Epitaph / 08.10.2011, Alter Bahnhof, Hannover-Anderten
Epitaph Epitaph
Alter Bahnhof, Hannover-Anderten
08. Oktober 2011
Stil: (Kraut) Rock


Artikel vom 15.10.2011


Jürgen Bauerochse
Epitaph Bekannterweise besteht das Leben in der Regel vom Anfang bis zum Ende immer wieder aus Lernprozessen. Man lernt dazu, was natürlich auch für die RockTimer gilt. In Sachen Konzertbesuche bezieht sich diese These nicht nur auf ständig neue Musiker, sondern auch in Sachen Veranstaltungsorte gibt es laufend neue Locations aller Größenordnungen, die Auftrittsmöglichkeiten für die Helden unserer Musik bieten. Okay, so etwas ist ein harter Job und einige der Clubs überleben auch nicht all zu lange. Trotzdem ist es immer wieder schön festzustellen, dass diese Idealisten nicht aussterben und ihre ganze Energie aufbieten, um Konzertstätten für Rockmusik zur Verfügung zu stellen.
Epitaph Zu dieser Kategorie gehört auch der Alte Bahnhof in Hannover-Anderten. Das im Jahr 1906 erbaute Gebäude war über siebzig Jahre Haltestation der Bahn und ging 1983 in Privatbesitz über. Inzwischen hat der Eigentümer Rolf Rehkopf eine sehr heimelige Kneipe aus der Immobilie geformt, die vom ersten Augenblick an eine unwahrscheinliche Gemütlichkeit ausstrahlt. Die urige Einrichtung erzeugt ein ganz besonderes Flair, dem sich der Besucher einfach nicht entziehen kann. Das ging an diesem Abend so weit, dass sich das RockTimes-Team Bauerochse/Plaschke spontan zu einem weiteren Besuch entschloss. Dann aber zur Biergartenzeit, denn den konnten wir aus Helligkeitsgründen leider nicht mehr in Augenschein nehmen.
Epitaph Und wenn die Wirtsleute dann auch noch Musik-Fans sind, wie an diesem Samstag beim Konzert deutlich zu sehen war, dann konnte gar nichts mehr schief gehen. Außerdem war mit der deutschen Rocklegende Epitaph genau die richtige Band zu Gast, um für gute Stimmung zu sorgen. Die Jungs sind ja bekannt dafür, immer die volle Leistung in ihren Gigs abzurufen, unabhängig von der Größe der Location. Und genau so lief der Abend dann auch ab. Bei unserer Ankunft saßen die Musiker ganz gemütlich beim Essen mitten unter den sich so langsam versammelnden Zuhörern. Keinerlei Backstage-Schikanen oder irgendwelche Security störte das Zusammentreffen zwischen Besuchern und Musikern. Was habe ich in dieser Richtung nicht schon alles erlebt, und wie viele Barrieren musste ich schon überwinden, nur um ein paar Worte mit den Künstlern zu wechseln. So kamen mir unwillkürlich die siebziger Jahre wieder in den Sinn, in denen es völlig normal war, mit den Protagonisten vor dem Auftritt auch noch mal ganz locker ein Bier zu trinken. Lang, lang ist's her…!
Epitaph Fast auf den Tag genau war es nun zwei Jahre her, dass ich Epitaph auf ihrer Promo-Tour für das Album Dancing With Ghosts live gesehen hatte. Damals spielten sie in der Bluesgarage, Isernhagen, vor knapp 200 Leuten. Das war heute natürlich, allein vom Fassungsvermögen nicht zu erwarten, aber der Alte Bahnhof füllte sich zusehends. Bald wimmelte es von Leuten, und dabei wurde dann auch der Nachteil der Location ziemlich klar. Es war ganz schön eng im Raum, sodass es gar nicht so einfach war, brauchbare Konzertbilder zu schießen. Ist ja klar, wenn man den Musikern auf der winzigen Bühne fast Auge in Auge gegenüber steht. Andererseits sah es schon stark aus, wenn die vier Jungs bei jedem Ausfallschritt aufpassen mussten, nicht irgendein Teil des Equipments umzustürzen.
