Puh, nicht zu fassen, auch der Sommer 2005 kann durchaus ziemlich heiß sein.
Das hatten schon die '3 Days Of Love And Peace' auf der Loreley erfahren müssen, wo die Liebes- und Friedensbewegten verzweifelt nach Schatten Ausschau hielten.
Leider war zudem der Zuspruch für diese 'Heroes Of Woodstock'-Veranstaltung mit etwa 2500 Leuten arg bescheiden, obwohl doch wirklich einige Größen der popularmusikalischen Historie ihr Stelldichein gaben, um gleichzeitig ihr Überleben demonstrieren zu können. Na ja, jedenfalls diejenigen, die damals auch tatsächlich beim Festival aller Festivals dabei waren.
Neben der vielen Sonne und den warmen Temperaturen durchaus eine Parallele, die zum Burg Herzberg Festival gezogen werden kann.
Denn auch hier traten einige Gruppen auf, die ihre Zeit, wie mensch so schön sagt, schon längst hinter sich haben und nun sich selbst und allen anderen noch mal beweisen wollten, dass sie in Zeiten der Klingeltöne und Nu - Metall - Crossover - Hip - Gangsta - Rap - Hop - R&B - Plastik - Soul - Pop - Mucke alles andere als von gestern sind, sondern die richtige, die wahre, die schwitzige, die unperfekte, aber dafür umso emotionalere, intensivere (Rock)Musik beherrschen.
Und auch hier waren längst nicht alle Protagonisten tatsächlich Originale.
Und es herrschte ebenfalls das Motto 'Love And Peace' vor.
Dann ist aber auch Ende im Gelände mit den Parallelen.
Denn es waren erfreulicherweise deutlich mehr als 2500 interessierte Freaks in Freak-City anwesend und Burg Herzberg wurde dominiert durch psychedelische, progressive Töne, häufig von Bands dargeboten, die nie wirklich im großen Focus der Öffentlichkeit gestanden hatten, sondern es bestenfalls als Randerscheinung zu Kultstatus brachten.
So etwas in der Art erwartete der RockTimes-Jungredakteur auch am Samstagmittag in der unbarmherzig brennenden Sonne, die eher zu einem erfrischenden Sprung in den Swimming-Pool (gab's wirklich auf dem Gelände!) einlud, denn vor die Bühne um richtig abzurocken.
Und selbiges war eigentlich vorprogrammiert, denn es stand der Krautrockblock mit dem Headliner Peter Panka's Jane an, Support Epitaph. So jedenfalls hatte ich das Programm aufgefasst, denn mir sind als Kind der 80er Jane eher ein Begriff als Epitaph (wieso eigentlich?).
Und so harrte ich gemütlich im Schatten der Sonnenschirme eines Bierstandes der Dinge, die da nun kommen sollten.
Exakt vier Leute, vorsichtig ausgedrückt mittleren Alters, entern die Bühne, zwei Gitarristen, ein Bassist und ein Schlagzeuger.
Nanu, kein Keyboarder? Krautrock ohne Tasten?
Einer von den Gitarristen, Cliff Jackson, hat sympathischerweise meine Haarfarbe, also weißblond, der andere, Heinz Glass, ne lange, gelockte Mähne, Bassist Bernd Kolbe macht n' paar launige und gleichzeitig informative Ansagen auf Deutsch und schon wird mitten in der Mittagshitze gerockt, als gäbe es kein Morgen mehr.
Krautrock? Ich weiß ja nicht, was genau unter diesem Terminus verstanden wird, hier und jetzt erklingt aber purer Rock 'n' Roll einer äußerst engagierten, kompetenten und spielfreudigen Band, die sichtlich Spaß an ihrem Tun hat.
Cliff Jackson spielt sich mit einer Gibson warm, sein Kollege Heinz Glass mit einer Strat. Das machen sie einzeln mit diversen Solospots, aber auch gerne mal zusammen.
Die berühmte Doubleleadguitar feiert fröhliche Urständ, mir bisher eher aus dem Genre des Southern Rock bekannt, hier jetzt außerhalb des Genres in Perfektion dargeboten, so dass es mich glatt von der Bank aus dem Schatten in die Sonne vor der Bühne reißt. Und immer wieder verkündet Bernd Kolbe wissenswertes über die gespielten Stücke.
