Auch 2012 war RockTimes wieder beim Bang Your Head!!! vertreten. Zugegebenermaßen konnte das Billing - sieht man mal von der Exklusivshow von Venom ab - nicht das verdammt hohe Niveau der beiden Vorgängerjahre halten, was man auch daran merkte, dass viele Besucher, mit denen man sich jedes Jahr gerne mal bei einem Bierchen verplappert, gar nicht erst vor Ort waren. Nichtsdestotrotz machten wir das Beste aus der Situation und feierten unbekümmert ein Wochenende im Zeichen der besten Musik dieses Planeten...
Freitag, 13.07.:
Da man als Schreiber von RockTimes leider noch nicht von seinen lyrischen Ergüssen leben kann, muss man eben einem Hauptjob nachgehen. Und da ich in eben diesem die drei Wochen nach dem BYH!!! Urlaub hatte, wollte ich nicht unverschämt werden und auch noch den Freitag in Anspruch nehmen. So konnte ich also erst um ca. 15 Uhr in Frankfurt losfahren und verpasste dadurch leider die Shows von Diamond Head und Armored Saint, die ich wirklich gerne gesehen hätte. Gut, es gibt Schlimmeres...
Als ich nach einer staureichen Autofahrt um ca. 18:30 Uhr auf den VIP-Parkplatz fuhr, hörte ich von der Bühne wildes Gekreische. Sprich: Arch Enemy holzten gerade ihr Set runter, was mich auch, wenn ich früher dort gewesen wäre, wenig gejuckt hätte. Nach einem Ankunftbierchen machte ich mich dann auf den Weg zum Festivalgelände, wo als nächstes Thin Lizzy spielten, die ich unbedingt sehen wollte. Zwar bekam man in den ca. 75 Minuten eine tolle Setlist mit beispielsweise "Are You Ready?", "Jailbreak", "Suicide", "Killer On The Loose" und natürlich den allergrößten Hits "Whiskey In the Jar" und "The Boys Are Back In Town" um die Ohren geblasen, doch irgendwie sprang der Funke bei meinem Lizzy-Debüt nicht so ganz über. Ricky Warwick ist ein wirklich guter Sänger und auch der Rest der Band sprudelte vor Spielfreude sichtlich über, dennoch kann man das ganze Spektakel ohne Phil Lynott allerhöchstens als solide Tributshow sehen. Vielleicht sollte man mal darüber nachdenken, den Namen zu wechseln und sich beispielsweise nach einer Platte dieser früheren Götterband benennen.
Aber dann, aber dann kam der Hauptgrund, Sprit für insgesamt 550 km zu opfern: Venom! Natürlich habe ich meine britischen Rumpelgötter um ihr gröhlendes Bassmonster Cronos bereits letztes Jahr im November auf dem Christmas Metal Festival in Lichtenfels live gesehen, doch dieses Mal wieder hinzufahren, sollte sich auszahlen! Die Setlist wurde runderneuert, die meisten Songs - und dieses Mal auch wirklich ganz ausgespielt und nicht in Medleys verbraten - stammten entweder von der neuen Platte "Fallen Angels" (okay, da hätte man durchaus mindestens zwei von sechs Songs kicken können) oder vom Megaklassiker "Black Metal". Und das heißt, dass sowohl "Teacher's Pet" als auch "Buried Alive" (!!!) im Set auftauchten, was zu ungebremster Fanhysterie in den ersten Reihen führte. Unverzeihlich finde ich allerdings, dass trotz der Betonung auf "Black Metal"-Songs immer noch kein "Sacrifice" durch die imposante Marshall-Boxenwand peitschte. Viel Pyroshow gab es auch nicht wirklich: Ein paar Piff-Paffs mussten reichen, aber so etwas ist eh drittrangig. Etwas gewöhnungsbedürftig fand ich hingegen, dass sie von "Welcome To Hell" lediglich "In League With Satan" und "Witching Hour" am Schluss spielten und den Titeltrack völlig ausklammerten. Doch selbst wenn Venom zu 90 % neues Zeug gespielt hätten: Mich haben sie in diesen 100 Minuten, in denen es fast durchgehend vom Erddach nieselte, wieder zu einem glücklichen Anhänger ihrer Legionen gemacht! Deshalb gilt: Hail To The Gods Of Extreme Metal!
Blöderweise fingen The Devil's Blood um Punkt 23 Uhr an, als Venom auch aufhörten. Daher waren sie bereits am Spielen, als ich die Halle betrat. Da hätte man als Veranstalter mit dem Beginn doch durchaus noch 10 Minuten länger warten können, zumal sich bei dieser Band die Hörerschaft deutlich überschneidet! Nun gut: Wie auch bei den beiden Shows auf dem Rock Hard Festival 2010 und dem Hammer Of Doom 2011 spielten die wie immer in Schweineblut getränken Okkult-Rocker ihr Set mit sichtlicher Leidenschaft herunter; das ausschließlich rote Licht leistete einen zusätzlichen Beitrag zu der unheilvollen Atmosphäre der Songs. Die Setlist bediente das komplette Schaffenswerk der Holländer und auch "Evermore" inklusive "The Time Of No Time"-Intro kam wieder zum Zuge. Die für mächtig Schlagzeilen sorgende Szene, als Bandkopf Selim bei "On The Wings Of Gloria" dem beide Stinkefinger zeigenden Besucher die Nase brach, habe ich leider nicht mit eigenen Augen gesehen, sie kann allerdings in diesem Video ab Minute 6:00 noch einmal genau betrachtet werden. Vielleicht habe ich mir da gerade ein neues Bier geholt oder einfach den Blick kurz abschweifen lassen...
Für mich war nach "Christ Or Cocaine" um 0:30 Uhr jedenfalls musikjournalistischer Feierabend, Orden Ogan konnten auch ohne meine Anwesenheit spielen. Ich genoss auf dem Parkplatz bei Fotografenkumpel Paul lieber noch 'ne schöne Jacky-Cola...
Samstag, 14.07.:
...der mir wohl böse zusetzte! Erst um kurz vor 12 mittags bekam ich es auf die Kette, den Hintern aus meinem zum Schlafplatz umgebauten Baguette-Bomber zu bewegen, was letzten Endes heißt: Sister und Lanfear komplett verpasst, Warbringer nur teilweise gehört. Während erstere offenbar eine ziemlich lahmarschige, lustlose Show gespielt haben sollen (und das sagt eine Dame, die eben jene Jungs als Backpatch auf ihrer Lederjacke trägt), ärgert es mich ein wenig um die schwäbischen Power-Metaller. Bei Warbringer, während derer Show ich mich langsam wieder unter die Lebenden begab, ist es weniger tragisch: Die spielten zwei Wochen später noch einmal auf dem Headbangers Open Air einen identischen Set, worin sich auch das gelungene "We Are The Road Crew"-Cover wiederfand...
Mein musikalisches Frühstück waren somit Breaker, die 1987 ein Kultalbum namens "Get Tough" veröffentlichten. Reformiert mit Originalsänger Jim Hamar hätte dieser Gig eigentlich ein Ohrenschmaus für einen US Metal-Fan wie mich werden müssen. Doch wie beim Thin Lizzy-Gig am Vorabend sprang auch hier der Funke nicht wirklich über. Jim hatte auf mich eine Ausstrahlung wie ein vertrocknetes Stück Brot und wirkte bei seiner Performance durch seine Mimik vollkommen lustlos. Da halfen selbst Genreklassiker wie "Ten Seconds In" wenig: Zum Wachwerden machte ich lieber einen kleinen Spaziergang übers Gelände, um mir etwas Essbares und antialkoholisches Trinken zu besorgen.
Es gibt ein paar Bands, die kann man sich jeden Samstagabend anschauen und selbst nach 30 Jahren hätte man noch Spaß daran. Eine dieser Bands sind Tankard, meine Lokalhelden aus Frankfurt. Nach einem Schunkelintro legten sie unverzüglich mit "Zombie Attack" los und ich sprintete im Handumdrehen vom Metalmarkt-Zelt direkt vor die Bühne. Gerre war sichtlich bei allerbester Laune, riss zwischendurch seine legendären Witzchen und ging als Sympathikus des Tages durch. Die Setlist bot eine gute Mischung aus allen Dekaden: Neben Frühzeit-Klassikern wie "The Morning After", "Chemical Invasion" kamen sowohl 90er-Songs wie "Minds On The Moon" und auch neue Stücke (der Titeltrack des brandneuen Albums "A Girl Called Cerveza" und "Stay Thirsty" vom vorletzten Album) zum Zuge. Lediglich das Fehlen von "Freibier" war etwas seltsam. Zum Schluss holte Gerre etliche Damen beim obligatorisch lauthals mitgegröhlten Rausschmeißer "Empty Tankard" auf die Bühne, danach war die Thrash-Lehrstunde auch schon wieder (viel zu früh) beendet.
Axxis verkniff ich mir im Anschluss, was im Nachhinein betrachtet vielleicht ein kleiner Fehler war, da in der Setlist nur Songs der ersten, guten bis hörbaren Alben auftauchten. Naja, vielleicht wiederholen sie das ja bei ihrer Show zusammen mit den Pretty Maids in Aschaffenburg...
Zum zweiten Mal Primal Fear, doch mein Debüt ist auch schon wieder drei Jahre her... Also ab vor die Bühne! Und das hat sich gelohnt: Die Schwaben, die ein Heimspiel feierten, waren sichtlich bester Laune und feuerten eine Granate nach der nächsten ins Rund. "Chainbreaker" und "Metal Is Forever" waren da nur als die beiden absoluten Höhepunkte zu sehen. Ralf Scheepers war top bei (High-Pitched-)Stimme, Mat Sinner schien ebenfalls mit dem richtigen Bein aufgestanden zu sein. Nichtsdestotrotz war die Show mit Sinner auf dem HOA noch einen kleinen Deut besser.
Eine Band, die mich live auch immer wieder in ihrem Bann zieht, sind Primordial aus Irland. An diesem heißen, sonnigen Nachmittag sah ich sie bereits zum vierten Mal in zwei Jahren und es ist immer wieder ein Fest, den leichenblassen, in Kunstblut getunkten und zerrissene Kleidung tragenden Alan bei seinen dramatischen Posen und Gesangsweisen zuzuschauen. Zudem verbreiten die Iren mit ihrem folkigen Black/Epic Metal-Geschmisch eine einzigartige, düstere Atmosphäre, mit der sie das Erbe der epischen Bathory würdevoll antreten. Immer wieder geil!
Sabaton? Wie schon 2010 der beste Grund, endlich etwas beim Subway in direkter Festivalnähe mampfen zu gehen. Ich kann den immer größer werdenden Hype um die Schweden immer weniger verstehen...
Danach stellte sich die Frage: Zum rund fünften Mal den griechischen Slayer -Söhnen Suicidal Angels-Support leisten oder zum ersten Mal im Leben die Schweizer Hard Rock-Institution Gotthard anschauen? Entgegen meiner großen Vorliebe für Rumpel-Thrash entschied ich mich für letzteres und bereute es zu keiner Sekunde. Vor der Bühne war es ordentlich gefüllt, zumeist von dem eher unauffälliger ausschauenden Besucheranteil und vor allem viel weiblichem Publikum. Alle wollten sie sehen, ob der neue Sänger Nic Maeder das Erbe des 2010 verstorbenen Originalsängers Steve Lee antreten kann. Und schon beim ersten Song wurde zumindest mir klar, dass er es kann. Er fügt sich nicht nur optisch gut in die Band ein, sondern versprüht durch seine jugendliche Ausstrahlung das Flair, das den Schweizern meiner Meinung nach in den letzten zehn Jahren etwas abhanden gekommen ist. Ein über die gesamten 75 Minuten fetter, differenzierter Sound und Bandhymnen wie "Sister Moon" und "Mountain Mama" sowie die gelungenen "Hush"- und "Mighty Quinn"-Covers verliehen dem Auftritt endgültig einen Platz auf dem Medaillenpodest meiner diesjährigen Reise...