Epitaph Also Bühnenshow war nicht - aber das hat die Band auch gar nicht nötig. Allein die musikalische Leistung zählt, und die war, wie nicht anders zu erwarten, mal wieder einwandfrei. Der Sound war perfekt auf die beengten Räumlichkeiten eingestellt. Die Songs kamen kräftig und klar, ohne dass den Zuhörern die Ohrmuscheln weggeblasen wurden. Die Instrumente waren hervorragend aufeinander abgestimmt, und auch bei den Vocals gab es nichts zu meckern, was ja speziell beim Harmoniegesang, wie ihn Epitaph bringt, nicht ganz unwichtig ist.
Epitaph So dauerte es nicht lange, bis die Band das Publikum voll auf ihre Seite gezogen hatte. Obwohl natürlich keine großen Überraschungen zu erwarten waren, ging jeder Song sofort in die Beine, ganz unabhängig davon, ob die vierzig Jahre alten Klassiker, oder aber Stücke der letzten beiden Studio-Alben gebracht wurden. Es passte einfach alles perfekt zusammen und Titel wie "Remember The Daze", "Cold Rain", "Can't You See" und "Ride The Star" fügten sich nahtlos in die Setlist ein. Da bei diesem Gig anscheinend nicht so viele Hardcore Epitaph-Fans dabei waren, gab es keine unterschiedlichen Reaktionen zwischen dem alten und neuen Songmaterial. Auch das ein sicheres Zeichen dafür, wie gut die aktuellen Titel angepasst sind.
Epitaph Für mich, der mit der Musik von Epitaph quasi groß geworden ist, haben dennoch die Klassiker eine besondere Bedeutung. "Fresh Air", "Moving To The Country" und "Woman" drehen sich ja nun mal vier Jahrzehnte auf meiner Anlage, und ich habe diese Werke absolut verinnerlicht. Klar, dass sie für mich die Highlights des Sets waren. Nur noch getoppt von "Stop, Look And Listen", das inzwischen der Höhepunkt eines jeden Epitaph-Konzertes ist, nachdem der Überflieger "Early Morning" im Moment nicht mehr live gespielt wird. Es ist nach wie vor herrlich anzuhören, wie im Improvisationsteil "Papa Was A Rolling Stone" und "Smoke On The Water" eingestreut werden.
Epitaph Klar war auch Bernd Kolbes legendäres Basssolo wieder mit dabei, und Heinz Glass streifte sich immer wieder mal den Bottleneck über den Finger, was auch immer ein Bringer der Konzerte ist.
Als dann mit dem unwiderstehlichen Boogie "Going To Chicago" der Zugabenteil eingeläutet wurde, war die Zeit wie im Fluge vergangen. Kaum zu glauben, wie schnell zweieinhalb Stunden vorüber gehen können. Aber bei so viel Spielfreude und Engagement kann man schon mal den Sinn für Zeit und Raum vergessen. Epitaph sind und bleiben jedenfalls ein Garant für tolle Shows und sehr gute Musik. Von ihnen kann sich so mancher 'Jungstar' immer noch eine Scheibe abschneiden, und lernen, was Professionalität bedeutet. Diese Band darf man auch im elften Jahr nach ihrer Reunion noch lange nicht zum alten Eisen zählen. Hoch zufrieden und innerlich ziemlich aufgewühlt machte sich die RockTimes-Crew auf den Heimweg. Natürlich mit Epitaph im Player...!
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Dirk Osterhaus vom M2-Musikverlag für die problemlose Akkreditierung und beim Team des Alten Bahnhofs in Anderten für die freundliche Aufnahme.
Line-up:
Cliff Jackson (guitar, vocals)
Bernd Kolbe (bass, vocals)
Heinz Glass (guitar)
Achim Wielert (drums, vocals)
Externer Link: