brachialattacken des Herrn Emerson auf Hammond bzw. Moog oder bei Dauerfeuer des Kollegen Palmer noch immer gewaltig und mehr als eine CD am Stück übersteigt deren Leidensfähigkeit.

Die Anordnung der Stücke auf den CDs ist chronologisch, wobei sich Studio- und Liveaufnahmen abwechseln. Auswahl und Mischung sind durchaus gelungen, soundmäßig ist das ebenfalls sehr homogen. "From The Beginning" heißt auch, dass die Karrieren der drei Einzelmusiker vor dem Zusammenschluss betrachtet werden, der Rückblick beginnt mit je einem Stück von
Atomic Rooster und von The Nice. Logischerweise hätte dann auch King Crimson berücksichtigt werden müssen und ist es auch mit "Epitaph" auf dem Import-Werk. Warum seltsamerweise nicht auf der Deutschland-Ausgabe, ist uns nicht bekannt. Die Retrospektive endet zeitlich auf CD 4 mit Titeln der letzten gemeinsamen Alben "Black Moon" (1992) und "In The Hot Seat" (1994), auch die Zwischenphasen Emerson, Lake & Powell sowie Three sind vertreten. Da das Trio musikalisch schon immer sehr variabel war, lässt sich der Werdegang über die Jahrzehnte am ehesten an Lakes großartiger Stimme festmachen, die deutlich dunkler geworden ist. Die letzte Scheibe ist einem Konzertmitschnitt vom Mar Y Sol-Festival in Puerto Rico vom 1972 vorbehalten, in wesentlich höherer Soundqualität als etwa die Isle of Whight-Takes. Die Band spielt die Stücke sehr kompakt und schneller als üblich, im Mittelteil mit einer schönen Doppelversion von "Take A Pebble" übergehend in "Lucky Man".

Mehr und Besseres von ELP kann man wohl kaum erwarten, zumindest nicht für unter 20 Euro. Diese Veröffentlichung ist viel weitergehender als das übliche Neu-Verramschen alten Materials. Für einen Musikfan wie mich, der aufgrund anderer Vorlieben diesen Dino der Rockmusik schon lange in seinem Kosmos aussterben ließ, ist die Werkschau durchaus eine reizvolle Wiederbelebung. Prog-Jünger, die bereits reichlich ELP im Schrank stehen haben, bleibt ein eigener Hörtest nicht erspart. Die beinharte Fraktion hat spätestens jetzt geordert (sofern nicht schon im Besitz des Import-Teils).
Übrigens kann die sich durchaus Hoffnung machen - alle Drei konstatieren einmütig, dass das letzte Wort in Sachen Neu-Neu-Neuauflage von ELP, zumindest live, nicht gesprochen ist.