Epitaph - "Dancing With Ghosts"-Tour
17.10.2009, Bluesgarage, Isernhagen
Bluesgarage
Epitaph - "Dancing With Ghosts"-Tour
Bluesgarage, Isernhagen
17. Oktober 2009
Stil: (Kraut) Rock



Artikel vom 21.10.2009


Jürgen Bauerochse
Epitaph»Na endlich - das wurde aber auch Zeit!« - Das waren meine ersten Gedanken, als ich an diesem Samstagabend vom Obergeschoss der Bluesgarage die ankommenden Fans von Epitaph beobachtete. Es deutete alles darauf hin, dass sich bei Konzertbeginn wesentlich mehr Leute vor der Bühne tummeln würden, als bei den letzten beiden Auftritten aus den Jahren 2006 und 2008. Wer weiß, vielleicht konnten ja auch die Berichte und Reviews aus der RockTimes-Redaktion ein wenig dazu beitragen, dass das Publikumsinteresse an dieser Legende unter den deutschen Rockbands langsam aber stetig steigt.
EpitaphUnd verdient hat es die Band allemal. Seit der Reunion sind nun auch schon wieder neun Jahre vergangen und die große Stärke scheint diesmal in ihrer Standhaftigkeit zu liegen. Es gibt keinerlei Fluktuation im Line-up, mit The 21 Century Tour (2000) und Live At Rockpalast (2007) wurden zwei ganz hervorragende Konzert-Alben mitgeschnitten, und, was am Wichtigsten ist, es gibt mit Remember The Daze (2007) und dem brandneuen Dancing With Ghosts zwei Studio-Produktionen, die vor Ideen und Spritzigkeit nur so sprühen. Kurz und gut, die Chemie innerhalb der Band scheint in allen Bereichen absolut zu stimmen.
EpitaphSchon vor diesem Gig war ich mir zu 100 Prozent sicher, dass die Show quasi ein Selbstläufer werden würde, denn alle meine früheren Epitaph-Konzerte (und davon gibt es inzwischen schon einige!) strotzten nur so vor Spielfreude und Schwung. Ich habe noch nie erlebt, dass die Gruppe, egal in welchem Rahmen, nicht wirklich alles gegeben hat, was drin war. Ich glaube, die Jungs können gar nicht mit angezogener Handbremse auftreten. Leider ist diese Einstellung in der heutigen Zeit nicht mehr selbstverständlich und deshalb besonders erwähnenswert.
EpitaphPünktlich um 21.00 Uhr betrat die Band die Bühne und legte gleich mit "Can't You See" und "Another Bloody Day" vom aktuellen Album los. Klasse, sofort am Anfang mal die Live-Versionen dieser beiden neuen Titel zu hören. Epitaph kniete sich sofort voll rein. Bernd Kolbes Vocals haben für mich noch immer die gleiche Faszination wie vor vier Jahrzehnten, und sofort knallte den Zuhörern die volle Power der Rhythmus-Sektion entgegen. Besonders auffallend fand ich an diesem Abend das Gitarrenspiel von Heinz Glass, der einen ganz starken Tag erwischt hatte. Es war wirklich wieder ein echtes Erlebnis, ihn bei seinen Solo-Attacken zu beobachten.
EpitaphMit "Fresh Air" und "Woman" folgten zwei Klassiker vom "Outside the Law"-Album (1974), die ohne Unterbrechung zum regelmäßigen Live-Repertoire von Epitaph gehören. Hier gab es dann auch erstmals die feinen Double-Leads auf die Löffel, für die die Band von jeher bekannt und beliebt ist. Schon jetzt sah man im Publikum kaum noch still stehende Menschen. Der Funke war sehr schnell übergesprungen.
Nach "Remember The Daze" mit seinem gut mitsingbaren Refrain, folgte eine sehr angenehme Überraschung, denn das ruhige aber gleichzeitig fast psychedelische "Visions" vom Debüt-Album (1971) wurde angestimmt. Stark, denn dieser Titel war schon seit einiger Zeit nicht mehr im Live-Programm der Band enthalten und gehört schon immer zu meinen persönlichen Lieblingssongs von Epitaph.
Epitaph"Big City" und "Crossroads" beendeten den ersten Teil des Sets nach gut sechzig Minuten, und es herrschte in der Pause eine ganz hervorragende Grundstimmung. Die Zuhörer waren völlig zu Recht begeistert von dieser sympathischen Band, die mit ihrer positiven Ausstrahlung richtig ansteckend wirkte. In jeder Ecke des Saales bekam ich begeisterte Kommentare aus dem Publikum. Offensichtlich waren doch etliche Leute zum ersten Mal bei Epitaph und hatten mit einer solchen Energie wohl nicht gerechnet. Jedenfalls brodelte die Stimmung in der Bluesgarage. Isernhagen war bereit für den zweiten Teil der Epitaph-Gala 2009.
EpitaphDas zweite Set begann wieder mit drei neueren Songs, und jetzt hatte Bernd Kolbe auch zum ersten Mal die Gelegenheit zu einem Solo auf seinem Viersaiter. Nun trafen während der Gitarrenduelle auch Cliff Jackson und Heinz Glass immer öfter auf der Bühne zusammen und pushten sich gegenseitig zu Höchstleistungen. Dabei wurde jedem Zuhörer ganz schnell klar, dass bei dieser Musik endloses Gefrickel absolut nicht angesagt war. Die Songs kennen alle nur eine Richtung - und die geht nur nach vorne. Irgendwelche Schnörkel sind hier nicht erwünscht.
EpitaphMit einer Ausnahme. Der Titelsong des zweiten Studio-Albums "Stop, Look & Listen" (1972) war und ist mit seinen diversen Tempowechseln schon immer etwas ganz Besonderes gewesen. So auch an diesem Abend. Im Mittelteil wurde beim Improvisationsteil reichlich klassisches Rockmusik-Material eingebaut. "Smoke On The Water" wurde genauso verwurstet wie "I Feel Free". Dazu setzte Kolbe zu seinem zweiten Solo am Bass an und wurde dabei heftig von den Zuhörern gepusht. Die Stimmung war nun auf dem Siedepunkt. Und das änderte sich auch nicht, als mit "Ain't No Liar" der letzte Song des Konzertes angekündigt wurde.
EpitaphInzwischen hatte der Auftritt die Zwei-Stunden_Marke überschritten, aber das Bluesgaragen-Volk wollte mehr. Und das bekamen sie natürlich auch. "Going To Chicago", der seit Jahren bewährte Rausschmeißer, stürzte mit seinem Losgehrhythmus auf die Leute im Saal herein. Mittendrin wurde Heinz Glass von seinen Kollegen zum Singen 'zwangsverpflichtet' und übernahm so den obligatorischen Mitsingteil für das Publikum. Über diese immer wieder gern genommenen Einlagen kann man durchaus geteilter Meinung sein (fragt dazu mal meinen RockTimes-Kollegen Jürgen Berking!), aber an dieser Stelle war der Einsatz der Fans durchaus angebracht.
EpitaphDoch auch jetzt war das Publikum noch nicht satt. Epitaph kam gar nicht erst von der Bühne runter. Das rhythmische Klatschen und die Rufe nach Mehr hielten die Band quasi am Bühnenrand gefangen. Flucht war absolut zwecklos. So gab es zum krönenden Abschluss noch den größten Hit der Gruppe zu hören. "Moving To The Country", damals auch als Single-Auskopplung erschienen, fetzte aus den Boxen. Dieser Titel war in den Siebzigern einer der Renner in den deutschen Clubs und wurde sehr schnell zum Markenzeichen von Epitaph. An diesem Abend setzte der Song noch das i-Tüpfelchen auf eine richtig geile Show.
EpitaphSo endete nach 140 Minuten einer der heißesten von mir miterlebten Gigs der letzten Zeit und hinterließ verschwitzte aber überaus zufriedene Fans. Wer diesen Auftritt nicht miterlebt hat, hat wirklich etwas verpasst, aber ich bin mir sicher, dass beim nächsten Konzerttermin mit Epitaph noch weitere Anhänger von guter Rockmusik dazu kommen werden. Die Mundpropaganda und auch wir von RockTimes werden jedenfalls alles dafür tun, um noch mehr Leute zu aktivieren, denn diese deutsche Rocklegende hat volle Häuser verdient.
Line-up:
Bernd Kolbe (vocals, bass)
Cliff Jackson (guitar, vocals)
Heinz Glass (guitar)
Achim Wielert (drums, backing vocals)
Setlist
Can't You See
Another Bloody Day
Fresh Air
Woman
Remember The Daze
Visions
Big City
Crossroads

Ride The Storm
Hole In My Head
Cold Rain
Dead Man's Train
Reflections
Stop, Look & Listen
Ain't No Liar

Going To Chicago
Moving To The Country
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