Danach musste ich etwas Energie am Auto tanken, weshalb ich erst zum zweiten Song des Samstagsheadliners Edguy wieder zurück war. In dieser Zeit plapperte Herr Sammet - wie man bis zum Parkplatz hören konnte - zwar schon wieder soviel Analergüsse ins Mikrofon, wie ich sie in einem ganzen Jahr wohl kaum auf der Kloschüssel hinbekomme, aber gut... Zumindest musikalisch sind die Osthessen ein eingespieltes Team; da kann man objektiv betrachtet nichts dran rütteln. Dass sich der Monsieur während des fünften Songs in den Graben legte und etliche Verletzungen zuzog, mögen manche Edguy-Hasser witzig gefunden haben. Dass er danach allerdings die komplette Show zu Ende spielte, ist eine meisterhafte Leistung, die nicht jeder zustande bringt. Nichtsdestotrotz habe ich mich eine halbe Stunde vor Konzertschluss allmählich zur Halle bewegt, um nicht den Anfang von Exodus zu verpassen, die mir dann doch um Längen wichtiger waren...
Doch bevor man in dieser drin war, musste man erst wieder aus dem Festivalgelände hinten raus gehen, um sich vorne noch einmal anzustellen und durchsuchen zu lassen. Die Security hatte den Halleneingang mit Zäunen vom Open Air-Gelände abgetrennt. Etwas, das nicht nur mir gehörig auf den Sack ging, weil es eigentlich nur unnötig Zeit kostete und ich dadurch um ein Haar den Beginn verpasst hätte. Da sollte man im nächsten Jahr definitiv dran arbeiten... Zurück zum Eigentlichen: Sobald die Ami-Thrasher (als Ersatz für Gary Holt, der momentan noch bei Slayer aushilft, wurde Rick Hunolt bestellt) auf der Bühne standen, ging für 90 Minuten ein Thrash-Massaker der allerfeinsten Sorte los. Selbst der von mir bisher zutiefst verachtete, aktuelle Frontmann Rob Dukes gefiel mir an diesem Abend außerordentlich gut und sorgte für reichlich Stimmung. Bay Area-Koryphäe Lee Altus leistete spitzenmäßige Arbeit ab, das i-Tüpfelchen war eine Killer-Setlist mit besonderer Betonung auf "Bonded By Blood"-Stücken. "Metal Command" fand wieder den Weg ins Set, bei "Piranha" stieg Angels-Klampfer Nick mit auf die Bretter. Und als dann bei "Toxic Waltz" ein ordentlicher Moshpit startete, fand ich mich sogar am Schluss darin wieder. Die Wall Of Death beim "Strike Of the Beast"-Sandmännchen fand dann jedoch ohne mich statt, das war mir zu viel des Guten! Übrigens: Auch Rick Hunolt verletzte sich bei einem Sturz beim zweiten Song, wobei er sich eine Rippe brach, die Show aber ebenfalls unbekümmert weiterzockte. Respekt! Fazit: Good friendly violent fun! Für mich waren Exodus der eigentliche Headliner des Samstags, nach dem ich mich hundsmüde, aber vollkommen zufrieden in mein vierrädriges Bettchen legte!
Abschließend geht mein besonderer Dank an Birgit Bräckle von Brooke-Lynn Promotion für die Akkreditierung, an meinen Kumpel Paul Ehrenhardt für das wiederholte Bereitstellen der Festivalfotos, an die Veranstalter für das Organisieren von zwei Tagen toller Metal-Party und an die Baden-Württemberger Polizei, die uns dieses Jahr wieder mit ihren nervenstrapazierenden Drogen- und Alkoholrazzien auf der An- und Abreise verschonte und uns - jawoll - endlich mal durchwinkte. Wir werden eben auch von Jahr zu Jahr älter und reifer, hehe...
Setlist Venom:
Black Metal
Leave Me In Hell
Hammerhead
Pedal To The Metal
Buried Alive
Damnation Of Souls
Countess Bathory
Hail Satanas
Nemesis
Teacher's Pet
Warhead
Fallen Angels
Don't Burn The Witch
In League With Satan
Witching Hour
Setlist Exodus:
Last Act Of Defiance
Iconoclasm
Scar Sprangled Banner
Shroud Of Urine
Metal Command
A Lesson In Violence
And Then There Were None
Blacklist
Pleasures Of The Flesh
Piranha
Impaler
Bonded By Blood
War Is My Shepherd
Toxic Waltz
Strike Of The Beast
Externe Links:
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