"Das ist von unserem ersten Album 1971, wie hieß es denn noch gleich, ach ja, "Epitaph", natürlich ...", " ... und nun kommt "Woman", von unserem bekanntesten Album "Outside The Law" ..." usw.
Oh yes, und gerade "Woman" groovt ohne Ende mit fetter Slide-Guitar, ansteckender Rifflastigkeit, schwindelerregenden Ausflügen an den sechs Saiten und einem pumpenden Bass.
Auch das zweite Album der Band, das 1972er "Stop, Look And Listen", wird bedacht, aber insgesamt gesehen liegt der Schwerpunkt doch auf dem 1974er Erfolgsalbum "Outside The Law", welches damals, wie Bernd Kolbe auch interessanterweise erwähnt, in den USA (Chicago) aufgenommen wurde.
Genau, statt Krautrock habe ich längst groovigen, hardrock'n'rolligen, angloamerikanischen Seventies-Heavysound im Ohr, wo sich zwei superbe Gitarristen duellieren, aber auch fantastisch zusammenspielen können.
Damit klingt auch hier und da eine Prise Westcoast-Sound a' la Wishbone Ash durch.
Darüber hinaus entpuppt sich Kommunikator Bernd Kolbe als ausgesprochen solider Rhythmiker, der auch gerne einem Duell mit Cliff Jackson n i c h t ausweicht, während Schlagwerker Achim Wielert-Poret die Fäden geschickt zusammenhält.
Kein Zweifel, gegenüber ihrem Reunion-Konzert im Jahre 2000 in Unna ('Resurrection - The Reunion Concert' und The 21 Century Tour), hat sich die Band deutlich gesteigert.
Seien es die phänomenalen, durchaus kraftvollen wie filigranen Solospots, die heißblütigen Gitarrenduelle, oder das Duell Gitarre-Bass auf gleicher Augenhöhe, sei es das wundervoll kompakte Zusammenspiel trotz teilweise sehr langer Songs, seien es die prägnanteren und auch saubereren Gesangsleistungen, diese Combo hat sich im dritten Frühling ihrer Karriere eindeutig frei und warm gespielt, hier greift ein Rädchen ins andere, ohne jemals steril, also allzu perfekt zu wirken.
Und natürlich ist manches anachronistisch, wie beispielsweise die ellenlangen Instrumentalausflüge bei "Outside The Law".
Aber hier ist auch wirklich mal das optische Sinnesorgan gefragt, abseits jeglicher aufgeblasener Showeffekte.
Wie sich ein Cliff Jackson geradezu ekstatisch in seine Soli reinhängt, mit allen Posen, die ich bisher kannte, aber eben auch teilweise noch nicht kannte, das ist wirklich ne Wucht in Tüten. Ihm zur Seite steht, quasi als Konterkarierung, ein vergleichsweise introvertierter Heinz Glass mit seiner Strat, die er ökonomisch, kontrolliert und effektiv zum Schwingen bringt und der damit gleichzeitig den aufschlussreichen Vergleich zweier grundsätzlich unterschiedlicher Gitarrenmodelle und -sounds erlaubt.
Herrlich, wer sich hier zu dieser frühen Stunde richtig fallen lassen kann, der wird von den Tunes Epitaph's davongetragen wie der Adler im Wind.
Eine famose Band, die sämtlichen, eventuell angesetzten Rost endgültig abgeschüttelt hat und mit ungeheurer Dynamik, großem Spielwitz und genauso großer Leidenschaft das Haus rocken kann, so dass dem Jungredakteur regelrecht schwindelig wird. Und das mitnichten vom Bier (schmeckt zu dieser Uhrzeit sowieso nicht wirklich!).
Nein, so hatte ich mir Krautrock eigentlich nicht vorgestellt, und es darf mit Spannung beobachtet werden, was das neu entfachte Feuer mit Epitaph in Zukunft noch so alles anstellen wird!
Epitaph - Burg Herzberg Festival, 15.07.2005
Olaf "Olli" Oetken, 20.08.2005
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